LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10546 13.08.2020 Datum des Originals: 13.08.2020/Ausgegeben: 19.08.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4111 vom 17. Juli 2020 des Abgeordneten Christian Loose AfD Drucksache 17/10290 ADELE: Ade? Wurden öffentliche Mittel an Druckluftspeicher mit einer absehbar fehlenden Marktperspektive verschwendet? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Energieagentur NRW benennt mit ADELE (Adiabatischer Druckluftspeicher für die Elektrizitätsversorgung) eine Speichertechnologie, bei der Energie durch Kompression von Luft gespeichert werden soll.1 Im 14. Wuppertaler Report aus dem April des Jahres 2018 heißt es: „Adiabate Druckluftspeicherkraftwerke (ACAES) sind heute Gegenstand von Entwicklungsprojekten bzw. stehen vor der Demonstrationsreife (TRL 4-5).“2 Einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes (Aktenzeichen: WD 8 -3000 -032/14) ist zu entnehmen: „Die weltweit erste großtechnische Demonstrationsanlage eines adiabatischen Druckluftspeicherkraftwerkes mit einer Speicherkapazität von 360 Megawattstunden und einer Leistung bis zu 90 Megawatt soll ab 2013 in Staßfurt (Sachsen-Anhalt) errichtet werden.“3 Am 11. Januar 2013 hieß es bei „Stadt und Werk“, dass für das Projekt ADELE-ING ein Forschungsvolumen von 40 Mio. Euro über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren vorgesehen sei.4 Verschiedenen Berichten ist zu entnehmen, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Forschung zu ADELE zu fördern 1 Vgl. https://www.energieagentur.nrw/geothermie/kraftwerkstechnik/rwe-adele-der-adiabatischedruckluftspeicher -fuer-die-elektrizitaetsversorgung, abgerufen am 08.06.2020 um 10:00 Uhr. 2 https://www.energieforschung.de/lw_resource/datapool/systemfiles/elements/files/ 70013C70EE963F41E0539A695E8680ED/current/document/TFE_Politikbericht_komplett.pdf, abgerufen am 08.06.2020 um 11:30 Uhr. 3 https://www.bundestag.de/resource/blob/412904/ca2dd030254284687a1763059f1f4c0c/wd-8-032- 14-pdf-data.pdf, abgerufen am 09.06.2020 um 10:45 Uhr. 4 Vgl. https://www.stadt-und-werk.de/meldung_15028_Förderung+für+ADELE- ING+.html, abgerufen am 09.06.2020 um 9:00 Uhr. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10546 2 plant.5 Diese Förderung wird auch in einer Präsentation des Referats für Energieforschung – Grundsatzfragen und Strategie beim BMWi auf der 6. LIESA- Vollversammlung am 13.02.2017 erwähnt.6 Im Fazit eines Statusbericht der RWE Power AG vom 06. Februar 2014 heißt es: „Die Wirtschaftlichkeit ist unter gegebenen Marktbedingungen nicht erreichbar und die zukünftige Entwicklung unsicher. Dies gilt nicht nur für den adiabaten Druckluftspeicher, sondern allgemein für (nicht subventionierte) Stromspeicher.“7 Laut eines Berichts der Zeitung Volksstimme vom 31. März 2015 gab ein Sprecher der RWE AG schließlich bekannt: „Die Pläne für den Bau einer großtechnischen Demonstrationsanlage am Standort Staßfurt wurden mangels konkreter Marktperspektive eingestellt."8 Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4111 mit Schreiben vom 13. August 2020 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Das Projekt „ADELE“ wurde nicht vom Land Nordrhein-Westfalen, sondern durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert. Nach Angaben des Projektträgers Jülich (PTJ), der im Auftrag des BMWi die Fördermaßnahmen organisiert, wurden zwei zusammenhängende Vorhaben gefördert: Die Machbarkeitsuntersuchung „ADELE - Adiabate Druckluftspeicher für die Elektrizitätsversorgung“ (Laufzeit Dezember 2009 bis Mitte 2013) und das Anschlussprojekt „ADELE-Ing - Engineering-Vorhaben für die Errichtung der ersten Demonstrationsanlage zur adiabaten Druckluftspeichertechnik“, das bis Mitte 2017 lief. