LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10723 24.08.2020 Datum des Originals: 24.08.2020/Ausgegeben: 28.08.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4110 vom 21. Juli 2020 des Abgeordneten Christian Loose AfD Drucksache 17/10289 Solarturm Jülich Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das Institut für Solarforschung wird bei der Erprobung eines Solarturm-Kraftwerks in Jülich von Bund und Land gefördert.1 Die Nennleistung dieses Projekts liegt bei 1,5 MW. Insgesamt beträgt die Fördersumme für den Solarturm 34 Mio. Euro, von denen 5 Mio. Euro Landesanteil sind.2 Der Solarenergieförderverein kritisierte bereits im Jahre 2006, dass es sich bei der Standortwahl in Jülich um „eine Verschwendung staatlicher Mittel“ 3 handelt, da die Forschung für den Standort Deutschland ungerechtfertigt ist. Zum einen lässt sich der hohe Flächenverbrauch kaum realisieren; zum anderen sind die hiesigen Klima- und Umgebungsbedingungen für diese Art der Technologie nicht geeignet. Als Standort für eine Forschung mit dem Ziel eines späteren realen Einsatzes zur Energiegewinnung in südlicheren Ländern mit konstanter Sonneneinstrahlung eignet Jülich sich ebenfalls nicht, da die Realbedingungen einer Dauereinstrahlung auf den Receiver oder des Staubabfalls auf die Heliostatspiegel hierzulande nicht gegeben sind. Der Turm benötigt für den Betrieb Heliostate, welche eine Fläche von etwa 10 Hektar einnehmen, und soll bis zu 1,5 MW liefern.4 Zum Vergleich: Das Sonnenwärmekraftwerk Ivanpah in Kalifornien liefert mit 392 MW mehr als das 260-fache an Leistung, auf einer gerade einmal 17,5-mal so großen Fläche von 14 Quadratkilometern des Solarturms in Jülich.5 1 Vgl. https://www.dlr.de/sf/desktopdefault.aspx/tabid-8560/15527_read-44867/, abgerufen am 02.06.2020 um 12:20 Uhr. 2 Vgl. https://www.dlr.de/sf/PortalData/73/Resources/dokumente/publikationen_medien/ energieagentur_nrw/Solarthermische_Kraftwerke._Know-how_aus_NRW._ (NRW_EnergieAgentur_12-2012).pdf, abgerufen am 02.06.2020 um 12:20 Uhr. 3 http://www.sfv.de/lokal/mails/wvf/solartur.htm, abgerufen am 02.06.2020 um 14:00 Uhr. 4 Vgl. https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/energie/deutscher-solarturm-algerischewuestenstadt -strom-versorgen/, abgerufen am 03.06.2020 um 9:45 Uhr. 5 Vgl. https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/kalifornien-weltgroesstes-solarturm-kraftwerkgeht -in-betrieb-a-953685.html, abgerufen am 03.06.2020 um 10:15 Uhr. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10723 2 Der geplante Turm soll etwa 1 Mio. kWh (0,001 TWh) Strom pro Jahr liefern.6 Der jährliche Strombedarf in NRW liegt bei etwa 133 TWh.7 In Jülich wird nun ein weiterer Solarturm gebaut.8 Die Energieagentur NRW hebt in diesem Zusammenhang den Wärmespeicher hervor, welcher die erzeugte Wärme über viele Stunden speichern könne.9 Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4110 mit Schreiben vom 24. August 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Welche Forschungsziele des Projekts hat die Landesregierung (im Zuge ihrer finanziellen Beteiligung) bis zu welchem Zeitpunkt erwartet bzw. erreicht? Seitens des Landes Nordrhein-Westfalen wurde das Projekt der Stadtwerke Jülich „Solarthermisches Versuchs- und Demonstrationskraftwerk Jülich (STJ)“ mit einer Landeszuwendung in Höhe von 5 Mio. Euro gefördert (Laufzeit vom 19.12.2005 bis 31.10.2010). Das Forschungsziel war die Demonstration der Funktionsfähigkeit eines neuartigen Luftreceivers im Kontext eines vollständigen solaren Kraftwerksbetriebs. Dieses Ziel wurde am Ende des Vorhabens erreicht. Das Versuchskraftwerk (Solarturm) wurde aufgebaut, in Betrieb genommen und die Funktionsfähigkeit bis zum Projektende nachgewiesen. Die Ergebnisse flossen z.B. in Bewerbungen für den Bau solarthermischer Kraftwerke weltweit mit Beteiligung von deutschen Unternehmen ein. Im anschließenden Projekt „Start-SF“ wurde der Aufbau des DLR-Instituts für Solarforschung verbunden mit der Übernahme des Versuchskraftwerkes durch das DLR mit rund 15 Mio. Euro vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert (Laufzeit 01.01.2011 – 31.12.2016). Auch dieses Vorhaben wurde erfolgreich abgeschlossen. Bei entsprechenden Forschungsprojekten wurde der vollständige