LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10543 13.08.2020 Datum des Originals: 12.08.2020/Ausgegeben: 19.08.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4097 vom 14. Juli 2020 des Abgeordneten Frank Neppe FRAKTIONSLOS Drucksache 17/10203 Verlängerung der Maskenpflicht in NRW Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ende Juni verlängerte die Landesregierung NRW die Maskenpflicht bis zum 15. Juli 2020. Am 08.07.2020 berichtete welt-online1, dass sich die Gesundheitsminister der Länder darauf geeinigt hätten, die Maskenpflicht nicht aufzuheben. Eine Verlängerung in NRW über den 15. Juli hinaus ist also sehr wahrscheinlich. Bereits im April hatte der Weltärztepräsident die Maskenpflicht in Deutschland in einem Interview2 kritisiert und in diesem Zusammenhang gesagt: „Natürlich gehe ich einkaufen und natürlich trage ich dabei eine Maske, aber eine Maske, die den Namen auch wirklich verdient, eine sogenannte FFP2-Maske, also eine Maske, die mich und andere schützt, und nicht irgendeinen Lappen vorm Gesicht, der mir gesetzlich oktroyiert wird und der sogar gefährlich ist, weil er durch die Konzentration von Viren, andere, die sich in dem Stoff ansammeln, und durch unsachgemäßes Ablegen und Aufsetzen dieser Maske sogar eher zu einer Infektion führt. Wenn schon Gesetz, dann bitte richtig, aber nicht nur so das Versagen der Politik kaschieren, dass sie bis heute nicht in der Lage sind, uns mit ausreichend Masken zu versorgen.“ Der Virologe Prof. Hendrik Streeck argumentierte in einem Interview mit ZEIT ONLINE3 am 6. April 2020, dass bisher keine Infektionen beim Friseur, beim Busfahren oder beim Einkaufen nachgewiesen worden seien. Die WHO hat in ihrer aktualisierten Richtlinie vom 5. Juni 20204 ausdrücklich auf das erhöhte Infektionsrisiko bei falscher Anwendung von Masken hingewiesen. Die Süddeutsche Zeitung führte in einem Artikel vom 26. Juni 20205 zwei Studien an, die eine sinkende Akzeptanz der Deutschen bezüglich bestimmter Maßnahmen belegen. Dieses Phänomen wird durch unzählige Medienberichte über Verstöße gegen Masken- und Abstandpflicht in den vergangenen Wochen weiter untermauert. Nach wie vor gehen politische Entscheidungsträger mit schlechtem Vorbild voran, in dem sie die Vorschriften nicht einhalten. Auch auf Demonstrationen, z.B. im Rahmen der „Black lives LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10543 2 matter“-Bewegung wurden massive Verstöße beobachtet, der Rechtsstaat hat hier jedoch offensichtlich entschieden, geltendes Recht nicht durchzusetzen, ein verheerendes Signal an diejenigen, die sich trotz möglicher Zweifel an die gemachten Auflagen halten. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4097 mit Schreiben vom 12. August 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet. 1. Bei unklarer wissenschaftlicher Studienlage zu Wirksamkeit und Gefahrenpotential ist von der Politik natürlich stets eine Abwägung zu treffen, diese muss jedoch auch wissenschaftlich begründet und für den Bürger nachvollziehbar sein. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse sprechen derzeit für eine Beibehaltung der Maskenpflicht in NRW? (Bitte Quellen nennen.) 2. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse sprechen derzeit gegen eine Beibehaltung der Maskenpflicht in NRW? (Bitte Quellen angeben.) Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Die Entscheidung der Landesregierung zur Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen- Bedeckung (MNB) beruht auf den Erkenntnissen und Empfehlungen anerkannter Institutionen und Behörden, in diesem Fall u. a. des Robert Koch-Instituts (RKI) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Beide Institutionen erfassen kontinuierlich die Infektionslage, bewerten die verfügbaren Informationen und empfehlen unter Berücksichtigung der aktuellen Evidenz das Tragen von MNB durch die Bevölkerung in bestimmten Situationen als Teil eines umfassenden Ansatzes zur Reduzierung der Übertragung von SARS-CoV-2 (vgl. https://www.who.int/publications und https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20.html). Die WHO hat neben ihrer Empfehlung zur Verwendung von MNB durch die Bevölkerung in der allgemeinen Öffentlichkeit auch mögliche Nachteile durch einen Gebrauch zusammengetragen. Dazu gehört u.a. ein potenziell erhöhtes Risiko der Selbstkontamination durch die Manipulation der Gesichtsmaske und die anschließende Berührung der Augen mit kontaminierten Händen sowie der Nutzung von nassen oder verschmutzten Masken, Kopfoder Atembeschwerden je nach Art der verwendeten Maske, Schwierigkeiten mit klarer Kommunikation oder mit Gehörlosen, ein falsches Sicherheitsgefühl, das zu einer potenziell geringeren Einhaltung anderer kritischer Präventivmaßnahmen wie physischer Distanzierung und Handhygiene führen kann sowie Diskriminierung oder Schwierigkeiten für Personen, die keine MNB tragen können (vgl. https://www.who.int/publications). 3. Wie bewertet die Landesregierung aktuell das Gefahrenpotential von falsch angewendeten Schutzmasken? Hierzu verweist die Landesregierung auf die Antwort der Frage 3 der Kleinen Anfrage des Abgeordneten Dr. Christian Blex der Fraktion der AfD – Landtagsdrucksache 17/9433 vom 22. Mai 2020. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10543 3 4. In wie vielen Fällen kam es in NRW bisher zu einer Sars-CoV-2-Infektion in öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Friseur oder beim Einkaufen? (Bitte mit Ortsangaben versehen.) Die Rückverfolgung von Infektionsketten obliegt den unteren Gesundheitsbörden. Es bestehen keine Statistik- oder Berichtspflichten zur Erhebung der gewünschten Daten. Die Erhebung oder Auswertung der entsprechenden Daten auf kommunaler Ebene kann binnen der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit und unter Beachtung der aktuell zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht geleistet werden. 5. Warum toleriert die Landesregierung massenhafte Verstöße gegen Infektionsschutzverordnungen auf Demonstrationen? Gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag gewährleistet die Polizei den Schutz von Versammlungen sowie die konsequente Verfolgung von Straftaten. Diesem Auftrag kommt die Polizei auch während der Corona-Pandemie vollumfänglich nach. Sofern die originär zuständige örtliche Ordnungsbehörde nicht vor Ort und nicht erreichbar ist, macht die Polizei bei festgestellten Ordnungswidrigkeiten wie beispielsweise bei Verstößen gegen die Coronaschutzverordnung von ihrem Entschließungs- und Auswahlermessen Gebrauch. Dies ist abhängig von der Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls. Ein grundsätzliches Tolerieren von Verstößen gegen die Coronaschutzverordnung und das Infektionsschutzgesetz anlässlich von Versammlungen, wie in der Frage angesprochen, durch die Landesregierung existiert nicht. Das Thema der Versammlung spielt dabei aufgrund des Neutralitätsgebots keine Rolle.