LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10448 03.08.2020 Datum des Originals: 03.08.2020/Ausgegeben: 07.08.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4020 vom 6. Juli 2020 der Abgeordneten Mehrdad Mostofizadeh und Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/10106 Ergebnisse der Untersuchung von Professor Exner in der Fleischzerlegung der Firma Tönnies und ihre Konsequenzen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bei der Corona-Testung der Belegschaft in der Fleischfabrik Tönnies im Kreis Gütersloh stellte sich heraus, dass besonders viele der positiv getesteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Fleischzerlegung gearbeitet hatten. Daraufhin hat die Landesregierung Professor Exner von der Universität Bonn gebeten, diesen Bereich näher zu untersuchen. Ein Faktor für die Verbreitung des Virus‘ sei die Lüftungsanlage, die die Luft ohne weitere Aufbereitung gekühlt in den Raum zurückleitet. Professor Exner schlug als erste Maßnahmen Hochleistungsfilter und den Einsatz von UV-Strahlen als Lösung vor.1 Laut FAZ sei der Forscher beauftragt worden, diese Erkenntnisse gemeinsam mit dem Robert- Koch-Institut und dem Landeszentrum Gesundheit aufzuarbeiten und technische Lösungswege aufzuzeigen. In der Plenarsitzung vom 24.06.2020 kündigte Minister Laumann an, den „in Kürze“ erwarteten Bericht von Professor Exner dem Landtag zukommen zu lassen. Die Quarantäne der Belegschaft der Firma Tönnies wurde ebenso verlängert wie die Stilllegung der Produktion. Laut Kölner Stadtanzeiger vom 30.06.2020 sagte Minister Laumann, dass er von Herrn Tönnies ein Konzept zur Wiederinbetriebnahme des Schlachthofes erwarte, dass auch die Belüftung im Werk beinhaltet. „Wir werden erst wieder öffnen, wenn ein abgestimmtes Arbeitsschutzkonzept vorliegt“, so Laumann.2 1 FAZ: „Tönnies und Heinsberg. Klimaanlagen könnten Corona-Ausbrüche begünstigt haben“, 24.06.2020 https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/klimaanlagen-koenntencorona -ausbrueche-bei-toennies-beguenstigt-haben-16830627.html 2 Kölner Stadtanzeiger: „70.000 Schweine pro Woche können nicht geschlachtet werden. Arbeitsschutz soll in den Betrieben künftig ständig kontrollieren – NRW-Ministerium erwartet Konzept von Tönnies“, 30.06.2020 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10448 2 Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4020 mit Schreiben vom 3. August 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Im Einführungstext der Kleinen Anfrage wird irrtümlich dargestellt, dass die Landesregierung Herrn Professor Exner gebeten hat, in den Produktionsbereichen des Unternehmens Tönnies am Standort Rheda-Wiedenbrück Untersuchungen zum SARS-CoV-2-Ausbruchsgeschehen durchzuführen. Eine Beauftragung von Herrn Professor Exner ist nicht durch die Landesregierung erfolgt. 1. Wann sind die Untersuchungen von Professor Exner, dem Robert-Koch-Institut und dem Landeszentrum Gesundheit abgeschlossen? Der Kreis Gütersloh hat Herrn Professor Exner mit der Untersuchung beauftragt. Nach dem Kenntnisstand der Landesregierung werden die Untersuchungen zu den Ursachen für das Ausbruchsgeschehen intensiv geführt. Sofern relevante Erkenntnisse sowie belastbare Anhaltspunkte zum Ausbruchsgeschehen vorliegen, werden diese mitgeteilt. Ein Termin, an dem alle Untersuchungen abgeschlossen sind, kann aufgrund der Tatsache, dass eine Vielzahl von Faktoren und neuen Erkenntnissen zu SARS-CoV-2 zu berücksichtigen sind, zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös genannt werden. 2. Wird bis zur Wiedereröffnung des Werks der Firma Tönnies der Einbau einer Anlage, die nur Frischluft zuführt, zur Bedingung für die Wiedereröffnung angeordnet? Nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik ist die Anordnung des Einbaus einer Anlage, die nur Frischluft zuführt, nicht angemessen. Es wurden Ersatzmaßnahmen, wie der Einbau von HEPA-Filtern, durchgeführt. Zur Wiederaufnahme des Betriebs der Produktionsbereiche der Firma Tönnies ist durch die Firma Tönnies ein Hygienekonzept erstellt worden, das nach aktuellem Wissensstand das Risiko eines erneuten SARS-CoV-2- Ausbruchsgeschehens weitestgehend reduziert. Die Einhaltung des Hygienekonzeptes wird durch die Arbeitsschutzdezernate der Bezirksregierung Detmold und den Kreis Gütersloh sowie die Stadt Rheda-Wiedenbrück überwacht. Darüber hinaus besteht für Unternehmen der Fleischindustrie die Verpflichtung, dass alle Beschäftigten im Produktionsbereich mindestens zweimal die Woche auf eine Infektion getestet werden. 3. Wenn nein, wer haftet für mögliche Schäden, die auf das Belüftungssystem zurückgeführt werden können? Für die Umsetzung von betrieblichen Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes haftet grundsätzlich der Arbeitgeber. Nach aktuellem Kenntnisstand kann keine allgemeine Aussage darüber getroffen werden, ob sich hieraus Schadensersatzansprüche ergeben können. Dieses hängt von den jeweiligen Einzelfallumständen ab und muss von den jeweils Anspruchsberechtigten individuell geprüft werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10448 3 4. Wird die Herstellung einer nachgewiesenen, angemessenen Wohnsituation der Beschäftigten der Firma Tönnies und ihrer Subunternehmen zur Bedingung bei der Wiederaufnahme des Betriebes in den Bereichen Schlachtung und Zerlegung gemacht? Entscheidend für die Wiederaufnahme des Betriebes ist die Einhaltung der Infektions- und Arbeitsschutzmaßnahmen des Hygienekonzeptes. Eine Verknüpfung der Wiederaufnahme des Betriebes mit Anforderungen an die Wohnverhältnisse der Beschäftigten des Unternehmens Tönnies ist rechtlich nicht möglich. Werden Mängel in Wohnungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften festgestellt, sind diese unverzüglich zu beseitigen. Sofern dies erforderlich ist, wird die Beseitigung der Mängel oder bei gravierenden Verstößen und Gefahr für Sicherheit und Leben die Räumung der Wohnung durch die zuständige Ordnungsbehörde angeordnet. 5. In welcher Form werden Land und Kommunen künftig kooperieren, um umfassend gegen die Missstände im Umfeld der Schlachtbetriebe hinsichtlich der Wohnsituation und der missbräuchlichen Anwendung von Werkverträgen vorzugehen? Die Zusammenarbeit der Arbeitsschutzverwaltung mit den unteren Gesundheits- und Ordnungsbehörden wird fortgeführt. In diesem Zusammenhang wird auf den Bericht des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Vorlage 17/3622 - Auswertung der Ergebnisse der Überprüfung der Einhaltung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards in ausgewählten Bereichen, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landtags vom 7. Juli 2020 verwiesen.