LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10314 22.07.2020 Datum des Originals: 22.07.2020/Ausgegeben: 28.07.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4068 vom 7. Juli 2020 des Abgeordneten Alexander Vogt SPD Drucksache 17/10159 98 Prozent Fehlquote im Ausschuss für Kultur und Medien – warum nimmt Medienminister Laschet seine Aufgabe nicht ernst? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Medienpolitik hat die Aufgabe, im Sinne des Artikels 5 Grundgesetz die Vielfalt der individuellen und kollektiven Meinungsbildung sicherzustellen. Freie Medien sind ein unverzichtbarer Bestandteil jeder freiheitlichen Demokratie, da sie gewährleisten, dass sich die Bevölkerung auf Basis der medialen Berichterstattung eine eigene Meinung zu allen politischen Fragen bilden kann. Freie Medien üben zudem auch eine Kontrollfunktion gegenüber den politischen Akteuren aus. Nur wenn Medienpolitik die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft, können die Medien ihrer wichtigen demokratischen Aufgabe voll und ganz gerecht werden. Seit knapp drei Jahren hat NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zusätzlich das Amt des Medienministers inne. Nach massiver Kritik aufgrund möglicher Interessenskollisionen musste er zu Beginn der Legislaturperiode dem Verleger Stephan Holthoff-Pförtner das Medienressort entziehen, dem 17 Prozent der Funke-Mediengruppe gehören – laut Medienberichten Anteile im Wert von rund 250 Millionen Euro. Anstatt einen neuen und unabhängigen Medienminister einzusetzen, hat der Ministerpräsident das Medienressort gleich selbst übernommen. Seitdem haben 44 Sitzungen des Ausschusses für Kultur und Medien im nordrheinwestfälischen Landtag stattgefunden. 43 Mal hat Medienminister Laschet nicht daran teilgenommen. Auch bei medienpolitischen Anträgen, Gesetzesentwürfen oder Fragestunden im Plenum lässt er sich regelmäßig von fachfremden Ministerinnen und Ministern vertreten. Zwar ist der verantwortliche Staatssekretär häufig anwesend, allerdings hat er im Plenum kein Rederecht. Angesichts der Fehlzeiten von Medienminister Laschet liegt die Annahme nahe, dass er seine Aufgabe nicht ernst nimmt und das wichtige Medienressort unter der regierenden schwarz-gelben Landesregierung nicht die nötige Relevanz erfährt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10314 2 Die Ministerin für Kultur und Wissenschaft hat die Kleine Anfrage 4068 mit Schreiben vom 22. Juli 2020 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Welche Wertigkeit misst die Landesregierung dem Thema Medienpolitik in Nordrhein-Westfalen zu? 2. Warum belastet sich der Ministerpräsident mit der Doppelfunktion, zusätzlich auch Medienminister zu sein? 3. An welchen medienpolitisch relevanten Terminen des Landtags (Sitzungen des Ausschusses für Kultur und Medien sowie Plenardebatten mit medienpolitischem Inhalt) hat der Medienminister nicht teilgenommen (bitte mit Datum und Inhalt auflisten und ob zuvor eine Abmeldung erfolgt war)? 4. Welche anderweitigen Termine nahm der Medienminister wahr, wenn er an medienpolitischen Terminen im Landtag nicht teilgenommen hat (bitte jeweils Art des anderweitigen Termins, Ort des anderweitigen Termins sowie Beginn und Ende des anderweitigen Termins auflisten)? 5. Warum hält der Ministerpräsident es nicht für notwendig, einen Medienminister mit ausreichenden zeitlichen Kapazitäten einzusetzen? Die Fragen 1 bis 5 werden im Zusammenhang beantwortet: Eine vorausschauende und profilierte Medien- und Netzpolitik hat für den demokratischen Diskurs und den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft einen extrem hohen Stellenwert. Daher ist es angemessen, dass die Zuständigkeit für dieses Politikfeld, wie schon zu Zeiten der Vorgängerregierungen ausweislich der Bekanntmachung der Geschäftsbereiche seit 1963, in der Staatskanzlei verortet ist. Die Zuordnung an den Minister im Geschäftsbereich des Ministerpräsidenten fand erstmalig in der Zeit der Regierung von Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers statt. Abgesehen davon ist es geübte Staatspraxis in Nordrhein-Westfalen, dass sich die