LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10320 23.07.2020 Datum des Originals: 22.07.2020/Ausgegeben: 29.07.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4014 vom 3. Juli 2020 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/10091 Wie bewertet die Landesregierung die finanziellen Konsequenzen des massenhaften Absterbens von Baumbeständen im Staatswald? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Zu den zentralen Aufgaben des Landesbetriebes Wald und Holz NRW gehört die Bewirtschaftung von ca. 120.000 Hektar Staatswald. Neben dem nicht bezifferbaren ökologischen Wert des Waldes stellt der Staatswald auch einen Teil des Vermögens des Landes NRW dar. Wie den Waldzustandsberichten der Jahre 2018 und 2019 zu entnehmen ist, verschonen die Folgen des Klimawandels den Wald in NRW nicht. Dürre, Stürme, Hitze, Pilz- und Käferbefall haben dem Wald in NRW in den letzten Jahren stark zugesetzt und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen wird auch für den Sommer 2020 nicht erwartet. Es ist zwar Konsens, dass sich die Waldbewirtschaftung in Zukunft zugunsten widerstandsfähiger Mischwälder verändern muss, nicht beantwortbar ist jedoch die Frage, mit welchem finanziellen und zeitlichen Aufwand die Anpassung des Waldes an den Klimawandel geschehen kann. Damit wir diese Generationenaufgabe bewältigen können, ist es notwendig, dass sowohl der Landesbetrieb Wald und Holz NRW als auch die zugehörigen Regionalforstämter nicht durch finanzielle Engpässe bei der Erledigung ihrer Aufgaben beschränkt werden. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4014 mit Schreiben vom 22. Juli 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Sturmereignisse, wie der Orkan Friederike, sowie die nachfolgenden Dürren und dadurch begünstigten Borkenkäferkalamitäten haben seit dem Jahr 2018 zu großflächigen Schäden insbesondere in Fichtenwaldbeständen aller Waldbesitzarten in Nordrhein-Westfalen geführt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10320 2 Das zusätzlich angefallene Holz hat in der Folge zu einem Preisverfall für Fichtenrundholz geführt. Die Borkenkäferpopulation der Arten Buchdrucker und Kupferstecher hat eine dramatische Größenordnung angenommen. Auch in bislang wenig oder gar nicht betroffenen Waldbereichen höherer Lagen sterben nunmehr Fichtenbestände ab. Aktuell ist nicht absehbar, wieviel Fläche insgesamt betroffen sein wird. Insofern ist es derzeit auch noch nicht möglich, belastbare mittel- und langfristige Prognosen über zukünftige Nutzungsmöglichkeiten bzw. den Umfang der erforderlichen Investitionen für die Wiederbewaldung für den Staatswald zu stellen. 1. Welche Einnahmen erzielte Wald und Holz NRW in den Jahren 2018 und 2019 durch die Bewirtschaftung des Staatswaldes? (Bitte auch erläutern, mit welchen jährlichen Einnahmen mittelfristig geplant wurde.) Im Jahr 2018 erzielte das Geschäftsfeld Staatswald des Landesbetriebes Wald und Holz NRW Umsatzerlöse in Höhe von 37,972 Mio. Euro (vgl. Vorlage 17/2316). Geplant waren im Haushaltsplan 2018 Umsatzerlöse in Höhe von 35.632.000 Euro (vgl. Beilage 2 zum Einzelplan 10 aus 2018). Im Jahr 2019 erzielte das Geschäftsfeld Staatswald Umsatzerlöse in Höhe von 42,946 Mio. Euro (diese Zahl ist noch vorläufig, entnommen aus dem noch nicht veröffentlichten Entwurf des Jahresabschlussberichtes 2019). Geplant waren Umsatzerlöse in Höhe von 35.230.000 Euro (vgl. Beilage 2 zum Einzelplan 10 aus 2019). Wesentlicher Treiber der erhöhten Umsatzerlöse in den Jahren 2018 und 2019 war die außerplanmäßige Zwangsnutzung geschädigter Fichtenbestände. Dies darf nicht darüber hinweg täuschen, dass gleichzeitig der Erlös je Festmeter durch den Verfall der Holzpreise deutlich gesunken ist. Aufgrund der Haushaltssystematik müssen die Planwerte rund ein bis eineinhalb Jahre vor dem eigentlichen Haushaltsjahr ermittelt werden. Daher waren zum Zeitpunkt der Aufstellungen weder die Dürresommer der Jahre 2018 und 2019 noch die darauf folgenden Waldschäden in ihrem Ausmaß absehbar. Für künftige Haushaltsjahre wird ebenfalls zu berücksichtigen sein, dass zum Zeitpunkt der Planaufstellung kalamitätsbedingt anfallende Holzmengen und Preisentwicklungen nicht vollumfänglich einschätzbar sein werden. 2. Wie hoch sind die prognostizierten Einnahmen von 2020 bis 2048 unter Berücksichtigung der veränderten Ausgangssituation durch Trockenheit, Hitze und den massiven Borkenkäferbefall bei der Fichte? Für das Jahr 2020 wurden im Geschäftsfeld Staatswald Umsatzerlöse in Höhe von 34.673.000 Euro geplant (vgl. Beilage 2 zum Einzelplan 10 aus 2020). Die Planungen für das Jahr 2021 sind noch nicht abgeschlossen. Gegenwärtig wird im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung mit Umsatzerlösen in Höhe von jährlich ca. 37 Mio. Euro geplant. Dabei wird von einem unverändert hohen bzw. noch steigenden Kalamitätsholzanfall auszugehen sein. Die nachhaltigen Nutzungsmöglichkeiten werden mittelfristig, aufgrund des durch die Kalamität verlorengegangenen Nadelholzvorrates, deutlich geringer sein als noch vor der Kalamität. In der Folge muss daher mit einem deutlich niedrigeren Holzeinschlag gerechnet werden. Um zeitnah Aufschluss über die Struktur und Nutzungsmöglichkeiten des verbliebenen Waldbestandes zu bekommen, soll nach Abklingen der Kalamität eine Betriebsinventur auf Stichprobenbasis durchgeführt werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10320 3 Neben dem Holzvolumen ist die Höhe der erreichbaren Umsatzerlöse dabei auch abhängig von der Höhe zu erzielender Holzpreise. Die großen Mengen kalamitätsbedingter Zwangsnutzungen haben seit 2018 zu einem Preisverfall beim Absatz von Fichtenholz geführt. Sobald die dem Markt zugeführten Kalamitätsholzmengen zurückgehen, werden die Preise für Fichtenrundholz voraussichtlich auch wieder deutlich steigen. Allerdings wird das im Staatswald nachhaltig noch nutzbare Holzvolumen, wie vorstehend ausgeführt, dann deutlich niedriger sein als vor der Kalamität. Wann es zukünftig zu Preisentwicklungen kommen wird und wie diese ausfallen werden ist über einen längeren Zeitraum nur sehr schwer einschätzbar aufgrund der zahlreichen marktbestimmenden Faktoren und der in Mitteleuropa überall bestehenden Borkenkäfersituation. Die Entwicklung bis zum Jahr 2048 kann daher nicht vorhergesagt werden. 3. Welche Auswirkungen haben Mindereinnahmen aus der Bewirtschaftung des Staatswaldes für die finanzielle Ausstattung des Landesbetriebs Wald und Holz NRW? Bis zum Jahr 2019 wurde aus den Überschüssen des Geschäftsfeldes Staatswald regelmäßig eine Abführung an den Landeshaushalt in Höhe von 3,5 Mio. Euro realisiert. Im Jahr 2018 führte die Abführung erstmals dazu, dass das Geschäftsfeld hierdurch mit einem Defizit abschloss. Im Jahr 2019 konnte aus dem Geschäftsfeld Staatswald heraus keine Abführung geleistet werden, da dieses bereits vor der Abführung mit einem negativen Jahresergebnis endete. Ab dem Jahr 2020 entfällt die Abführungsverpflichtung. Voraussichtlich wird das Geschäftsfeld Staatswald auch in diesem Jahr mit einem erheblichen Defizit abschließen. Somit werden auch Aufwendungen in den anderen Geschäftsfeldern (Dienstleistung und Hoheit) des Landesbetriebes Wald und Holz NRW nicht aus erwirtschafteten Mitteln finanziert werden können. 