LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10382 31.07.2020 Datum des Originals: 31.07.2020/Ausgegeben: 06.08.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4015 vom 3. Juli 2020 des Abgeordneten Stefan Kämmerling SPD Drucksache 17/10092 Widersprüche beim Atommüllendlager in Belgien. Was verschweigt die Landesregierung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Verfasser dieser Kleinen Anfrage hat sich in mehreren Kleinen Anfragen zum Thema Kernkraft an die Landesregierung gewandt und sich regelmäßig entschieden gegen die Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken, primär der Kernkraftwerke Tihange und Doel, ausgesprochen. Zuletzt beantwortete die Landesregierung die Kleine Anfrage 3734 trotz nicht unerheblicher Überschreitung der Beantwortungsfrist nur sehr spärlich. Die Fraktionen aus CDU und FDP haben mit Datum vom 16.06.2020 einen Antrag (DS 17/9817) in den Landtag eingebracht, in dem unter anderem ausgeführt ist, von belgischer Seite sei die Konsultation zum Vorbringen von Anregungen und Bedenken der Öffentlichkeit explizit nicht in der regelmäßig tagenden Deutsch-Belgischen-Nuklearkommission, in der auch Nordrhein-Westfalen auf Fachebene vertreten ist, angekündigt worden und auch der Bund habe davon nur im Nachgang erfahren. Weiter heißt es in diesem Antrag auch, die 60-Tage- Frist für die Beteiligung der Öffentlichkeit sei am 13.06.2020 ausgelaufen.1 Ministerin Heinen- Esser sprach in der Plenardebatte am 24.06.2020 selbst zu diesem Tagesordnungspunkt. Im Bund ist das BMU zuständiges Ministerium. Das BMU hat offenbar, entgegen der Aussagen der regierungstragenden Fraktionen, Kenntnis von dem Beteiligungsverfahren erhalten und die deutsche Öffentlichkeit über ein entsprechendes Portal auf der Website informiert. In einer bereits am 12.05.2020 auf der Seite des BMU veröffentlichten Pressemitteilung heißt es zudem, die Frist für die Beteiligung der Öffentlichkeit laufe bis zum 20.06.2020.2 Ministerin Heinen-Esser hat schließlich mit Minister Pinkwart einen Brief an die zuständige belgische Behörde „Ondraf“ geschrieben. Laut Medienberichten heißt es in diesem Brief erneut „Die Ankündigung der Öffentlichkeitsbeteiligung wurde deutschen Behörden leider nicht bekanntgegeben“.3 In dem Medienbericht der Eifler Zeitung (Medienhaus Aachen) heißt es 1 http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-9817.pdf 2 https://www.bmu.de/meldung/strategische-umweltvertraeglichkeitspruefung-sup-ueber-eineendbestimmung -fuer-hochradioaktive-undode/ 3 https://www2.aachener-zeitung.de/mwm/article.php?bid=85749191&edition=az-a2 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10382 2 weiter: „Die beiden Ministerien seien aber der Ansicht, dass auch deutsche Bürgerinnen und Bürger an der Konsultation hätten beteiligt werden müssen.“4 Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4015 mit Schreiben vom 31. Juli 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales beantwortet. 1. Das BMU hat offenbar Kenntnis von der Beteiligung der Öffentlichkeit erhalten und diese Information auf deren Website spätestens am 12.05.2020 veröffentlicht. Laut genannten Medienberichten haben jedoch die Umweltministerin und der Wirtschaftsminister des Landes NRW in beeindruckender Regelmäßigkeit verlautbaren lassen, nichts von einer Beteiligung gewusst zu haben. Wie stellte sich ganz konkret der Austausch des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zur Konsultation der Öffentlichkeit dar? 2. Wie erklärt die Landesregierung ihre Unkenntnis hinsichtlich einer Beteiligung der Öffentlichkeit vor dem Hintergrund der bereits am 1. April 2020 auf der Website der Behörde NIRAS (Ondraf) veröffentlichten Ankündigung der Öffentlichen Konsultation? Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet. Weder die Bundes- noch die Landesregierung wurden von der belgischen Behörde NIRAS/ ONDRAF über das eingeleitete Verfahren gemäß Art. 3 des Übereinkommens über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (ESPOO-Konvention) notifiziert. Die Landesregierung hat in der Antwort auf die Kleine Anfrage 3767 (LT-Drs. 17/10072) darauf hingewiesen, dass sie selbst erstmals am 13. Mai 2020 Kenntnis über die Strategische Umweltprüfung (SUP) und das Verfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung erlangt hat. Das für eine solche SUP im Ausland zuständige Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) hat offenbar am 12.Mai 2020 Informationen zu der SUP auf seine Webseite gestellt und informierte am 14. Mai 2020 offiziell das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz als zuständiges Ministerium in Nordrhein- Westfalen sowie das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie als Atomrechtliche Aufsichtsbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen. Eine weitere Information des BMU einschließlich einer ersten fachlichen Einschätzung erfolgte dann am 19. Mai 2020. In seiner Einschätzung kam das BMU zu dem Schluss, dass eine Bitte um regelmäßige Berichte im Rahmen der Deutsch-Belgischen Nuklearkommission aufgrund des sehr abstrakten Niveaus des Planentwurfs ausreichend sei. 4 https://www2.aachener-zeitung.de/mwm/article.php?bid=85749191&edition=az-a2 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10382 3 3. In der Plenardebatte vom 24.06.2020 (zu TOP 19) sagte Ministerin Heinen-Esser, sie könne mit „den kurzen Fristen“, mit denen im Rahmen der SUP Stellungnahmen eingeholt würden, „nicht arbeiten“. Wie erklärt die Landesregierung die mehrfach von Ministerinnen und Ministern getroffene Aussage, sie hätte keine Kenntnis von einer Beteiligungsmöglichkeit gehabt, wenn sich Ministerin Heinen-Esser in einer Plenardebatte jedoch selbst auf die Kürze der Frist beruft, mit der sie nicht arbeiten könne? Der zitierte Redebeitrag von Ministerin Heinen-Esser zu den unverhältnismäßig kurzen Fristen bezog sich auf die Diskrepanz zwischen der Stellungnahmefrist und den zu diesem Zeitpunkt in beiden Ländern vorherrschenden Corona-Beschränkungen. Diese Aussage steht in keinem Zusammenhang zur Kenntniserlangung. 4. Was gedenkt die Landesregierung hinsichtlich der Suche nach einem Atommüllendlager auf belgischer Seite konkret weiter zu tun? Die Landesregierung wird sich zu diesem Thema aktiv einbringen. Es ist ihr ein Anliegen, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens frühestmöglich in dem weiteren Prozess zu vertreten. In einer Stellungnahme vom 12. Juni 2020 wurde daher gegenüber der zuständigen belgischen Behörde fristwahrend um eine Beteiligung am SUP-Verfahren, eine entsprechende Verlängerung der Frist zur Stellungnahme, weitere Beteiligung im fortschreitenden Verfahren und Informationen über die Ergebnisse der Konsultation gebeten. Der Bund als Vertragspartei der ESPOO-Konvention soll dazu aufgefordert werden, das belgische Königreich um eine Notifizierung zum SUP-Verfahren und die Beteiligung der deutschen Öffentlichkeit zu ersuchen. Damit wird dem Beschluss des Landtages vom 24. Juni 2020 (LT-Drs. 17/9817) Rechnung getragen. Am 17. Juli 2020 fand zwischen Frau Ministerin Heinen-Esser und der belgischen Ministerin Marghem ein Gespräch zur belgischen Endlager-suche statt. Die Ministerinnen tauschten sich über das Endlagersuchverfahren in Bel-gien und in Deutschland aus. Die belgische Seite stellte eine Beteiligung über den Bund - das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit - in Aussicht. Zudem wurde vereinbart, auf Arbeitsebene im Austausch zu bleiben. 5. Regelmäßig tagt die Deutsch-Belgische-Nuklearkommission, in der auch Nordrhein-Westfalen vertreten ist. Wie gedenkt die Landesregierung im Rahmen dieser Kommission die streitgegenständliche Suche nach einem Atommüllendlager im belgischen Grenzgebiet zu thematisieren? Die Landesregierung wird sich dafür einsetzen, dass das BMU die fehlende Beteiligung deutscher Behörden und der deutschen Öffentlichkeit im bisherigen Verfahren auf die Tagesordnung der nächsten DBNK-Sitzung setzt.