LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10722 24.08.2020 Datum des Originals: 24.08.2020/Ausgegeben: 28.08.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4094 vom 14. Juli 2020 der Abgeordneten Wibke Brems und Horst Becker BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/10199 (Neudruck) Energiepolitik ohne Wirkung? Was haben die Änderungen im Landesentwicklungsplan für den Ausbau der Photovoltaik gebracht? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 19. Dezember 2017 stellte Minister Prof. Andreas Pinkwart das zweite sogenannte „Entfesselungspaket“ der Landesregierung vor, mit dem schwerpunktmäßig die Änderungen im Landesentwicklungsplan (LEP) angekündigt wurden. Darunter fand sich auch die Ankündigung „Solarenergienutzung erleichtern: Die Rahmenbedingungen für die Nutzung von Photovoltaik in der Fläche werden vereinfacht und klarer dargestellt.“1 Insbesondere drei Änderungen am Landesentwicklungsplan, die am 12. Juli 2019 vom Landtag beschlossen wurden, betreffen die Möglichkeiten Freiflächenphotovoltaik zu nutzen. 1. Streichung eines Halbsatzes in den Erläuterungen zu „7.1-7 Grundsatz Nutzung von militärischen Konversionsflächen“: „flächenintensive Anlagen wie z. B. Photovoltaikanlagen sollen deshalb nur auf bereits versiegelten Flächen in Betracht kommen.“ 2. Herabstufung von „10.2-1 Ziel Halden und Deponien als Standorte für die Nutzung erneuerbarer Energien“ auf einen Grundsatz der Raumordnung. 3. Textliche Änderung in „10.2-5 Ziel Solarenergienutzung“ von „Die Inanspruchnahme von Freiflächen für die raumbedeutsame Nutzung der Solarenergie ist zu vermeiden. […]“ in „Die Inanspruchnahme von Flächen für die raumbedeutsame Nutzung der Solarenergie ist möglich, wenn der Standort mit der Schutz- und Nutzfunktion der jeweiligen Festlegung im Regionalplan vereinbar ist […]“ Ein Jahr nach Inkrafttreten ist es an der Zeit Bilanz zu ziehen, ob die LEP-Änderungen die intendierten Wirkungen erzielt haben. 1 https://www.wirtschaft.nrw/Daten_Fakten_Entfesselungspaketzwei LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10722 2 Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4094 mit Schreiben vom 24. August 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Verkehr sowie der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Wie hat sich die Nutzung der Freiflächen-Photovoltaik in NRW in den Jahren 2017 bis 2020 entwickelt? (Bitte Anzahl, jeweilige Leistung in Megawatt (peak) und Standort der neuinstallierten Freiflächen-Photovoltaikanlagen in den Jahren 2017, 2018, 2019 sowie im ersten Halbjahr 2020 angeben) Die installierte Leistung sowie die Anzahl der neuinstallierten Freiflächenanlagen werden in der folgenden Tabelle 1 aufgeführt (bei den Angaben für das Jahr 2020 handelt es sich um vorläufige Daten). Demzufolge sind im genannten Zeitraum insgesamt 74 Anlagen mit einer installierten Leistung von 31,6 MW in Betrieb genommen worden. Tabelle 1: Neuinstallierte PV-Freiflächenanlagen in Nordrhein-Westfalen 2017-2020 (1. HJ) Installierte Leistung [MWp] Anzahl der Anlagen 2017 0,8 3 2018 3,9 8 2019 16,2 38 1. HJ 2020 10,8 25 Summe 31,6 74 Quelle: LANUV Die Standorte der Anlagen werden in Tabelle 2 nach Planungsregionen aufgelistet. Tabelle 2: Neuinstallierte PV-Freiflächenanlagen in Nordrhein-Westfalen 2017-2020 (1. HJ) nach Planungsregion Planungsregion Installierte Leistung [MWp] Anzahl der Anlagen Arnsberg 5,9 16 Detmold 7,4 19 Düsseldorf 0,8 7 Köln 2,1 9 Münster 10,9 12 Regionalverband Ruhr 4,6 11 Quelle: LANUV 2. Wie bewertet die Landesregierung, vor dem Hintergrund der sich aus der Antwort auf die Frage 1 ergebenden Daten, die Wirksamkeit der die Freiflächen- Photovoltaik betreffenden LEP-Änderungen? Der Ausbau von PV-Freiflächenanlagen ist