LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10554 14.08.2020 Datum des Originals: 14.08.2020/Ausgegeben: 20.08.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4011 vom 2. Juli 2020 der Abgeordneten Martin Börschel und Andreas Kossiski SPD Drucksache 17/10088 Warum gefährdet die Landesregierung den strategisch und industriepolitisch sinnvollen Erwerb einer Binnenschifffahrtsgruppe durch die Häfen und Güterverkehr Köln AG? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK), ein Logistikunternehmen von Stadtwerke Köln, Stadt Köln und Rhein-Erft-Kreis, beabsichtigt, die europäischen Binnenschifffahrtsaktivitäten der südafrikanischen Imperial Logistics Limited zu erwerben. Für die HGK stellt der Kauf eine sinnvolle Ergänzung ihres operativen Beteiligungsportfolios für Logistik und Güterverkehrsleistungen rund um die Verkehrsträger Schiene und Wasserstraßen dar. Die Aktivitäten im Bereich Binnenschifffahrt werden durch den Erwerb ausgebaut und insbesondere durch die Wachstumssegmente in der Chemie- und Gasschifffahrt ergänzt. Gleichzeitig erweitert die HGK durch den Erwerb signifikant ihre Präsenz in den wichtigen Seehäfen entlang der so genannten ZARA-Range (Zeebrugge, Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam) und trägt so auch im Landesinteresse zu einer Stärkung des Logistikstandorts Nordrhein-Westfalen bei. Zugleich passt die Investition zu den strategischen Vorgaben, die die HGK als kommunales Unternehmen durch ihre Gesellschafter erhalten hat. Als Logistik-Holding innerhalb des Stadtwerke Köln-Konzerns hat die HGK den Auftrag, die Rohstoffversorgung und Warenverkehre für die heimische Wirtschaft im Rheinland sicherzustellen – nicht nur ökonomisch, sondern auch unter möglichst ökologischen Bedingungen. Ein modernes Binnenschiff kann die Ladung von bis zu 105 Lkw aufnehmen und stößt bezogen auf beförderte Tonnage und Strecke bis zu 75 Prozent weniger CO2-Emissionen aus. Der Erwerb steht u.a. unter dem Vorbehalt der Genehmigung/Nichtbeanstandung durch die Kommunalaufsicht. Die positiven Beschlussfassungen der kommunalen Vertretungen der Stadt Köln und des Rhein-Erft-Kreises liegen vor. Gemäß Presseberichterstattung habe die Bezirksregierung Köln keine Einwände gegen das Vorhaben anmelden wollen. Auch das Wirtschaftsministerium soll einverstanden gewesen sein. Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung hat eine LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10554 2 Genehmigung bisher jedoch nicht freigegeben. Ihm sei bis zum 30. Juni 2020 eine sorgfältige Prüfung des avisierten Kaufs nicht möglich. Die umfangreichen Unterlagen seien erst vor gut einer Woche im Ministerium eingegangen. Es sei ein umfangreicher Fragenkatalog an die Stadt Köln verschickt worden. Das EU-Kommissariat für Wettbewerb/Generaldirektion Wettbewerb hat laut Presseberichterstattung das Erwerbsvorhaben am 30.06.2020 unter fusionskontrollrechtlichen Gesichtspunkten freigegeben. Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung hat die Kleine Anfrage 4011 mit Schreien vom 14. August 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen, dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, dem Minister für Verkehr und dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales beantwortet. 