Ministerpräsidenten selbst mehr oder minder stark in der Medienpolitik engagieren. Hervorzuheben ist hierbei etwa das Engagement von Ministerpräsident Wolfgang Clement und dessen zuständiger Staatssekretärin Miriam Meckel. Wie im Rahmen der persönlichen Übernahme des Ressortbereichs durch Ministerpräsident Armin Laschet bereits kommuniziert, nimmt der Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Nathanael Liminski, die damit verbundenen Aufgaben wahr. Dazu gehört etwa die ständige Vertretung der Landesregierung im Ausschuss für Kultur und Medien des Landtags. In der durch die Ressortverortung in der Staatskanzlei aufgewerteten Sportpolitik verfährt die Landesregierung ebenso. Im Sportausschuss wird der Ministerpräsident durch die zuständige Staatssekretärin Andrea Milz vertreten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10314 3 Das persönliche Engagement von Ministerpräsident Armin Laschet im Rahmen zahlreicher Termine mit Akteuren der Film- und Fernsehbranche sowie Vertretern von Medienverbänden und –unternehmen hat die Medienpolitik in Nordrhein-Westfalen seit seiner Amtsübernahme 2017 deutlich aufgewertet. Nicht zuletzt dank seines persönlichen Einsatzes im Rahmen der Aufstellung des Haushalts für die Medien- und Netzpolitik, den der Ministerpräsident anders als seine Vorgänger persönlich im Plenum des Landtags debattiert, ist es gelungen, in den ersten drei Regierungsjahren wichtige medienpolitische Weichenstellungen vorzunehmen, Nordrhein- Westfalen als Medien-Digital-Land deutlich zu profilieren und wieder zu einem führenden medien- und netzpolitischen Akteur in Deutschland zu machen. Eine Vielzahl von Projekten und Vorhaben wurden – über das ambitionierte Kapitel des Koalitionsvertrags hinaus – bereits umgesetzt. Dazu gehören u. a.: • der medienrechtliche Meilenstein des neuen Medienstaatsvertrages, an dem Nordrhein- Westfalen maßgeblich mitgewirkt hat; • die im Frühjahr vom Landtag verabschiedeten Gesetzesvorhaben im Zusammenhang mit der Gesamtstrategie „Radio in NRW 2022“ für ein zukunftsfähiges Radio und einen wirtschaftlich tragfähigen Lokalfunk in Nordrhein-Westfalen; • der Ausbau der Film- und Medienstiftung NRW als der zentralen Förderagentur, deren Filmfördermittel seit 2017 um 3,5 Mio. Euro auf über 13,2 Mio. Euro erhöht wurden, auf den höchsten Stand in der Geschichte der Filmförderung in Nordrhein-Westfalen; • die Profilierung des Games-Standorts Nordrhein-Westfalen u. a. mit einer auf 3 Mio. Euro erhöhten Förderung der Film- und Medienstiftung NRW; • die Fokussierung der Politik zur Förderung der Medienkompetenz mithilfe des #Digitalcheck.NRW; • die Förderung innovativer Medienprojekte im Rahmen der Ruhr-Konferenz zur Sicherung und Stärkung der Medienvielfalt; • die Bundesratsinitiative zur Verankerung des Förderzwecks Journalismus in der Abgabenordnung, nachdem zuvor im Landtag Nordrhein-Westfalen jahrelang darüber diskutiert wurde und die Vorgängerregierung es nicht für notwendig erachtete, eine Bundesratsinitiative zu starten; • der intensive medien- und netzpolitische Austausch im Medien-Digital-Beirat NRW; • und ein neues Konzept für Veranstaltungsformate für und mit der Medienbranche, u. a. auch mit neuen Formaten des Ministerpräsidenten wie dem bereits etablierten Gamesgipfel und dem 2019 erstmals durchgeführten Mediengipfel. Ein Beleg für den in der aktuellen Legislaturperiode deutlich gestiegenen Stellenwert der Medien- und Netzpolitik ist darüber hinaus die Entwicklung des Medienhaushalts der Staatskanzlei. Von 2017 bis 2020 wuchs er von gut 22 Mio. Euro auf knapp 35 Mio. Euro. Das entspricht einem Zuwachs von rund 55 Prozent. Zum Vergleich: Von 2010 bis 2017 legte der Etat nur um ca. 1 Mio. Euro zu. Dabei war der Trend in den Jahren 2013 bis 2016 sogar negativ. 2014 bis 2016 sank der Etat unter 21 Mio. Euro. Insofern hat sich für das Medienland und den Filmstandort Nordrhein-Westfalen die Ressortierung unmittelbar beim Ministerpräsidenten verbunden mit einem ihm zugeordneten die Medienpolitik gestaltenden Staatssekretär, der an allen Sitzungen des Ausschusses für Kultur und Medien teilnimmt, mehr als bewährt.