LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10485 07.08.2020 Datum des Originals: 07.08.2020/Ausgegeben: 23.08.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4031 vom 7. Juli 2020 des Abgeordneten Frank Sundermann SPD Drucksache 17/10120 Lässt Ministerpräsident Laschet den Leuchtturm Streetscooter einfach fallen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Februar 2020 hat die Deutsche Post AG öffentlich bekannt gegeben, dass sie die Produktion des Elektrolieferwagens streetscooter zum Jahresende einstellen möchte. Vorausgegangen war eine längere Suche nach Kooperationspartnern oder möglichen Käufern. Die Post begründete ihren Schritt mit der Aussage, das Unternehmen wolle langfristig kein Autobauer sein. Bislang wurden über 10.000 Fahrzeuge hergestellt und sind im Paketzustelldienst der Deutsche Post im Einsatz, auch wurde eine kleinere Anzahl Fahrzeuge an Dritte verkauft. Das Land NRW hat sich seit Jahren verstärkt mit öffentlichen Zuschüssen bei der Entwicklung des Fahrzeugs engagiert. Zuletzt war auch das Unternehmen e.go aus Aachen, das der Streetscooter-Mitgründer Prof Schuh ins Leben gerufen hatte, ebenfalls in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und ist derzeit insolvent. Ministerpräsident Laschet hatte zuletzt im Mai 2019 noch öffentlich auf die Bedeutung beider Projekte als Ausgründungen der RWTH Aachen hingewiesen: „(…) „Bereits bestehende Leuchtturmprojekte und Unternehmen in Nordrhein-Westfalen wie Daimler in Düsseldorf und Ford in Köln bis zu der e.Go Mobile AG und StreetScooter GmbH zeigen mit ihren Produkten eindrucksvoll, wie Elekromobilität ‚made in Nordrhein-Westfalen‘ Fahrt aufnimmt“, sagte Ministerpräsident Laschet weiter. „Sie und die Branche leisten nicht nur einen wichtigen Beitrag zu mehr Klima- und Umweltschutz, sie schaffen auch neue Arbeitsplätze und Wertschöpfung in unserem Land.“ Am Donnerstag (9. Mai 2019) beginnt die e.Go Mobile AG mit der Auslieferung der ersten vollelektrisch angetriebenen Fahrzeuge e.Go Life am Produktionsstandort Aachen. Ministerpräsident Laschet wird das erste Serienfahrzeug symbolisch in Empfang nehmen.1“ 1 Pressemitteilung der LR vom 8. Mai 2019: https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/nordrhein-westfalen-alsvorreiter -und-leitanbieter-fuer-elektromobilitaet LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10485 2 Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4031 mit Schreiben vom 7. August 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Verkehr beantwortet. 1. Welchen Kenntnisstand hat die Landesregierung hinsichtlich der bevorstehenden Abwicklung der StreetScooter GmbH? Die Landesregierung hat Kenntnis über die aktuelle Situation beim Unternehmen StreetScooter durch Gespräche mit Mitgliedern des Vorstandes des Unternehmens sowie durch die Veröffentlichung der EBIT-Prognose für das Jahr 2020 durch die Inhaberin Deutsche Post DHL Group am 28. Februar 2020 erlangt. Das Unternehmen erklärte darin, „die Sondierungen für eine Partnerschaft zu den StreetScooter-Aktivitäten nicht aktiv weiter zu verfolgen“ und „sich nun auf den Betrieb der aktuellen StreetScooter-Bestandsflotte (zu) konzentrieren“. Kaufinteressenten haben sich an die Deutsche Post mit Angeboten für das Unternehmen StreetScooter gewandt, um die Produktion weiter zu betreiben. Nach Kenntnissen der Landesregierung gibt es weiterhin Gespräche zwischen der Deutschen Post und möglichen Kaufinteressenten. 2. Wie bewertet die Landesregierung das Projekt StreetScooter in seiner Bedeutung für den Industrie- und Elektromobilitätsstandort NRW? StreetScooter hat zu einem sehr frühen Zeitpunkt elektrisch betriebene leichte Nutzfahrzeuge auf den Markt gebracht, als Wettbewerber solche Fahrzeugmodelle noch nicht im Angebot hatten. Das Unternehmen hat bislang mit innovativen Ideen gezeigt, dass Elektromobilität auch in dem Fahrzeugsegment eine Alternative zu konventionell angetriebenen Fahrzeugen darstellt. StreetScooter hat mit seinen Aktivitäten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung emissionsarmer, umweltschonender elektrischer Nutzfahrzeuge am Standort NRW geleistet. 