LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10680 18.08.2020 Datum des Originals: 18.08.2020/Ausgegeben: 24.08.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3909 vom 26. Juni 2020 der Abgeordneten Anja Butschkau und Susana dos Santos Herrmann SPD Drucksache 17/9970 Was unternimmt die Landesregierung für die Beschäftigten, die von der geplanten Schließungsorgie bei Galeria Karstadt Kaufhof bedroht sind? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach der Fusion von Karstadt und Kaufhof im November 2018 ringt der neue Einzelhandelskonzern weiter ums Überleben. Im Mai wurde bekannt, dass 80 der 172 Filialen geschlossen werden sollen. Bis zu 10.000 der 30.000 Jobs sind dadurch gefährdet, viele davon in Nordrhein-Westfalen. In dieser schwierigen Zeit glänzt das Management von Galeria Karstadt Kaufhof durch Chaos, das im mehr oder weniger freiwilligen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden Stephan Fanderl gipfelte. Dies geschieht in einer Zeit, in der der Warenhauskonzern aufgrund der Corona-Krise weitere Herausforderungen stemmen muss. Galeria Karstadt Kaufhof startete deshalb ein Schutzschirmverfahren. Anstatt ein nachhaltiges und zukunftsgewandtes Sanierungskonzept zu erstellen, wird seit der Fusion ein strikter Sparkurs gefahren – ohne Ideen für neue Wege und ohne kreativen Anspruch. Die Verhandlungen zwischen dem Management und Ver.di über den Kurs des Unternehmens scheiterten bislang. Während Ver.di einen Sozial-Tarifvertrag, die Bildung einer Transfergesellschaft sowie einen Tarifvertrag für gute und gesunde Arbeit einfordert, beharrt Galeria Karstadt Kaufhof auf den Kahlschlag des Unternehmens. Das Managementversagen der letzten Jahre sollen nun die Beschäftigten durch Jobabbau und Verzicht auf bereits zugesagte Gehaltssteigerungen ausbaden. Das trifft überwiegend Frauen und Menschen in Teilzeitbeschäftigung, deren Armutsrisiko ohnehin schon hoch ist. Hinzu kommt, dass durch die Schließung der ehemaligen Kaufhof-Hauptverwaltung in Köln 1.400 Beschäftigten zum 31.12.2019 gekündigt wurde. Etwa 300 Mitarbeiter/-innen haben dagegen Kündigungschutzklage eingereicht. Das Arbeitsgericht Köln hat festgestellt, dass die Kündigungen aufgrund fehlender Sozialauswahl nichtig seien. In vielen dieser Verfahren seien Vergleiche erzielt worden, in denen die Zahlung einer Abfindung vereinbart wurde. Mit Einleitung des Schutzschirmverfahrens wurden die Auszahlungen dieser Abfindungen nun allerdings ausgesetzt, obwohl nach Verkauf von insgesamt 17 Kaufhof-Immobilien für 700 Millionen Euro an einen Finanzinvestor genügend Liquidität vorhanden sein sollte, um diese LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10680 2 Abfindungen zu bedienen. Dies lässt auf ein systematisches Vorgehen des Konzerns zu Lasten seiner ehemaligen Beschäftigten schließen. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 3909 mit Schreiben vom 18. August 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet. 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über mögliche Filialschließungen bei Galeria Karstadt Kaufhof in Nordrhein-Westfalen? (Bitte aufschlüsseln nach Standorten und betroffenen Arbeitsplätzen) Galeria Karstadt Kaufhof hat zunächst angekündigt, 18 Warenhaus-Standorte in Nordrhein- Westfalen sowie vier Karstadt Sports-Filialen schließen zu wollen. Mittlerweile (Stand 12. August 2020) hat sich die Anzahl der von Schließung betroffenen Warenhaus-Standorte auf 14 reduziert; die Karstadt-Häuser in Bielefeld, Dortmund und Essen sowie der Kaufhof in Leverkusen sollen – anders als zunächst angekündigt – nun doch weitergeführt werden, auch soll die Zentrale des Warenhauskonzerns (1.200 Beschäftigte) in Essen bleiben. Nach derzeitigem