solare Kraftwerkskreislauf sowohl in dieser Zeit als auch anschließend betrieben. Darüber hinaus wurden in den Folgejahren weitere Forschungsprojekte im bzw. mit dem Solarturm durchgeführt, die z.B. der Optimierung des Spiegelfeldes, der Receiver- und Speichertechnologie und der Kraftwerksführung vor allem hinsichtlich der Effizienzsteigerung und zukünftigen Kostenreduktion solarthermischer Kraftwerke dienten. Je nach Vorhaben kamen dabei Fördermittel des Landes, des EFRE-Fonds und/oder des Bundes zum Einsatz. Da der Solarturm mittlerweile den Anforderungen für Forschungsprojekte nicht mehr genügt, wurde im Juli 2020 in unmittelbarer Nähe ein so genannter Multifokusturm eröffnet, der auf drei Ebenen hochflexible Testmöglichkeiten für Technologien zur Nutzung von konzentrierter Sonnenstrahlung bietet. Dieses Vorhaben des DLR wird durch das Land Nordrhein-Westfalen mit einer Landeszuwendung in Höhe von 5,27 Mio. Euro gefördert (Laufzeit 17.08.2015 - 31.12.2020). Beim Multifokusturm handelt es sich nicht um ein Kraftwerk, sondern um drei Versuchsebenen, um parallel verschiedene Receiver- und Reaktortests durchführen zu können und der gestiegenen Nachfrage nach Testkapazität Rechnung zu tragen. Die 6 Vgl. http://www.bine.info/publikationen/publikation/solarthermische-kraftwerke-werden-praxis/ andasol-i-das-erste-parabolrinnenkraftwerk-in-europa/, abgerufen am 03.06.2020 um 10:20 Uhr. 7 Vgl. http://www.energymap.info/energieregionen/DE/105/117.html, abgerufen am 02.06.2020 um 15:15 Uhr. 8 Vgl. https://www.iwr.de/news.php?id=36242, abgerufen am 02.06.2020 um 16:00. 9 Vgl. https://www.energieagentur.nrw/klimaexpo/solarturm-juelich, abgerufen am 03.06.2020 um 11:15 Uhr. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10723 3 Bedeutung der Anlage reicht weit über Nordrhein-Westfalen hinaus. Sie dient als Pilotanlage für Kraftwerke in Regionen mit hoher Sonneneinstrahlung wie beispielsweise Südeuropa und Nordafrika. Die Forschungen des DLR zu solarthermischen Kraftwerken in Jülich bieten damit wertvolle Erkenntnisse für das Energiesystem der Zukunft, die durch NRW-Firmen international genutzt werden. 2. Als wie zweckmäßig schätzt die Landesregierung den Standort Jülich für einen Solarturm zu Forschungszwecken ein, wenn man berücksichtigt, dass dieser Standort weder hinsichtlich der Sonneneinstrahlung noch der Staubablagerung den Verhältnissen eines späteren Einsatzes an Standorten unter Wüstenbedingungen entspricht? Aus Sicht der Landesregierung ist Jülich ein geeigneter Standort für ein solarthermisches Versuchs- und Demonstrationskraftwerk. Die Strahlungsintensitäten sind am Standort Jülich vergleichbar mit denen in Wüstenregionen. Der Unterschied liegt in der Anzahl an Sonnenstunden. Für einen Versuchsbetrieb sind diese jedoch völlig ausreichend. Die Staubablagerungen sind an jedem Standort auf der Welt anders, sie haben aber letztlich nur einen Einfluss auf die Reinigungszyklen der Spiegelflächen. Jülich bietet zudem ein unterstützendes Forschungsumfeld für die Durchführung von Projekten. 3. Wie hoch sind die Leistung und die Leistungsdauer, die durch die Keramikspeicherung im Fall einer sog. Dunkelflaute abgerufen werden können? Die elektrische Nennleistung der Anlage beträgt 1,5 MW und die Leistungsdauer ca. 1,5 Stunden. Es handelt sich um ein Versuchskraftwerk, das nicht am Stromerzeugungsmarkt teilnimmt und somit nicht im Falle einer sog. Dunkelflaute zur Verfügung steht. 4. Wie viele Solartürme mit welcher Fläche (jeweils und insgesamt) würden in NRW rechnerisch benötigt, um den Strombedarf des Landes für eine Woche zu decken (für den Fall einer Dunkelflaute, ohne dass andere Speicher und Kraftwerke zur Verfügung stehen)? Bei dem Solarturm in Jülich handelt es sich um ein solarthermisches Versuchs- und Demonstrationskraftwerk, welches lediglich zu Forschungszwecken und nicht zur Deckung des Strombedarfs in einer Dunkelflaute zur Verfügung steht. 5. Inwiefern ergeben sich durch die Förderung des Solarturms Ansprüche des Landes NRW bzgl. der Vermarktung oder entstehenden Forschungs- Entwicklungen in Form von Patenten o.ä.? Im Rahmen der Förderung von Forschung und Entwicklung sind Ansprüche des Zuwendungsgebers bezüglich der Vermarktung von Ergebnissen grundsätzlich nicht vorgesehen.