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Kleine Anfrage auf das Projekt „ADELE-Ing“ bezieht. Die Fragen 1 bis 3 werden auf der Basis von Informationen des PTJ beantwortet. 1. Welche Forschungsziele des Projekts ADELE wurden bis zu welchem Zeitpunkt erwartet bzw. erreicht? Nach Mitteilung des PTJ hatten die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Verbundvorhaben ADELE-Ing zum Ziel, basierend auf den Erkenntnissen aus der vorangegangenen erfolgreichen Machbarkeitsuntersuchung ADELE, alle notwendigen Entwicklungen und Entscheidungsgrundlagen zur Vorbereitung des Baus einer ersten Demonstrationsanlage bestell- und genehmigungsreif zu erbringen, um die spätere Kommerzialisierung der Technologie anzubahnen. 5 Vgl. https://www.energie-chronik.de/100108.htm, https://kraftwerkforschung.info/ druckluftspeicher-adele-demo-anlage-im-stassfurter-salzstocks/ und https://www.cleanthinking.de/ erneuerbare-energien-rwe-stassfurt-adele/, jeweils abgerufen am 09.06.2020 um 9:15 Uhr. 6 Vgl. https://innen.saarland.de/dokumente/thema_LIESA/Das_Energieforschungsprogramm_der_ Bundesregierung.pdf, abgerufen am 09.06.2020 um 9:30 Uhr. 7 https://www.leopoldina.org/fileadmin/redaktion/Politikberatung/pdf/Peter_Moser__- _Druckluftspeicher.pdf, abgerufen am 08.06.2020 um 10:15 Uhr. 8 https://www.volksstimme.de/nachrichten/lokal/stassfurt/1452325_Plaene-zum-Druckluftspeichereingestellt .html, abgerufen am 08.06.2020 um 14:45 Uhr. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10546 3 Im Einzelnen waren dies: Nach Laufzeitjahr 1, d.h. zum Januar 2014: - Konkret und differenziert nachgewiesene techno-ökonomische Auswahl einer aus mehreren entwickelten ADELE-Anlagenkonfigurationen als optimal angesehenen Umsetzung des ADELE-Konzeptes (sog. „Concept Freeze“). Zum Laufzeitende, d.h. zum Juni 2017: - Durchführung des Engineerings aller Kernkomponenten: Turbomaschinen, Wärmespeicher, Kaverne und Anlagennebenkomponenten: Rohrleitungskonzept, Armaturen für die Komponentenverbindung. - Erwirkung sämtlicher notwendiger Genehmigungen für die Demonstrationsanlage (90MW/360MWh) am favorisierten Standort Staßfurt in Sachsen-Anhalt. - Detaillierte Ergebnisaufbereitung zum Ende des Projektes als Basis für eine Investitionsentscheidung (FID – Final Investment Decision) insbesondere des Verbundpartners RWE, für den Bau der ersten Demonstrationsanlage zur adiabaten Druckluftspeicher-Technik am Standort Staßfurt ab 2016 und deren Inbetriebnahme ab 2019. - Parallel wurde die Bewertung der ADELE-Technologie für das zukünftige deutsche Stromversorgungssystem aus Sicht des regelzonenverantwortlichen Übertragungsnetzbetreibers, unabhängiger Forschungsinstitute und eines Stromerzeugers verfeinert. Ziel war es, eine Markt- und Potentialanalyse zur ADELE- Technologie für Deutschland zur Verfügung zu stellen, die den Zeitraum 2020 bis 2050 umfasst. Die Ergebnisse flossen in die technische Entwicklung ein. Alle technologischen Ziele des Verbundvorhabens sowie jene mit ökonomischer Relevanz wurden mit guten, erfolgversprechenden Ergebnissen im Rahmen der Vorhabenlaufzeit erreicht. 