LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10475 06.08.2020 Datum des Originals: 06.08.2020/Ausgegeben: 12.08.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3895 vom 22. Juni 2020 der Abgeordneten Eva-Maria Voigt-Küppers und Jochen Ott SPD Drucksache 17/9939 Weiterentwicklung des offenen Ganztags Vorbemerkung der Kleinen Anfrage „Gute OGS darf keine Glückssache sein“ – mit dieser Forderung trat die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in der zweiten Jahreshälfte 2018 an die Landespolitik heran.1 Die Träger untermauerten in ihrer Kampagne mit zigtausenden Unterstützern seit langem bekannte Probleme bei der Offenen Ganztagsschule (OGS): Das Fehlen verbindlicher inhaltlicher Vorgaben für die OGS, das Fehlen von Standards fürs Personal sowie für die Räumlichkeiten und einen Wildwuchs an Gebührensatzungen im ganzen Land. Sie forderten klare Perspektiven und Zuständigkeiten sowie einen gesetzlichen Rahmen für die OGS. Einen Antrag der SPD-Landtagsfraktion, einen Zukunftsplan für den Ganztag vorzulegen (LT- Drs. 17/4456), lehnte der Landtag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen sowie der AfD am 11. Juli 2019 ab. Ministerin Gebauer erklärte allerdings in der Debatte, das „NRW- Erfolgsmodell OGS weiterentwickeln und weiter verbessern“2 zu wollen. Der zugrunde liegende Antrag wurde zwischen Dezember 2018 und Juli 2019 in mehreren Ausschüssen, in einer Anhörung sowie zweimal im Plenum beraten. Zu keinem Zeitpunkt äußerte die Landesregierung sich explizit zur Frage, ob sie beabsichtigt, verbindliche und landesweite Qualitätsstandards für den Ganztag zu definieren. So hatten es CDU und FDP und auch Yvonne Gebauer persönlich noch in der 16. Legislaturperiode sowie im Landtagswahlkampf 2017 gefordert. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 3895 mit Schreiben vom 6. August 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister der Finanzen, dem Minister für Soziales und Gesundheit und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung wie folgt: 1 https://www.freiewohlfahrtspflege-nrw.de/fileadmin/user_data/2018/ogs-kampagne- 2018/Positionspapier_Ganztag_LAG_FW_TVOED2018_final.pdf 2 Plenarprotokoll 17/63, S. 29. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10475 2 Vorbemerkung der Landesregierung Ganztägige Bildungsangebote eröffnen zusätzliche Bildungschancen. Zudem ermöglicht der Ganztag eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Berufsleben. Dabei haben unterrichtliche Angebote und außerunterrichtliche Angebote im Ganztag und in der Betreuung eine gleichermaßen wichtige Bedeutung. Die Landesregierung verfolgt bei der Weiterentwicklung des offenen Ganztags in NRW drei zentrale Ziele: Flexibilisierung der Teilnahmeregelungen, Sicherung der Qualität und bedarfsgerechten Ausbau der Plätze. Aktuell werden (Schuljahr 2019/2020) in NRW 69 Prozent aller Grundschulkinder in institutioneller Betreuung (Ganztagsschule, Hort, Übermittagsbetreuung o.ä.) betreut, knapp 50 Prozent im Offenen Ganztag (OGS). Rund 94 Prozent der Grundschulen in NRW sind offene Ganztagsschulen. Dort stehen derzeit rund 323.100 Plätze zur Verfügung. In Nordrhein- Westfalen obliegt die konkrete Ausgestaltung der Ganztagsangebote den Kommunen. Das Land fördert die OGS im Haushalt 2020 mit rund 564 Millionen Euro, kommunale Mittel und Elternbeiträge sind hierbei noch nicht berücksichtigt. Im Vergleich zu 2017 sind das rund 110 Millionen Euro mehr. Auch die Platzzahlen wurden kontinuierlich gesteigert, im Haushalt 2020 gibt es einen erneuten Aufwuchs auf fast 330.000 Plätze. Das sind über 20.000 Plätze mehr als 2017. Im Schuljahr 2017/18 waren es 307.600 Plätze. Das Land hat bislang immer alle von den Schulträgern beantragten Plätze genehmigt. Die grundständigen Fördersätze des Landes sind seit 2017 