3. Welche öffentlichen finanziellen Unterstützungen sind in der Vergangenheit an StreetScooter bzw. verbundene Unternehmen geflossen? Das Land Nordrhein-Westfalen förderte Projekte unter Beteiligung der StreetScooter GmbH, die Fördersummen schlüsseln sich wie folgt auf: • KMUProduction.NET – Mittelstandsgerechte Komponenten- und Elektrofahrzeugproduktion in NRW. Förderung: 6,6 Mio. Euro (davon 4,1 Mio. Euro EU-Mittel, 2,4 Mio. Euro Landesmittel). Anteil für StreetScooter: rund 219.000 Euro (137.000 Euro EU-Mittel, 82.000 Euro Landesmittel) • ProSerie - Vom Prototypen zur Serie – Intelligente Betriebsmittel zur Senkung von Industrialisierungsbarrieren. Förderung: 1,8 Mio. Euro (1,1 Mio. Euro EU-Mittel, 0,7 Mio. Euro Landesmittel). Anteil für StreetScooter: rund 285.000 Euro, (178.000 Euro EU-Mittel, 107.000 Euro Landesmittel) • StrinnoCar - Entwicklung einer optimalen Wertschöpfungsstrategie für innovative Fahrzeugkonzepte in NRW. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10485 3 Förderung: 0,6 Mio. Euro (0,35 Mio. Euro EU-Mittel, 0,24 Mio. Euro Landesmittel). Anteil für StreetScooter: 117.000 Euro (73.000 Euro EU-Mittel, 44.000 Euro Landesmittel) Einen Überblick über die Förderungen seitens des Bundes bietet die Beantwortung der Kleinen Anfrage „Konsequenzen der Produktionseinstellung der StreetScooter GmbH“ durch die Bundesregierung (BT-Drucksache 19/18856). Vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wurde die StreetScooter GmbH im Rahmen des Förderprogramms „ElektroMobil“ seit 2013 mit 1.544.987 Euro gefördert. Es erfolgte seit 2015 eine Förderung über das Energieforschungsprogramm des Bundes in Höhe von 547.217 Euro. Die StreetScooter GmbH erhielt zudem seit 2012 eine Förderung über das Programm „IKT für Elektromobilität“ in Höhe von 1.409.634 Euro und seit 2017 über das Förderprogramm „Neue Fahrzeug- und Systemtechnologien“ in Höhe von 693.696 Euro. Im Rahmen des Förderprogramms „Erneuerbar Mobil“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit wurden die StreetScooter GmbH seit 2012 mit 3,1 Mio. Euro und die Deutsche Post AG 19,9 Mio. Euro gefördert. Im Rahmen des Sofortprogramms „Saubere Luft“ wurde darüber hinaus die Anschaffung von StreetScooter-Fahrzeugen mit 4,8 Mio. Euro unterstützt. Im Rahmen der Förderrichtlinie Elektromobilität des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur wurden seit 2018 die StreetScooter GmbH mit 100.019 Euro und Kunden der StreetScooter GmbH (z. B. die Deutsche Post AG) für die Beschaffung von StreetScooter- Fahrzeugen mit 2,9 Mio. Euro (davon 2,8 Mio. Euro im Rahmen des Sofortprogramms „Saubere Luft“) gefördert. Durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung wurden die StreetScooter GmbH und die StreetScooter Research GmbH seit 2014 mit insgesamt 352.792 Euro gefördert, innerhalb der Programme „Vom Material zur Innovation“ sowie „IKT 2020 – Forschung für Innovationen“. 4. Welche Möglichkeiten und auch öffentlichen Förderungs- und Unterstützungsinstrumente sieht die Landesregierung, um eine endgültige Abwicklung noch abzuwenden oder zumindest den Verlust von Know-How und Reputation für das Automotiveland NRW einzugrenzen? Die Landesregierung ist an einem erfolgreichen Fortbestand der StreetScooter GmbH sehr interessiert. Dies hat sie in ihren Gesprächen mit der Deutschen Post DHL Group und Interessenten für StreetScooter immer wieder deutlich gemacht. Auf Unternehmensentscheidungen zu einem möglichen Verkauf oder einer Abwicklung von StreetScooter hat die Landesregierung allerdings keinen Einfluss. Es handelt es sich um unternehmensinterne Diskussionen und Entscheidungen. Die Landesregierung erwartet wie auch in anderen Fällen, dass die Interessen der Beschäftigten berücksichtigt und verantwortungsvolle Entscheidungen getroffen werden. Darüber hinaus begleitet sie den Prozess im Rahmen ihrer Anstrengungen zur Förderung klimafreundlicher Antriebstechnologien und innovativer Mobilitätskonzepte. Sollten die beteiligten Unternehmen eine konkrete Unterstützung der Landesregierung ersuchen, wird die Landesregierung entsprechende Instrumente und Handlungsoptionen prüfen.