seit dem Jahr 2019 im Vergleich zu den Vorjahren sowohl bei der Anzahl als auch bei der installierten Leistung der Anlagen angestiegen. Dafür ist eine Vielzahl von Rahmenbedingungen relevant wie z.B. die Modalitäten im Rahmen der Ausschreibungen im EEG. Die im August 2019 in Kraft getretenen Änderungen des Landesentwicklungsplans in Bezug auf die Freiflächen-Photovoltaik tragen zu dieser Entwicklung ebenfalls bei. Dabei ist zu beachten, dass der Landesentwicklungsplan als eine LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10722 3 der zentralen Grundlagen für die nachgeordnete Regional- und kommunale Bauleitplanung seine Wirkung verstärkt mittel- und langfristig entfaltet. 3. Sieht die Landesregierung, vor dem Hintergrund der sich aus der Antwort auf die Frage 1 ergebenden Daten, weitere Hemmnisse für die stärkere Nutzung der Freiflächen-Photovoltaik in NRW? Im Rahmen einer Umfrage der EnergieAgentur.NRW unter relevanten Akteuren wurde kritisiert, dass bei Anlagen, die einen Zuschlag im Rahmen der Ausschreibungen erhalten, kein Eigenverbrauch des produzierten Stroms möglich ist. Ein weiteres Hemmnis wird im Flächendruck in Nordrhein-Westfalen gesehen, der die Pachtpreise entsprechend treibt und potenzielle Projekte gegenüber Projekten in anderen Bundesländern weniger konkurrenzfähig macht. Auch die vergleichsweise geringere Solareinstrahlung beeinflusst die Konkurrenzfähigkeit der Projekte. 4. Mit welchen Maßnahmen wird die Landesregierung, vor dem Hintergrund der sich aus der Antwort auf die Frage 1 ergebenden Daten, neben dem angekündigten „Entwicklungs- und Vermarktungskonzeptes“ für die Nutzung der Randstreifen von Autobahnen und überregionalen Schienenverbindungen, die Realisierung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen in NRW erleichtern? Die Realisierung von PV-Freiflächenanlagen entlang von Bundesauto-bahnen und überregionalen Schienenverbindungen ist im Rahmen des EEG grundsätzlich möglich und unter den dort genannten Bedingungen förderfähig. Unterstützend liefert die Landesregierung mit der Überarbeitung der Potenzialstudie zu PV-Freiflächenanlagen und die Integration der Flächen in das landesweite Solarkataster durch das LANUV eine öffentlich zugängliche Informationsquelle, die als Planungsgrundlage für die Umsetzung von PV-Freiflächenanlagen herangezogen werden kann. Darüber hinaus bietet die EnergieAgentur.NRW im Auftrag der Landesregierung eine Erstberatung hinsichtlich der Planung, Konzeption und Umsetzung von PV-Freiflächenanlagen an. 5. Es setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass Freiflächen- Photovoltaikanlagen wirksame Beiträge zu Arten- und Naturschutz leisten können. So fordern die regierungstragenden Fraktionen im Bayerischen Landtag gar den Verzicht auf ökologische Ausgleichsflächen für derartige Anlagen. Dadurch dürften die Gebote aus Bayern in den Photovoltaikausschreibungen weiter an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Inwiefern hält die Landesregierung es vor diesem Hintergrund für angezeigt, ihre Position zu Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen zu überdenken? Die Notwendigkeit zur Durchführung von vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Artenschutz ergibt sich aus den Artenschutzbestimmungen des § 44 Bundesnaturschutzgesetz. Diesbezüglich steht den Bundesländern keine Abweichungskompetenz zu. Daher ist im jeweiligen Planungs- und Genehmigungsverfahren im Zuge einer Artenschutzprüfung (ASP) einzelfallbezogen zu klären, inwiefern die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote betroffen sind. Sofern sich bei dieser Prüfung herausstellt, dass keines der vier Verbote erfüllt ist, kann auf vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen verzichtet werden.