1. Seit wann sind welche Landesbehörden (z.B. Bezirksregierung, Ministerien) formell und informell in die Bewertung des Beteiligungsvorhabens eingebunden oder unmittelbar durch Vertreterinnen oder Vertreter der Stadt Köln involviert worden? (Eine genaue Aufstellung aller Kontakte in dieser Angelegenheit mit Dienststellen des Landes wird erbeten.) Herr Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart hat am 14. Februar 2020 mit Herrn Dr. Dieter Steinkamp, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke Köln, und Herrn Uwe Wedig, Vorstandsvorsitzender der Häfen und Güterverkehr Köln AG, gesprochen. In diesem Gespräch wurde der Minister über das geplante Beteiligungsverfahren informiert. Minister Prof. Dr. Pinkwart empfahl zuständigkeitshalber die Kontaktaufnahme mit mir bzw. dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung. Diese Kontaktaufnahme ist jedoch nicht erfolgt. Die Bezirksregierung Köln berichtet, dass sie am 14. April 2020 erstmals in die Bewertung des Beteiligungsvorhabens eingebunden wurde. Hiernach erfolgten zahlreiche weitere Kontakte der Bezirksregierung Köln mit Vertretern oder Vertreterinnen der Stadt Köln. Im Rahmen eines Telefonats zwischen der obersten Kommunalaufsicht und der Bezirksregierung Köln erfolgte am 18. Mai 2020 die erste - auf das Beteiligungsvorhaben bezogene – dezidierte Informationsbitte. Danach kam es zu weiteren Kontakten der obersten Kommunalaufsicht, insbesondere mit der Bezirksregierung Köln, bezüglich des Beteiligungsvorhabens. Durch die oberste Kommunalaufsicht wurde am 16. Juni 2020 an die Bezirksregierung Köln ein Schreiben versandt, mit dem die Bezirksregierung gebeten wurde, von kommunalaufsichtlichen Bestätigungen in der Angelegenheit bis auf Weiteres abzusehen und sicherzustellen, dass keine Präklusionswirkung eintritt. Am 23. Juni 2020 übersandte die Bezirksregierung Köln einen Bericht und im Kontext dazu erhielt die oberste Kommunalaufsicht von Seiten der Bezirksregierung am 24. Juni 2020 vier Aktenordner zum Vorgang auf postalischem Wege. Am 25. Juni 2020 hat der Stadtdirektor der Stadt Köln, Dr. Stephan Keller, sich beim Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Nathanael Liminski, nach dem Verfahrensstand erkundigt. Der Chef der Staatskanzlei empfahl zuständigkeitshalber die Kontaktaufnahme mit mir bzw. dem LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10554 3 Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung und informierte den Stadtdirektor im Weiteren darüber, dass das Kommunalministerium der zuständigen Bezirksregierung bereits mitgeteilt hat, dass die ursprünglich angesetzte Frist vom 30. Juni 2020 vermutlich nicht zu halten sein würde und die gemeinderechtliche Prüfung noch andauere. Zudem wird auf die Antwort zu Frage 2 hingewiesen. 2. Hat die Oberbürgermeisterin der Stadt Köln persönlich Kontakt zur Landesregierung wegen der Genehmigung des Beteiligungsvorhabens aufgenommen? (Eine genaue Aufstellung aller Kontakte in dieser Angelegenheit mit handelnden Personen wird erbeten.) Am 15. Juli 2020 fand im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen ein Austausch zu dem Beteiligungsvorhaben statt, an dem Frau Oberbürgermeisterin Henriette Reker und ich persönlich teilgenommen haben. 3. Welchen Rechtsrahmen legt das Land für die Prüfung des Beteiligungsvorhabens der HGK (auch vor dem Hintergrund des Artikels 28 Absatz 2 GG) an, der bislang offenbar einer Genehmigung im Wege steht? Die Stadt Köln beabsichtigt über den Stadtwerke-Konzern eine Binnenschifffahrtsgruppe zu kaufen. Der einschlägige Rechtsrahmen ergibt sich aus § 107 Absatz 1 Gemeindeordnung NRW und, soweit es sich um eine überörtliche sowie um eine Betätigung auf ausländischen Märkten handelt, aus § 107 Absatz 3 Gemeindeordnung NRW. Der Kölner Stadtwerke-Konzern ist über die Häfen und Transport AG