LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10440 03.08.2020 Datum des Originals: 31.07.2020/Ausgegeben: 07.08.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3904 vom 26. Juni 2020 der Abgeordneten Sigrid Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/9956 Welche Konsequenzen zieht Ministerin Gebauer für die Lehramtsausbildung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Für die Lehramtsstudierenden, die im Mai 2020 ihr Referendariat beendeten, war eine reguläre Durchführung unterrichtspraktischer Prüfungen nicht möglich. Dafür wurden vom Ministerium auf Grundlage des vom Landtag beschlossenen Gesetzes zur Sicherung von Bildungsabschlüssen andere Regeln erlassen. Mit der 24. Schulmail vom 23.06.2020 teilt das Ministerium mit, dass die weiteren Staatsprüfungen anders als im Mai nun wieder in der Schule stattfinden sollen. Soweit das im Einzelfall nicht möglich sein sollte, könne auf die modifizierten Prüfungsformate zurückgegriffen werden. Außerdem würden bis Dezember alle Unterrichtspraktischen Prüfungen als Freiversuche gewertet und damit im Falle eines Misserfolgs nicht auf die Wiederholungsmöglichkeiten angerechnet. Allerdings geht es nicht nur um Einzelfälle, wie die kreisweite Schließung von Schulen in Gütersloh zeigt. Offen lässt die Schulmail leider einige andere Fragen für die Lehramtsstudierenden. Die monatelange Schließung von Schulen für den Regelbetrieb hat die Zeit, die Lehramtsstudierende der Durchgänge 05/2019 und 11/2019 mit Schülerinnen und Schülern verbringen, deutlich reduziert. Und auch seit der schrittweisen Öffnung der Schulen ist der Unterricht eingeschränkt und somit betrifft es auch den Ausbildungsdurchgang 05/2020. Die KMK hat deshalb empfohlen, dass bei der Wertung der Teil des Referendariats stärker zu gewichten ist, der mit den Schülerinnen und Schülern im Präsenzunterricht erfolgte. Fraglich ist weiter, wie die vorgeschriebenen 10 Unterrichtsbesuche durchgeführt werden sollen und ob eine Reduzierung der Anzahl nicht folgerichtig wäre. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 3904 mit Schreiben vom 31. Juli 2020 namens der Landesregierung beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10440 2 1. Welche Regeln greifen für Unterrichtsbesuche und unterrichtspraktische Prüfungen im Falle von Schulschließungen? Zu den Unterrichtsbesuchen: Nach § 11 (3) der Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung (OVP) finden in den beiden Fächern in der Regel insgesamt zehn Unterrichtsbesuche statt. Diese Vorgabe eröffnet die notwendige Flexibilität, bedarfsbezogen und personenorientiert die Zahl der Unterrichtsbesuche individuell anzupassen. Die Ausbildung im Vorbereitungsdienst umfasst neben der Einsichtnahme in Präsenzunterricht weitere Ausbildungselemente im Rahmen der fachlichen und überfachlichen Begleitung durch die Seminarausbilder/innen. Solche Ausbildungsformate gewinnen im Fall, dass kein Unterricht in Präsenz möglich ist, an Relevanz und liefern wertvolle Beurteilungsbeiträge für die Langzeitbeurteilung. Die Erfahrungen der vergangenen Monate zur Ausbildungsbegleitung auf Distanz lassen erkennen, dass sich solche Ausbildungsangebote kontinuierlich weiterentwickeln; sie eröffnen den Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärtern (LAA) neue Möglichkeiten eigene Lehrerkompetenzen mit Blick auf Unterricht in Distanz und die individuelle Lernbegleitung von Schüler/innen – auch in der angemessenen Nutzung von digitalen Medien und Kommunikationstechnologien – zu erproben und zu nutzen. Dies ermöglicht es z.B. in krisenhaften Situationen, eine qualitativ gute Ausbildung zu gewährleisten – ohne die zentrale Lehrerkompetenz des Unterrichtens (Planen, Durchführen und Reflektieren von Unterricht) zu vernachlässigen, auch wenn Einsichtnahmen in Präsenzunterricht nur eingeschränkt oder nicht in gewohnter Weise möglich sein sollten. Zu Unterrichtspraktischen Prüfungen im Falle von Schulschließungen: Die weiteren Staatsprüfungen im Jahr 2020 werden in aller