Stand sollen die folgende Standorte aufgegeben werden: • Kaufhof: Brühl (50), Dortmund (90), Düsseldorf Am Wehrhahn (3001), Essen (90), Hamm (40), Köln-Weiden (50), Neuss (80), Witten (40) • Karstadt: Bonn (140), Düsseldorf (3001), Gummersbach (80), Gütersloh (80), Iserlohn (100), Mönchengladbach-Rheydt (80) • Karstadt Sports: Düsseldorf, Dortmund, Essen, Köln Bei der Anzahl der Beschäftigten der Warenhäuser handelt es sich um ungefähre Angaben. Zur Anzahl der Beschäftigten bei Karstadt Sports liegen mir keine genaueren Informationen vor. Insgesamt entfallen auf die von Schließung betroffenen Waren- und Sporthäuser in Nordrhein-Westfalen schätzungsweise 1.400 Beschäftigte, von denen sehr viele nicht in Vollzeit arbeiten, sodass eine Umrechnung in Vollzeitstellen deutlich unter 1.400 liegen dürfte. 2. Welche staatlichen Hilfen zur Bewältigung der Folgen der Corona-Krise erhielt Galeria Karstadt Kaufhof von Bund und Land? 3. Sofern staatliche Hilfen von Seiten des Landes Nordrhein-Westfalen geflossen sind: Wird die Landesregierung ihren Einfluss geltend machen, um den Erhalt von Standorten und Arbeitsplätzen und die Auszahlung von Abfindungen sicherzustellen? Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. Eine Auskunft, dass ein Zuwendungsempfänger (ZE) finanzielle Hilfen des Bundes oder der Länder erhalten hat, begründet ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, wenn der ZE nicht in die Offenlegung eingewilligt hat. Die Aussage, dass ein ZE keine Zuwendung erhalten hat, verbietet sich bereits deshalb, weil durch diese negative Aussage in anderen Fällen, in denen die Auskunft wegen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses verwehrt wird, der 1 Mitarbeiterzahl über alle von Schließung betroffenen Warenhaus-Filialen in Düsseldorf. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10680 3 Rückschluss auf eine positive Bewilligungsentscheidung möglich ist. Vor diesem Hintergrund ist die Beantwortung der Frage - unabhängig davon, welcher der beiden Fälle gegeben ist - aus rechtlichen Gründen nicht zulässig. Unabhängig davon ist zu beachten, dass Galeria Karstadt Kaufhof am 1. April 2020 einen Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b Insolvenzordnung gestellt hat. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist Galeria Karstadt Kaufhof als ein sogenanntes „Unternehmen in Schwierigkeiten“ (EU-Definition) zu werten und von den meisten staatlichen Corona-Finanzierungshilfen ausgeschlossen. Mögliche finanzielle Hilfen des Bundes in dem Zusammenhang, die über Kurzarbeitergeld bzw. Insolvenzgeld hinausgehen, sind der Landesregierung nicht bekannt. Nichtsdestotrotz hat die Landesregierung die Erwartung, dass mit den Beschäftigten in den von Schließung betroffenen Verkaufsstandorten fair und respektvoll umgegangen wird. Die bisherigen Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Arbeitnehmervertretungen deuten darauf hin, dass dies geschieht. Nicht zuletzt angesichts der hohen Corona-bedingten Umsatzausfälle im stationären Handel ist die Landesregierung der Auffassung, dass vereinzelte, von den Kommunen sinnvoll angesetzte verkaufsoffene Sonntage dem stationären Handel helfen können, die fehlenden Umsätze zum Teil auszugleichen. Dies ist insbesondere aufgrund der damit einhergehenden zusätzlichen Arbeitsplatzsicherheit auch im Interesse der Beschäftigten. 4. Auf welche Weise wird sich die Landesregierung darüber hinaus gegenüber Galeria Karstadt Kaufhof für den Erhalt von Arbeitsplätzen an den Standorten in Nordrhein-Westfalen einsetzen? 5. Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung auf Arbeitsplatzverluste bei Galeria Karstadt Kaufhof reagieren, um die Betroffenen schnell in neue Arbeit zu vermitteln? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Herr Ministerpräsident Laschet hatte in den vergangenen Wochen einen fortdauernden, engen Kontakt mit den Eigentümern, der Geschäftsführung von Galeria Karstadt Kaufhof und Arbeitnehmervertretern sowie einigen Standortkommunen. Durch gemeinsame Anstrengungen konnten Filialen in Bielefeld, Dortmund, Essen und Leverkusen gerettet werden. Diese Gespräche werden fortgeführt; der Ministerpräsident setzt sich dabei intensiv für weitere von der Schließung bedrohte Standorte ein. Im Vordergrund stehen der Erhalt von Arbeitsplätzen sowie die große Bedeutung der historisch tief in Nordrhein-Westfalen verwurzelten Warenhäuser für die Gestaltung der Innenstädte. Ich selbst stehe auch in Kontakt mit der Geschäftsführung von Galeria Karstadt Kaufhof über die Neuausrichtung des Unternehmens. Eine erfolgreiche Neuausrichtung ist elementar für eine erfolgreiche Zukunft von Galeria Karstadt Kaufhof mit dem Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze und wird derzeit vom Unternehmen angegangen. Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein- Westfalen hat unmittelbar am Tag der Bekanntgabe der von Schließung bedrohten Warenhaus-Standorte die (Ober-)Bürgermeisterinnen und (Ober-)Bürgermeister der betroffenen Städte angeschrieben und zu einem gemeinsamen, zeitnahen persönlichen Austausch eingeladen. Dieses Gespräch hat am 08. Juli 2020 als Auftakt für einen fortlaufenden Erfahrungsaustausch stattgefunden. Denn Kauf- und Warenhäuser bieten nicht nur Arbeitsplätze, sondern prägen zudem in vielen Städten und Gemeinden die Innenstädte LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10680 4 und Zentren. Sie sind vielfach Anker und auch Frequenzbringer an den Standorten und tragen so zu einer lebendigen Innenstadt bei. Die Landesregierung hat – zeitlich vorlaufend – im Rahmen des „Nordrhein-Westfalen- Programms I“ am 23. Juni 2020 ein „Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren (Sofortprogramm Innenstadt 2020)“ in Höhe von 70 Millionen Euro beschlossen, die aus Landesmitteln finanziert werden. Ziel dieses Sofortprogrammes ist es, die von Leerstand und Schließungen in Handel und Gastronomie betroffenen Städte und Gemeinden zu unterstützen. Das „Sofortprogramm Innenstadt 2020“ soll mit neuen Angeboten auch außerhalb bestehender Stadterneuerungsgebiete Innenstädte und Zentren unterstützen. Für die Stadtentwicklungspolitik des Landes Nordrhein-Westfalen ist die Stärkung der Innenstädte als multifunktionale Orte für Handel, Dienstleistungen, Wohnen, Kultur, Bildung und Freizeit von besonderer Bedeutung. Die Städtebauförderung trägt mit einem ihrer wesentlichen Förderschwerpunkte – der Stärkung der Innenstädte – dazu bei, die Innenstädte und Ortszentren attraktiv und lebendig zu halten. Allein im Stadterneuerungsprogramm 2020 haben die Landesregierung und die Bundesregierung 186 Millionen Euro von insgesamt 396 Mio. Euro in die qualitätsvolle und nachhaltige Gestaltung von 160 Bereichen investiert. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen befindet sich im engen Austausch mit der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit, um eine bestmögliche Unterstützung der Beschäftigten bei der Suche nach neuer Arbeit zu erreichen und eine schnelle Vermittlung sicherzustellen. Betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden umfangreiche Unterstützung bekommen, die bei Bedarf auch gezielte Weiterqualifizierung beinhaltet. In einer zwischen den Betriebsparteien vereinbarten Transfergesellschaft kann für Beschäftigte der Standorte in Nordrhein-Westfalen die Beratung und flankierende Tätigkeit durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales gefördert werden.