in Duisburg bereits heute im Binnenschifffahrtssegment tätig und transportiert auf allen mitteleuropäischen Binnenwasserstraßen Trockengüter. Mit dem geplanten Erwerb der Binnenschifffahrtsgruppe wird das bereits vorhandene Binnenschifffahrtsgeschäft und die Versorgungssicherheit von Industrie und Gewerbe, insbesondere der Chemischen Industrie, gestärkt. Grundvoraussetzung wirtschaftlicher Betätigung der Kommunen ist die damit verfolgte Erfüllung eines öffentlichen Zwecks. Der Begriff ist nicht eng auf die klassischen Bereiche der Versorgung der Einwohner oder auf den Bereich der Daseinsvorsorge zu beschränken, sondern für die Bedürfnisprüfung der Einwohner und der Gemeinden kommen Leistungen und Lieferungen auf den verschiedensten Lebens- und Aufgabengebieten in Betracht. Die Gemeinwohlbelange lassen sich nicht umfassend umschreiben, deshalb ist stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Als Kriterien oder Indizien für das Vorliegen eines öffentlichen Zwecks können herangezogen werden die mit der kommunalwirtschaftlichen Betätigung verfolgte Sicherung des Bedarfs der Gemeinde und besonders ihrer Einwohner, des ortsansässigen Gewerbes und der Industrie mit öffentlichen Versorgungs- und Dienstleistungen und beispielsweise die Wahrung des Einflusses auf die örtliche Versorgung gegenüber Großunternehmen. Die Bewertung hat den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen und den heutigen kommunalen Aufgabenstellungen Rechnung zu tragen. Zu berücksichtigen sind auch Veränderungen der tatsächlichen Lebensverhältnisse, der Funktionswandel von Städten sowie die Herausbildung neuer Schwerpunkte innerhalb des gemeindlichen Aufgabenspektrums. Für die Entscheidung, ob ein öffentlicher Zweck eine bestimmte kommunalwirtschaftliche Betätigung rechtfertigt, steht der Stadt ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Es handelt sich um eine Frage sachgerechter Kommunalpolitik, die sehr stark von Zweckmäßigkeitsüberlegungen bestimmt sein kann. Der verfolgte öffentliche LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10554 4 Zweck konnte von Seiten der Oberbürgermeisterin Reker und des Vorstandsvorsitzenden Dr. Steinkamp plausibel und nachvollziehbar dargelegt werden. Eine Veränderung der Angebotsseite im Markt könnte nur mit einer Marktinkonformität einhergehen: Diese läge vor, wenn marktinkonforme Beeinflussungen, wie beispielsweise offene oder verdeckte Subventionen, vorlägen. Diese sind aus der bisherigen Geschäftstätigkeit heraus nicht bekannt geworden. 4. Wie bewertet die Landesregierung auch unter Berücksichtigung der Sicherung von Arbeitsplätzen das Beteiligungsvorhaben standort- und industriepolitisch? Die Logistikwirtschaft ist von großer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Nordrhein- Westfalen. Die Landesregierung setzt sich daher auch für bestmögliche Rahmenbedingungen ein, unsere Standortvorteile gilt es weiter zu nutzen. Intelligente multimodale Logistik ist Basis für die Attraktivität des Industriestandorts Nordrhein-Westfalen. Dieses beinhaltet sowohl die Funktionsfähigkeit der Infrastruktureinrichtungen als auch gut aufgestellte Logistikanbieter. 5. Ist die Landesregierung ebenfalls der Auffassung, dass der Gesichtspunkt des Schutzes eigener Landesbeteiligungen (z.B. Duisburger Hafen AG) vor kommunalen Wettbewerbern kein Kriterium sein darf, um ein durch Rat und Kreistag demokratisch legitimiertes Beteiligungsvorhaben zu unterbinden? Die mit der Frage verbundene Intention war zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Diskussion.