insgesamt um rund 25 Prozent gestiegen. Zusätzlich zur jährlichen Dynamisierung um 3 Prozent erhöhte das Land die Fördersätze für die grundständigen Plätze zum 1.2.2019 um zusätzlich 11 Prozent. Betrug der grundständige Fördersatz des Landes am 1.8.2017 noch 766 Euro pro Platz, so sind es am 1.8.2020 954 Euro. Das Land unterstützt die Qualitätsentwicklung im Ganztag zudem durch weitere Maßnahmen. Die „Serviceagentur Ganztägig lernen NRW“ (SAG) mit Sitz in Münster wird vom Ministerium für Schule und Bildung und vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration bis 2023 weiter gemeinsam gefördert. Zentrale Entwicklungsaufgaben der SAG sind die Weiterentwicklung der kind- und jugendorientierten Ganztagsbildung, einen weiteren Schwerpunkt stellt das Thema „multiprofessionelle Zusammenarbeit“ dar. Die Serviceagentur berät und unterstützt die Akteure in den Ganztagsschulen und sorgt durch Fachtage, Beratungsforen und die Begleitung von Qualitätszirkeln für den fachlichen Austausch aller Beteiligten. Aus Mitteln des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration fördert das Land NRW darüber hinaus seit dem Jahr 2019 die Durchführung von Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie Maßnahmen der Weiterentwicklung der Qualität im außerunterrichtlichen Bereich der Offenen Ganztagsschule im Primarbereich (OGS). Adressatinnen des Programms sind die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe, die rund 80 Prozent der außerunterrichtlichen Angebote der OGS in NRW verantworten. Eine Entwicklung von Praxiskonzepten oder Durchführung von Fachtagen kann darüber hinaus auf kommunaler Ebene auch von den Jugendämtern beantragt werden. Die Qualifizierungsmaßnahmen werden im Jahr 2020 mit 550.000 EURO Landesmitteln gefördert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10475 3 1. Welche inhaltlichen Maßnahmen hat die Landesregierung seit Regierungsübernahme ergriffen, um den schulischen Ganztag weiterzuentwickeln und zu verbessern? 2. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung seit Regierungsübernahme ergriffen, um die Situation der Beschäftigten in der OGS zu verbessern? Frage 1 und 2 werden zusammen beantwortet. Das Land hat seit 2017 die Quantität, Qualität und Flexibilisierung des offenen Ganztags vorangetrieben. Die grundständigen Fördersätze für den offenen Ganztag wurden seit 2017 um rund 25 Prozent angehoben. Gegenüber 2017 sind die Mittel für den offenen Ganztag damit um insgesamt 110 Millionen Euro auf rund 564 Millionen Euro im Haushalt 2020 gestiegen. Durch eine Konkretisierung des Grundlagenerlasses im Dezember 2018 besteht Rechtssicherheit für eine flexiblere Teilnahmeregelung, z.B. für die Teilnahme an regelmäßig stattfindenden außerschulischen Bildungsangeboten. Das Land unterstützt zudem die weitere Qualitätsentwicklung durch die Angebote und Beratungs- und Vernetzungsformate der „Serviceagentur Ganztägig lernen NRW“ und fördert die Qualifizierung des Trägerpersonals. Auf die Vorbemerkung der Landesregierung wird verwiesen. 3. Definiert die Landesregierung den offenen Ganztag als Bildungs- oder Betreuungsangebot? Die Landesregierung definiert den offenen Ganztag vorrangig als Bildungsangebot, das allerdings selbstverständlich auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 4. Plant die Landesregierung die Einführung verbindlicher Qualitätsstandards für die OGS? 5. Plant die Landesregierung eine Verankerung der OGS in einem Gesetz? Die Fragen 4 und 5 werden zusammen beantwortet. Im Grundlagenerlass 12-63 Nr. 2, „Gebundene und offene Ganztagsschulen sowie außerunterrichtliche Ganztags- und Betreuungsangebote in Primarbereich und Sekundarstufe I“ werden Ziele und Merkmale von Ganztagsschulen und außerunterrichtlichen Ganztags- und Betreuungsangeboten hinreichend beschrieben.