LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10537 11.08.2020 Datum des Originals: 11.08.2020/Ausgegeben: 17.08.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4034 vom 7. Juli 2020 der Abgeordneten Britta Altenkamp und Frank Sundermann SPD Drucksache 17/10123 Wohlwollen für die chaotische Standortstrategie der Kliniken der Contilia-Gruppe im Essener Norden? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Über einen langen Zeitraum verfolgte die Contilia-Gruppe als Hauptgesellschafterin der Katholischen Kliniken Essen (KKE) einen Klinikneubau in Essen- Altenessen in unmittelbarer Nachbarschaft des heutigen Marienhospital, gleichzeitig sollte der Standort des heutigen Vincenz-Krankenhaus in Essen- Stoppenberg aufgegeben werden. Für den Neubau Marienhospital gab es einen bereits bewilligten Förderantrag an das Land von 95 Mio. Euro. Seit Januar 2020 strebte die Contilia-Gruppe dann den Verkauf dieser beiden Häuser, die mit der geriatrischen Klinik Haus Berge in Essen-Bergeborbeck und dem Philippusstift Essen zur KKE GmbH gehören, an. Auch der Verkauf der gesamten zur KKE GmbH gehörenden Kliniken stand in Rede. Ende Juni erreichte die Öffentlichkeit dann die überraschende Nachricht, dass das Marienhospital und das Vincenz-Krankenhaus schon zum 30.09.20 geschlossen werden sollen und ein Verkauf der GmbH nicht mehr weiter verfolgt würde. Die Contilia-Gruppe ließ vielmehr verlauten, dass sie nun einen Neu- und Erweiterungsbau am Standort Philippusstift in Essen-Borbeck plane. In den Medienberichten war die Rede von einer, so wörtlich „wohlwollenden Begleitung dieser neuen Pläne“ durch die Landesregierung. Für den Neu- und Erweiterungsbau am Standort Philippusstift gebe bereits einen Förderantrag an das Land in Höhe von rund 45 Mio €. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4034 mit Schreiben vom 11. August 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen, mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung und der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10537 2 Vorbemerkung der Landesregierung Im Mai 2017 hat die damalige Landesregierung im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen das ursprüngliche Projekt des Katholischen Klinikums Essen (KKE), die Strukturen der vier Standorte auf ein neu erbautes Krankenhaus zu konzentrieren, als förderfähiges Strukturfonds-Vorhaben ausgewählt. Für das Vorhaben wurde eine erhebliche Förderung von rund 94 Millionen Euro (davon rund 41 Millionen Euro aus Landesmitteln und rund 53 Millionen Euro aus Bundesmitteln) eingeplant. Im Januar 2020 war dieses Projekt immer noch nicht umgesetzt und die Contilia hat verkündet, die KKE verkaufen zu wollen. Im Juni 2020 wurde dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) dann mitgeteilt, dass alternativ zum Verkauf ein neues Konzept erarbeitet wurde. Das neue Projektvorhaben entspricht nicht gänzlich dem alten Vorhaben. Es sollen nicht mehr vier Standorte auf einem Krankenhausneubau konzentriert werden („von vier auf eins“). Von vier Standorten sollen nunmehr zwei Standorte geschlossen werden. Die Konzentration soll rund sechs Kilometer entfernt im Philippusstift in Essen-Borbeck statt am Marienhospital in Essen- Altenessen erfolgen. Die Entwicklung im Zusammenhang des Essener Strukturfondsprojekts zeigt bespielhaft, dass für den neuen Bundesstrukturfonds zwingend eine höhere Verbindlichkeit der Planung und ein verändertes Prüfverfahren erforderlich sein wird. Der lange Zeitverzug zwischen der Entscheidung der alten Landesregierung für das Essener Projekt in 2017 und der ursprünglich geplanten Umsetzung ab dem Jahr 2020 ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass für den alten Bundesstrukturfonds ab 2016 ein mehrstufiges Prüfverfahren etabliert wurde. Der durch dieses Verfahren entstehende Zeitverzug hatte unter anderem zur Folge, dass einige Antragsteller weitere Planänderungen vorgenommen haben, um Projekte an die aktuellen Erfordernisse anzupassen oder ihr Projekt gänzlich aufgegeben haben. Um für alle Beteiligten (d.h. Land, Krankenkassen, Kommunen, andere Krankenhäuser der jeweiligen Region und nicht zuletzt die Bevölkerung) eine höhere Verbindlichkeit herzustellen, soll zukünftig eine engere Begleitung der Antragsteller erfolgen, um etwaige Ausfälle bei den Projekten zu vermeiden. 1. Wurde die Landesregierung von der geplanten Aufgabe der beiden Kliniken Marienhospital und Vinzenz-Krankenhaus informiert, um die Unterstützung des Landes für die geänderten Pläne einzuholen? Die Contilia hat ihr neues Projektvorhaben im Juni 2020 Vertretern der Kostenträger und der Fachabteilung des MAGS vorgestellt. Bisher liegt dem MAGS aber keine detaillierte Projektplanung vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10537 3 2. Wann hat die Contilia-Gruppe für den An- und Neubau am Standort Philippusstift einen Förderantrag an das Land gestellt? Der Landesregierung liegt aktuell kein formeller Antrag des Krankenhausträgers auf Förderung des neuen Vorhabens aus Mitteln des Krankenhausstrukturfonds nach § 12 Krankenhausfinanzierungsgesetz vor. 3. Warum unterstützt die Landesregierung die Pläne der Contilia-Gruppe, die dazu führen werden, dass im Essener Norden bzw. den Stadtbezirken V und VI keine Klinik mehr vorhanden sein wird? 5. Welche langfristigen Chancen sieht die Landesregierung durch die Förderung des An- und Neubau am Standort des Philippusstift? Frage 3 und 5 werden aufgrund des gleichen Sachverhaltes gemeinsam wie folgt beantwortet: Eine Förderentscheidung seitens der Landesregierung für das neue Projekt ist bisher nicht getroffen worden. Es ist wichtig, dass die für Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stehenden Mittel aus dem Bundesstrukturfonds für nachhaltige, ressourcenschonende und sinnvolle Projekte eingesetzt werden. Jedes beantragte Projekt wird deshalb geprüft und bewertet. Das MAGS hält es grundsätzlich für sinnvoll, strukturverändernde Maßnahmen in Essen durchzuführen. Eine Überversorgung ist laut des veröffentlichten Gutachtens des MAGS zur Krankenhausversorgung Nordrhein-Westfalen in 2019 insbesondere in den Ballungszentren („Rhein-Ruhr-Schiene“) zu erkennen. Die Essener Krankenhauslandschaft weist aktuell zehn Krankenhausträger mit insgesamt 20 Standorten auf. 4. Nach den Erfahrungen aus der Corona-Pandemie: Wie bzw. durch wen soll im Essener Norden, nach Auffassung der Landesregierung, zukünftig insbesondere die Notfallversorgung bzw. die Intensivmedizinische Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden? Die Contilia plant nach eigenen Angaben, dass das Philippusstift die Notfallversorgung für den Essener Norden übernehmen soll; darüber hinaus soll nach Plänen des Trägers in Abstimmung mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sowie mit anderen Krankenhausträgern eine wohnortnahe Versorgung erhalten bleiben. Das MAGS hat mangels eines vorliegenden Antrags bisher keine detaillierte krankenhausplanerische Prüfung durchgeführt. Eine abschließende krankenhausplanerische Bewertung – auch mit Berücksichtigung der Notfallstrukturen – hat deshalb noch nicht stattgefunden.