LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10328 24.07.2020 Datum des Originals: 23.07.2020/Ausgegeben: 30.07.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3912 vom 25. Juni 2020 der Abgeordneten Eva Lux SPD Drucksache 17/9975 Förderung Erwerbslosenberatung Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Veröffentlichung des neuen Interessenbekundungsverfahrens1 zur Förderung der Erwerbslosenberatung bzw. zukünftig "Beratungsstelle Arbeit" für die Förderperiode 2021- 2022 nach zu urteilen, haben sich die Förderkriterien nach Art und Umfang verändert. Die vormalige Förderung der Arbeitslosenzentren (ALZ) ist nun laut Bericht des Ministers Laumann (Vorlage 17/3078) nur noch in Kooperation mit den Trägern der Erwerbslosenberatungsstellen möglich.2 Laut der Erläuterung zum Interessenbekundungsverfahren wird in jeder der 53 Gebietskörperschaften in NRW eine „Beratungsstelle Arbeit“ mit einer Leitungskraft im Umfang einer Vollzeitstelle gefördert. Darüber hinaus können zusätzliche Personalstellen für Berater/- innen gefördert werden. In welchen Gebietskörperschaften wie viele Stellenanteile gefördert werden können, wird in "regionalen Platzkontingenten" festgelegt. Nun ist aus diesen regionalen Platzkontingenten zu ersehen, dass zwar global betrachtet keine Kürzung der Mittel erfolgt, aber augenscheinlich eine Umverteilung zwischen verschiedenen Kommunen umgesetzt wird. Laut Bericht des Ministers Laumann (Vorlage 17/3480) beruht diese Stellenverteilung „auf einem sachlichen Schlüssel, der die Anzahl an Langzeitarbeitslosen (SGB II und III), die Anzahl an Unterbeschäftigten, dem Anteil der Niedriglohnbeschäftigten, die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus Südosteuropa (EU-Erweiterung seit 2004 + Balkanländer) sowie die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den zugangsstärksten Asylherkunftsländern berücksichtigt.“3 Nach diesem „sachlichen Schlüssel“ ist Leverkusen nun eine der sieben Gebietskörperschaften, die nur noch auf eine geförderte Stelle in ihrem Gebiet Anspruch haben. Für das Arbeitslosenzentrum der Leverkusener Beschäftigungsförderung JOB Service 1 https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/esf_aufruf_interessenbekundungsverfahren_ beratungsstellen_arbeit.pdf 2 http://landtag/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-3078.pdf 3 https://landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-3480.pdf LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10328 2 wird bisher eine anteilige Sachkostenförderung (50% Land, 50% Träger) praktiziert, damit die Möglichkeit der offenen Beratung sichergestellt werden kann. Künftig ist diese Sachkostenförderung nicht mehr vorgesehen. Im Ergebnis droht damit dem Arbeitslosenzentrum des JOB Service die Schließung. Damit würde ein offenes Beratungsangebot von 30 Stunden in der Woche entfallen, obwohl bereits eine geplante Kooperationspartnerschaft mit der Diakonie und der Katholischen Jugendagentur als gemeinsame Träger der Erwerbslosenberatungsstelle Leverkusen beabsichtigt ist. Damit gehen wichtige Beratungskontakte und Wissen in der Betreuung und Hilfe von Langzeitarbeitslosen verloren. Fatal ist das insbesondere in der derzeitigen arbeitsmarktbezogenen Krise durch die schweren Corona-bedingten Konjunkturschäden. Gerade jetzt können wir uns den Verlust von niedrigschwelligen und quartiersbezogenen Beratungsstrukturen nicht leisten. Der Zuschnitt dieser regionalen Platzkontingente verwundert, wenn man die Zuweisung der geförderten Stellenanteile zwischen den Gebietskörperschaften vergleicht. So hat die einwohnerbezogen geringfügig kleinere kreisfreie Stadt Solingen Anspruch auf die Förderung von einer Leitungsstelle und die Förderung einer halben Beratungsfachkraft – und das bei sehr vergleichbaren Arbeitslosenstatistiken.4 Noch erstaunlicher erscheint dies aber vor dem Hintergrund einer 2019 von der Bundesagentur für Arbeit für NRW durchgeführten Analyse der sogenannten "Kundenstruktur" der Arbeitsagenturen nach Gebietskörperschaften.5 Hier wird Leverkusen gemeinsam mit Städten wie z. B. Wuppertal und Gelsenkirchen in den kritischen fünften Cluster eingeordnet. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 3912 mit Schreiben vom 23. Juli 2020 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie wurde die regionale Platzkontingentierung der geförderten Stellenanteile ermittelt? (bitte aufschlüsseln nach Kriterien und Gewichtung der Kriterien) Es wurde festgelegt, dass die Förderung der Beratungsstellen Arbeit auf einer sachlichen Basis erfolgen soll. Die Stellenverteilung beruht auf bestimmten Indikatoren. 4 https://www.gib.nrw.de/service/downloaddatenbank/kundenstrukturen-der-nrw-jobcenter-einetypisierung -1 5 Für Leverkusen siehe: https://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Statistik-nach- Regionen/Politische-Gebietsstruktur/Nordrhein-Westfalen/Leverkusen-Stadt- Nav.html?year_month=202005. Für Solingen siehe: https://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Statistik-nach-Regionen/Politische- Gebietsstruktur/Nordrhein-Westfalen/Solingen-Stadt-Nav.html. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10328 3 Diese sind: Grundlage der Berechnung: Gewichtung in % Anzahl Langzeitarbeitslose (SGB II und III) 25 Anzahl Unterbeschäftigten (SGB II und III, ohne Kurzarbeit, LZA sind hier herausgerechnet) 25 Anteil der Niedriglohnbeschäftigte (svB VZ- Beschäftigten mit weniger als 2/3 des Medianentgelts an allen svB VZ-Beschäftigten) 25 Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus Südosteuropa (EU-Erweiterung seit 2004 + Balkanländer) 12,5 Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den acht zugangsstärksten Asylherkunftsländern 12,5 Die letzten 3 Zeilen ergeben eine Berücksichtigung von einem 50%igen Stellenanteil in jeder Einrichtung für das Arbeitsfeld „Beratung gegen Arbeitsausbeutung in NRW“. Die Herkunft aus Südosteuropa wurde weit gefasst. Berücksichtigt werden die Länder: Bulgarien, Rumänien, Polen, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Zypern, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien. Die acht zugangsstärksten Asylherkunftsländer von Flüchtlingen sind mit Eritrea, Nigeria, Somalia, Afghanistan, Irak, Iran, Pakistan und Syrien berücksichtigt. Diese Gewichtung basiert insgesamt auf einem Gleichgewicht von 50 % SGB II + III-Kunden sowie 50% Menschen in Beschäftigung, die von Arbeitsausbeutung bedroht sein können. Die gewählten Indikatoren sind ausgewogen und berücksichtigen beide Leistungsbereiche der Beratungsstellen Arbeit in gleicher Weise. 2. Warum entfallen die zwischen Land und Träger gleichmäßig aufgeteilten Sachkosten für die offenen Beratungsangebote? Eine Förderung von „offenen Beratungsangeboten“ ist nicht Gegenstand des aktuellen ESFkofinanzierten Arbeitmarktprogramms. Die Förderung von Arbeitslosenzentren als niedrigschwellige Begegnungsmöglichkeiten wird integriert in die zukünftigen Beratungsstellen Arbeit. Hierdurch wird der Zugang zur qualitativen Fachberatung durch Synergieeffekte erleichtert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10328 4 Die in der Vergangenheit eingesetzten Finanzmittel aus ESF- und Landesmitteln werden in unveränderter Höhe bereitgestellt. Sie werden unterteilt in pauschale Zuwendungen für Personal (Standardeinheitskosten) und Zuwendungen für sonstige Ausgaben (Restkostenpauschale wie z. B. Sachkosten). 3. Wie verhält sich der Verteilschlüssel zu der Analyse der Kundenstruktur der Bundesagentur für Arbeit? In den neuen Beratungsstellen Arbeit werden sowohl Kunden der Arbeitsagenturen und Jobcenter wie auch Menschen ohne Bezug zu den vorgenannten Einrichtungen beraten werden. Daher wurde eine eigene sachliche Basis ohne Bezug zu dem genannten Schlüssel der Bundesagentur für Arbeit gewählt. Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 4. Wie verträgt sich der Sachverhalt, dass in Leverkusen künftig nur eine Personalstelle gefördert werden kann, mit der Einstufung von Leverkusen in den kritischen Cluster 5? Die erwähnte Clusterung basiert auf der Zuordnung einer Analyse von Arbeitsmarktdaten der Bundesagentur für Arbeit mit dem Fokus, valide Vergleiche zur Beurteilung der Zielerreichung von Jobcentern und Arbeitsagenturen vorzunehmen. Da in den neuen Beratungsstellen Arbeit andere Zielgruppen ohne Kontakt zu Jobcentern und Arbeitsagenturen, wie z. B. von Arbeitsausbeutung bedrohte oder betroffene beschäftigte Menschen, beraten werden, kann diese Typologie für diese Beratungsstellen keine Anwendung finden. 5. Können nicht-beantragte Fördermittel von Trägern zusätzlich beantragt werden, auch wenn sie bereits die für ihre Gebietskörperschaft vorgesehene Förderung erhalten? Es können keine weiteren Fördermittel beantragt werden.