Regel wieder in den Schulen stattfinden und – wo immer möglich – zwei Unterrichtspraktische Prüfungen im Präsenzunterricht umfassen. Soweit dies im Einzelfall unmöglich sein sollte, ggf. auch nur für eines der beiden Prüfungsfächer, kann auf die modifizierten Prüfungsformate zurückgegriffen werden, die sich im Mai 2020 landesweit für solche Fälle bewährt haben. Die Schulleitungen sind gebeten zu bestätigen, wenn Präsenzunterricht nicht erteilt werden kann. Wegen dieser besonderen Rahmenbedingungen werden im Prüfungszeitraum vom 12.08.2020 bis zum 31.12.2020 aufgrund einer Note der Unterrichtspraktischen Prüfung nicht bestandenen Staatsprüfungen – unabhängig von der Ausgestaltung der Unterrichtspraktischen Prüfungen – zu Gunsten der LAA einmalig als „Freiversuche“ gewertet und im Falle des Misserfolgs auf die Zahl der zulässigen Wiederholungsmöglichkeiten nicht angerechnet. Somit wurde für die anstehenden Staatsprüfungen im oben genannten Prüfungszeitraum eine hoch flexible Regelung getroffen, die gleichwertige und faire Bedingungen für alle Prüflinge und zugleich eine qualitativ gute Prüfung gewährleistet. 2. Warum folgt NRW nicht den Empfehlungen der KMK, bei der Bewertung der Leistungen der Lehramtsstudierenden den Teil stärker zu werten, der im Präsenzunterricht mit Schülerinnen und Schülern erfolgte? Der Beschluss der KMK vom 02.04.2020 enthält keine Empfehlungen, sondern regelt allein, dass LAA beim Wechsel zwischen Bundesländern keine Nachteile aufgrund von Maßnahmen des Infektionsschutzes haben sollen. Dazu werden andere Prüfungsformate und angepasste Möglichkeiten der Berücksichtigung von Vorleistungen im Rahmen der Staatsprüfungen eröffnet. Das Vorgehen der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, die anstehenden LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10440 3 Staatsprüfungen im Bedarfsfall in bewährten, modifizierten Formaten durchzuführen, erfüllt die KMK-Vorgaben. Gemäß § 32 (6) OVP ist im Rahmen der Unterrichtspraktischen Prüfung die Anhörung der oder des Ausbildungsbeauftragten zu prüfungsrelevanten Aspekten vorgesehen. Hinweise zu besonderen, der Pandemie bzw. des Infektionsschutzes geschuldeten Voraussetzungen und Konditionen finden hier angemessen Berücksichtigung. Weitere Regelungen bzw. Anpassungen sind nicht erforderlich. 3. Wird das Arbeiten in Lernmanagementsystemen und Videokonferenzen, z.B. mit Kollaborationsanteilen, als Alternative zu Unterrichtsbesuchen seitens der Landesregierung ermöglicht? Diese Frage wird zusammen mit der Frage 4 beantwortet. 4. Wie werden welche Alternativen insgesamt schulfachlich und didaktisch bewertet? Die schulpraktische Lehrerausbildung und somit die Seminarausbildung hat Zugang zu allen medialen Unterstützungssystemen, die das Land den Schulen zur Verfügung stellt. So können auch die Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) künftig LOGINEO NRW nutzen und von weiteren Produkten, wie Lernmanagementsystemen, Messengerdiensten und Videokonferenzmodulen profitieren. Diese Technologien ermöglichen kollaborative Arbeitsformen in der Seminarausbildung, ersetzen aber unmittelbare Einsichtnahmen in Unterricht nicht. Erwartungsgemäß werden sich mittelfristig Formen von Lehren und Lernen in Distanz, somit auch von Unterrichten in Distanz, weiterentwickeln. Wachsende Routine und Verstetigung im Sinne eines erweiterten Repertoires von Lehrerhandeln werden auch die schulpraktische Ausbildung verändern. 5. Warum folgt die Landesregierung nicht der Empfehlung im „Positionspapier der hier vertretenen Lehramtsanwärter*innen des Landes Nordrhein-Westfalen“, die Zahl der vorgeschriebenen Unterrichtsbesuche zu verringern? Hierzu wird auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen: Eine numerische Festlegung (z.B. zur normierten Verringerung) der Anzahl an Unterrichtsbesuchen ist nicht erforderlich; über die gemäß den Vorgaben der OVP eröffnete Flexibilität zur Anzahl zu leistender Unterrichtsbesuche wird situativen Anforderungen angemessen nachgekommen.