2. Warum wurde das Projekt ADELE eingestellt? Nach Mitteilung des PTJ wurde das Projekt ADELE-Ing nicht eingestellt. Aufgrund einer Managemententscheidung revidierte der Verbundpartner RWE Power AG zwar bereits Ende 2013 seine Planung, nach erfolgreichem Vorhabenende den Bau einer ADELE- Demonstrationsanlage umzusetzen und schied zum 31.12.2013 aus dem Verbund aus. Um die Umsetzung des Verbundvorhabens ADELE-Ing aber weiterhin zu unterstützen und an den Ergebnissen teilzuhaben, führte das RWE-Tochterunternehmen innogy SE (vorm.: RWE Group Business Services GmbH) ab 01.11.2014 den Part der RWE in deutlich eingeschränktem Umfang weiter. Im Zuge des Ausscheidens der RWE Power AG schieden zudem die Partner 50Hertz Transmission GmbH zum 31.12.2013 sowie TÜV SÜD Industrie Service GmbH zum 28.02.2014 aus dem Verbund aus. Seitens des verkleinerten Projektverbundes wurde der Nutzen der Weiterentwicklung der ADELE-Technologie auch ohne feststehendes Demonstrationsfolgevorhaben nachgewiesen. Die erfolgte Änderung der Arbeitspläne und Teile der Zielstellungen der verbliebenen Partner bei deutlich reduziertem Aufgaben- und Kostenumfang wurden zur Weiterführung des Verbundes vom BMWi akzeptiert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10546 4 3. Wie hoch sind die Kosten für das Projekt? (Bitte aufschlüsseln nach Gesamtkosten und Anteil der Kosten aus öffentlichen Mitteln) Nach Mitteilung des PTJ bestand der Verbund zu Beginn (Januar 2013) aus neun geförderten Partnern. Die ursprünglich geplanten Gesamtkosten von rund 40,96 Mio.€, bei einer Zuwendung von rund 21,36 Mio.€, reduzierten sich bis zur Bewilligung auf rund 40,7 Mio. € und 21,3 Mio. € bei einer Förderquote von rund 52%. Ab 2014 gehörte der Partner RWE Power AG nicht mehr zum Verbund und entsandte ab November 2014 stellvertretend die Tochter innogy SE in den Verbund. Die Partner 50Hertz Transmission GmbH sowie TÜV SÜD Industrie Service GmbH schieden Ende 2013 bzw. zum 28.02.2014 ebenfalls aus dem Verbund aus. Hieraus folgte ein in 2014 für die gesamte Restlaufzeit bis Mitte 2017 geändertes Bild der Kosten und Zuwendungen. Es verblieben rund 7,36 Mio. € an Kosten bei einer Zuwendung von rund 4,91 Mio. €. Durch die Veränderungen des Konsortiums stieg die mittlere Förderquote auf rund 67%. 4. Wie viele adiabatische Druckluftspeicher würden rechnerisch benötigt, um, nach dem im Wuppertaler Report angegebenen Kenntnisstand TRL 4-5, NRW für den Fall eines normalen Strom-Regelverbrauchs für 24 Stunden mit Strom zu versorgen, sofern die Druckluftspeicher vollaufgeladen wären und alle anderen Kraftwerke zu diesem Zeitpunkt nicht in die Netze einspeisen könnten (z.B. weil keine Gas- und Kohlekraftwerke vorhanden wären und eine Dunkelflaute herrscht)? Wie viele adiabatische Druckluftspeicher für den beschriebenen hypothetischen Fall rechnerisch benötigt würden, lässt sich nicht seriös beziffern. Zudem wird hierzu auf die Antwort der Landesregierung vom 26.06.2020 (LT-Drs. 17/9965) auf die Kleine Anfrage 3744 verwiesen. 5. Plant die Landesregierung NRW Projekte zu unterstützen, die im Bereich der Druckluftspeicherung zur Elektrizitätsversorgung angesiedelt sind? Entsprechende Projekte sind der Landesregierung derzeit nicht bekannt.