LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/1039 25.10.2017 Datum des Originals: 24.10.2017/Ausgegeben: 30.10.2017 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 349 vom 25. September 2017 der Abgeordneten Iris Dworeck-Danielowski AfD Drucksache 17/735 Gilt das Einhalten von Verträgen künftig nur noch für Juristen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach einem Bericht der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 19.09.2017 hat sich der nordrhein-westfälische Integrationsminister Joachim Stamp in einem Brief an die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles gewandt. Im Rahmen des sog. Humanitären Aufnahmeprogramms in 2013 und 2014 wurde Familienangehörigen aus Syrien unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit eröffnet, mit einem Visum nach Deutschland einreisen. Eine Voraussetzung für die Einreise war, dass sog. „Flüchtlings-Paten“ für den Lebensunterhalt der Flüchtlinge bürgen. Diese Bürgschaft wurde unter Berücksichtigung der Bonität des Paten freiwillig in Form einer Verpflichtungserklärung abgegeben. Viele der sog. „Flüchtlings-Paten“ wollten offenbar nicht wirklich zahlen, sondern gingen davon aus, dass Zahlungen zumindest ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr geleistet werden müssen, obwohl die gesetzlichen Bestimmungen ausdrücklich einen Zeitraum von 5 Jahren nennen. In dem Schreiben fordert Minister Stamp nunmehr, dass die entstandenen Kosten und daraus resultierende Forderungen, die für die syrischen Flüchtlinge entstanden sind, nicht von den Bürgen, sondern vom Jobcenter und der Agentur für Arbeit bezahlt werden sollen. Begründet wird diese Bitte mit Unterstellung, die Unterzeichner der Erklärung konnten als juristische Laien die Folgen der Vereinbarung nicht absehen. Dem steht jedoch der eindeutige Wortlaut auf dem Formblatt der Verpflichtungserklärung entgegen . Das Formblatt der Verpflichtungserklärung weist ausdrücklich auf die anwendbaren Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes hin. § 68 AufenthaltG regelt die grundsätzliche Möglichkeit der Haftungsübernahme für den Lebensunterhalt. §§ 66, 67 AufenthaltG normieren die Kosten, die der Bürge zu übernehmen hat. Die Paragraphen umfassen zusammengenommen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1039 2 lediglich zwei DIN A4 Seiten und sind somit deutlich kürzer als alle Mobilfunk- und Kaufverträge , die täglich von einer Vielzahl von Menschen in Deutschland abgeschlossen werden. Ebenfalls ist bei aufmerksamen Lesen sehr deutlich zu erkennen, dass nicht, wie im Brief behauptet , die Verpflichtung mit einer Entscheidung über den Asylantrag endet. § 68 AufenthaltG Satz 1 lautet: „Die Verpflichtungserklärung erlischt vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren ab Einreise des Ausländers NICHT durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Abschnitt 5 des Kapitels 2 oder durch Anerkennung nach § 3 oder § 4 des Asylgesetzes.“ Daraus lässt sich schließen, dass nach Verständnis des Integrationsministers NRW, Joachim Stamp, juristische Laien nicht dazu verpflichtet sind, Bürgschaften und Verträge einzuhalten. Die Vollstreckung der Verpflichtungserklärungen zu Lasten der Bundesagentur für Arbeit bzw. der Jobcenter führt die Regelung des § 68 AufenthG ad absurdum. Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 349 mit Schreiben vom 24. Oktober 2017 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung: Die Abgabe von Verpflichtungserklärungen im Rahmen des Landesaufnahmeprogramms für syrische Flüchtlinge war bis zum 29.02.2016 möglich. Der in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage 349 angesprochene „eindeutige Wortlaut auf dem Formblatt der Verpflichtungserklärung “ lautete zu diesem Zeitpunkt entsprechend der bundeseinheitlichen Vorgabe: „Dauer der Verpflichtung: vom Beginn der voraussichtlichen Visumsgültigkeit am… bis zur Beendigung des Aufenthalts og. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck“ Der in der Vorbemerkung zitierte § 68 Abs. 1 Satz 4 AufenthG, der klarstellt, dass die Verpflichtungserklärung vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren ab Einreise des Ausländers nicht durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Abschnitt 5 des Kapitels 2 oder durch Anerkennung nach § 3 oder 4 AsylG erlischt, ist erst am 06.08.2016 in Kraft getreten. Im Übrigen gilt er nach § 68a Satz 1 AufenthG nicht für vor dem 06.08.2016 abgegebene Verpflichtungserklärungen . Für diese Altfälle hat erst das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 27.01.2017 festgestellt, dass die Verpflichtungserklärung mit der Anerkennung bzw. der Erteilung eines entsprechenden Titels nicht erlischt. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 12.07.2017 festgestellt, dass die im Formular der Verpflichtungserklärung verwendete Formulierung in hohem Maße mehrdeutig sei. Eine eindeutige Auslegung sei für den durchschnittlichen laienhaften Empfänger , aber auch für Fachleute nicht möglich. 1. Wie viele Personen sind über das humanitäre Aufnahmeprogramm 2013 / 2014 nach NRW gekommen? Bitte nach Herkunftsland aufschlüsseln. Im Rahmen des Landesaufnahmeprogrammes für syrische Flüchtlinge sind 8.616 Visa erteilt worden. Die Zahl der von den Ausländerbehörden gemeldeten Einreisen liegt bei 2.592. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1039 3 2. Wie viele Verpflichtungserklärungen wurden seit 2013 bis heute abgegeben? Bitte nach Jahren, Anzahl und Kommunen aufschlüsseln. Hierzu liegen der Landesregierung keine Zahlen vor. 3. Gibt es Hinweise darauf, dass entgegen dem Erlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales die Bonität der Bürgen nicht geprüft wurde? Nein. 4. Welche Leistungen wurden an die durch das Aufnahmeprogramm eingereisten Personen gezahlt? Bitte aufschlüsseln nach Leistungsart, Bezugsdauer und Betrag . Leistungen an die über das Aufnahmeprogramm eingereisten Personen wurden nach den gesetzlichen Regelungen, insbesondere nach SGB II und SGB XII, erbracht. Über Bezugsdauer und Beträge liegen der Landesregierung keine Zahlen vor. 5. Wie viele der Bürgen haben bereits gemäß Ihre Verpflichtungserklärung die an sie gerichteten Forderungen beglichen? (in welcher Höhe) Der Landesregierung liegen keine Zahlen vor, wie viele der Bürgen bereits gemäß ihrer Verpflichtungserklärung die an sie gerichteten Forderungen beglichen haben.