LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10323 23.07.2020 Datum des Originals: 23.07.2020/Ausgegeben: 29.07.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4007 vom 2. Juli 2020 der Abgeordneten Norwich Rüße und Mehrdad Mostofizadeh BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/10084 Wann hält die Landesregierung im Umgang mit Unternehmen das Kooperationsprinzip für angemessen und wann sollten Recht und Gesetz gelten? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In einer Pressekonferenz der Landesregierung am 30.06.2020 äußerte sich der Ministerpräsident Armin Laschet zur Situation bei der Tönnies Holding (kurz: Tönnies) folgendermaßen: „Es gibt keine Zusammenarbeit mit Herrn Tönnies, sondern es wird jetzt nach ordnungsbehördlichem Verhalten entschieden. Die Zeit, dass man da kooperiert – das möglicherweise in der Vergangenheit mal der Fall gewesen sein mag – ist vorbei. Hier wird jetzt streng nach Recht und Gesetz verfahren. Das betrifft sowohl die Bundesgesetzgebung bezüglich Werkverträge, als auch die Bedingungen unter denen irgendwann das Werk wieder öffnet. Da werden klare Konzepte vorliegen müssen und die werden dann durch die Behörden geprüft, aber das wird nicht mit Einzelpersönlichkeiten verhandelt.“1 Dieses Statement des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen wirft Fragen auf, ob aus Sicht der Landesregierung nicht immer Recht und Gesetz gleichermaßen für alle Bürgerinnen und Bürger unseres Bundeslandes gelten und ob einzelne Unternehmerinnen und Unternehmer für sich bzw. für ihr Unternehmen entgegen der gesetzlichen Vorgaben andere – bessere – Konditionen aushandeln konnten. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4007 mit Schreiben vom 23. Juli 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie sowie der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1 https://twitter.com/phoenix_de/status/1277903237690077189. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10323 2 1. Welche Behörde ist für die Prüfung der Einhaltung der in den entsprechenden Gesetzen festgelegten Vorgaben der jeweiligen, die Tönnies betreffenden Rechtskreise Arbeitsschutz, Hygiene und Tierschutz, zuständig? Zuständig für den Arbeitsschutz sind die Dezernate 55 und 56 der Bezirksregierungen, die Fachaufsicht liegt beim MAGS NRW. Zuständige Behörde für amtlichen Kontrollen in den Bereichen Lebensmittelhygiene und Tierschutz am Standort Rheda-Wiedenbrück ist das Veterinäramt des Kreises Gütersloh. Die Fachaufsicht liegt beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) des Landes Nordrhein-Westfalen, das außerdem für die Zulassung nach EU-Hygienerecht zuständig ist. 2. Auf welche kooperativen Vereinbarungen mit Tönnies bezieht sich Ministerpräsident Laschet mit seiner Äußerung „dass man da kooperiert“? Mit der Firma Tönnies wie mit anderen Unternehmen der Fleischbranche und auch anderen Branchen gab es in der Vergangenheit immer wieder im Rahmen des Arbeitsschutzes auch kooperative Ansätze, um die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verbessern. So haben in jüngster Zeit das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales und das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie gemeinsam einen Dialogprozess mit der Fleischbranche gestartet, um zunächst in einem kooperativen Verfahren eine angemessene Reaktion auf die gravierenden Mängel zu erarbeiten und zu vereinbaren, die im vergangenen Jahr bei der Schwerpunktaktion Fleischwirtschaft des nordrhein-westfälischen Arbeitsschutzes aufgedeckt wurden. Klar formuliertes Ziel dieser Kooperationen seitens der zuständigen Minister war die Erarbeitung einer Regelung für eine elektronische Zeiterfassung für sämtliche eigenen Beschäftigten und Werkvertragsbeschäftigten in den entsprechenden Betrieben. Diese Vereinbarung sollte auch Vorbild für eine bundesweite Vereinbarung sein, da nach Überzeugung beider Ministerien die elektronische Zeiterfassung gerade in der Fleischund Schlachtindustrie ein wichtiger Schlüssel für eine Verbesserung der Arbeitssituation der Beschäftigten ist. Im Frühjahr haben verschiedene Gespräche hierzu auch unter Einbindung der Firma Tönnies stattgefunden. Die Zielsetzung, eine entsprechende Vereinbarung bis Ostern getroffen zu haben, wurde dann durch die akute Corona-Pandemie im März zunächst überlagert. Aufgrund der aktuellen Geschehnisse in der Fleischindustrie ist jetzt auch auf Initiative von Nordrhein-Westfalen eine bundesgesetzliche Regelung dieser Thematik geplant. Grundsätzlich entspricht es der Überzeugung des nordrhein-westfälischen Arbeitsschutzes, dass neben einer konsequenten Aufsicht mit entsprechenden Sanktionen auch in Kooperationen mit Arbeitgebern Verbesserungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land erzielt werden können. 3. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung, dass die Ordnungsbehörden aufgrund der in Frage 2 genannten kooperativen Vereinbarungen mit Tönnies nicht Recht und Gesetz durchgesetzt haben? Keine. 4. Sind die in der Vergangenheit offengelegten massiven Mängel im Arbeitsschutz sowie in der Unterbringung der Werkvertragsarbeiterinnnen und -arbeiter eine Folge eines zu kooperativen Verhaltens und infolgedessen fehlender Durchsetzung von Recht und Gesetz durch die Behörden gegenüber Tönnies? (Antwort bitte begründen.) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10323 3 Nein. Wie in der Antwort zu Frage 2 dargestellt, dienten die kooperativen Verfahrensweisen im Arbeitsschutz ebenfalls ausschließlich der Verbesserung der Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. 5. Sieht die Landesregierung die Durchsetzung geltender rechtlicher Normen im Sinne einer kooperativen Zusammenarbeit mit einem Unternehmen als Verhandlungsmasse an, sodass Recht und Gesetz nicht gleichermaßen für alle Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen ohne Ansehen der Person gelten? (Antwort bitte begründen.) Nein. Recht und Gesetz gelten gleichermaßen für alle Bürgerinnen und Bürger, Firmen und Institutionen in Nordrhein-Westfalen.