4. Welche finanziellen Konsequenzen durch das Absterben großer Baumbestände erwartet die Landesregierung für das auf den Landesbetrieb Wald und Holz NRW übergegangene forstwirtschaftlich genutzte Grundvermögen? Der Verlust von Waldvermögen zeigt sich im Abgang von Buchwerten in der Bilanz. Die Abwertung erfolgt erfolgsneutral per Stammkapital. Spätere Wiederaufforstungskosten auf diesen Flächen stellen somit laufenden Aufwand dar. Eine bilanzmäßige Befassung erfolgt im Jahresabschlussbericht 2019, der sich derzeit in der Abstimmung befindet. Die Auswirkungen auf die Umsatzerlöse wurden in der Antwort zu Frage 2 beschrieben. Auch wenn unter vielen der abgestorbenen und noch absterbenden älteren Fichten schon Jungpflanzen aus Naturverjüngung oder aktiven Waldumbaumaßnahmen vorhanden sind, werden für die Wiederbewaldung der landeseigenen Flächen verstärkte Investitionen notwendig sein. Fachliche Grundlage für die waldbauliche Bewirtschaftung des Landeswaldes ist das Waldbaukonzept NRW. Aktuell wird, aufbauend auf dem Waldbaukonzept NRW, für die kalamitätsbedingt entwaldeten Flächen landesweit über alle Besitzarten ein Wiederbewaldungskonzept abgestimmt. Dabei erfolgt die Wiederbewaldung im Staatswald, wo sinnvoll möglich, unter weitgehender Nutzung der natürlich ankommenden Waldverjüngung. Um das übergeordnete Ziel, klimastabile Wälder zu entwickeln, die die gesellschaftlich benötigten Ökosystemleistungen erbringen und alle Waldfunktionen bereitstellen, erreichen zu können, sind daneben auch aktive Wiederbewaldungsmaßnahmen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10320 4 durch Pflanzung und Saat sowie lenkende Pflegemaßnahmen in Jungbeständen aus natürlicher Waldverjüngung erforderlich. Hinzu kommen steigende Investitionen in die Infrastruktur, da die Waldwege durch die Abfuhr des Kalamitätsholzes stark in Anspruch genommen werden. Der genaue Umfang dieser notwendigen Investitionen, die auch zur Gewährleistung der Erholungsfunktion notwendig werden, ist gegenwärtig noch nicht absehbar. Gegenfinanzierungsmöglichkeiten über Bundesoder EU-Mittel bestehen bislang nicht. 5. Wie plant die Landesregierung bei der Wiederaufforstung im Staatswald Setzlinge vor Verbiss, insbesondere vor selektivem Verbiss durch Rehwild, zu schützen? Essentiell für die angestrebte Wiederbewaldung ist die Schaffung angepasster Wildbestände über geeignete Maßnahmen der Jagd und des Wildmanagements. Bei der Wiederbewaldung von Kalamitätsflächen werden Pflanzmaßnahmen i. d. R. in der Form kleinflächigen Einbringens mit begrenzten Pflanzenzahlen umgesetzt. Wo erforderlich und sinnvoll werden die Pflanzungen mit mechanischem Einzelschutz versehen, Kleingatter zur Einbringung seltener bzw. gefährdeter Nebenbaumarten bilden hier die Ausnahme. Durch die Einbindung von Naturverjüngung und natürlicher Sukzession sollen auch der Verbissdruck gemindert und das Wildschadensrisiko an gepflanzten Kulturen verringert werden.