LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10727 24.08.2020 Datum des Originals: 24.08.2020/Ausgegeben: 28.08.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4123 vom 23. Juli 2020 der Abgeordneten Lisa-Kristin Kapteinat SPD Drucksache 17/10312 Einheitliches Vorgehen im Umgang mit der COVID-19-Pandemie bei den Justizvollzugsanstalten zum Schutz von Beschäftigten und Bevölkerung Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In Nordrhein-Westfalen existieren 36 Justizvollzugsanstalten mit mehr als 18.000 Plätzen und fünf Jugendarrestanstalten mit mehr als 250 Plätzen. Dort sind derzeit etwa 16.000 Gefangene untergebracht, für die über 8.000 Beschäftigte des Landes verantwortlich sind.1 Die Beschäftigten im Justizvollzug leisten nicht erst seit der Corona-Krise wichtige, gesellschaftlich wertvolle Arbeit. Sie verantworten nicht nur die Aufsicht der Strafgefangenen, sondern fördern aktiv deren Resozialisierung, bspw. durch schulische und berufliche Bildung. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten im Justizvollzugsdienst ist ein hohes Gut. Der Corona-Ausbruch beim Fleischbetrieb „Tönnies“ im Kreis Gütersloh, bei dem über 1.500 Menschen positiv auf COVID-19 getestet wurden, hat gezeigt: Insbesondere an Orten mit Menschenansammlungen auf engem Raum ist ein einheitliches und klar kommuniziertes Vorgehen zur Vermeidung und Eindämmung von COVID-Infektionen notwendig. Dazu bedarf es auch einer landesweit einheitlichen Anleitung der Beschäftigten im Justizvollzug durch übergeordnete Stellen. Die Landesregierung ist daher angehalten, ihrer Fürsorgepflicht und Verantwortung gegenüber den Beschäftigten im Justizvollzug und der Bevölkerung nachzukommen. In den Justizvollzugs- und Jugendarrestanstalten des Landes darf es nicht aufgrund eines uneinheitlichen Vorgehens zu massenhaften COVID-19-Infektionen kommen. Der Minister der Justiz hat die Kleine Anfrage 4123 mit Schreiben vom 24. August 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. 1 Vgl. Internetauftritt der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen: https://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/zahlen_fakten/index.php; (zuletzt abgerufen am 14.07.2020). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10727 2 1. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die Beschäftigten im Justizvollzug entsprechend ihrer Fürsorgepflicht wirksam vor einer Infektion mit COVID-19 zu schützen? 2. Inwieweit stellt die Landesregierung den Beschäftigten im Justizvollzug einheitliche Handlungsleitfäden zur Verfügung, die Orientierung geben, wie sich Beschäftigte bei Auftreten eines COVID-19-Falles bei einem Gefangenen zu verhalten haben? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam wie folgt beantwortet: Nach einer Phase der Beschränkung des Dienstbetriebs auf das zwingend erforderliche Maß wird in der Justiz der reguläre Dienstbetrieb derzeit - parallel zur Entwicklung des Infektionsgeschehens - schrittweise wieder aufgenommen: Mit Erlass vom 23. April 2020 hat das Ministerium der Justiz den Obergerichten und Mittelbehörden sowie den Justizvollzugseinrichtungen hierzu Hinweise und Empfehlungen gegeben. Um Infektionsquellen und -risiken soweit wie möglich zu reduzieren, wurde insbesondere um Beachtung der Empfehlungen des Robert Koch-Instituts in der jeweils geltenden Fassung gebeten, allen voran der Abstandsregel und der Empfehlungen zur Händehygiene. Mit Erlass vom 29. April 2020 wurde noch einmal auf die zu beachtenden Abstands- und Hygieneregeln hingewiesen und gleichzeitig empfohlen, bei Nichteinhaltung des Abstandes einen Mund-Nasen-Schutz oder eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Aufgrund der mit Erlass des Ministeriums der Justiz vom 7. Mai 2020 getroffenen Regelungen zum Infektionsschutz sollen neu aufgenommene Gefangene im geschlossenen Vollzug auch weiterhin die ersten 14 Tage in Zugangsquarantäne untergebracht werden, sodass eine Verbreitung des Coronavirus in den Anstalten vermieden wird. Mit Erlass vom 19. Mai 2020 hat das Ministerium der Justiz Empfehlungen zum Umgang mit Personen mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf gegeben. Insbesondere unter Bezugnahme auf die Informationen und Hilfestellungen des Robert Koch-Instituts für Personen mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-19- Krankheitsverlauf i.d.F. vom 13. Mai 2020 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogruppen.html) sei hinsichtlich der dort genannten Grunderkrankungen und des unterdrückten Immunsystems für die Einstufung in eine Risikogruppe die Vorlage eines ärztlichen Attestes erforderlich, das eine individuelle Risikofaktoren-Bewertung nach RKI ermögliche. Sei eine Risikogruppeneinstufung belegt, habe der zuständige Dienstvorgesetzte eine - ggfls. auch arbeitsmedizinisch unterstützte - Begutachtung vorzunehmen mit dem Ziel, eine Präsenz am Dienstort durch arbeitsschutzbegleitende Maßnahmen zu ermöglichen, die der Begutachtung entsprächen. Kämen solche Maßnahmen nicht oder nicht vollständig in Betracht, sei die Möglichkeit einer Home Office-Tätigkeit zu prüfen. Die Begutachtung finde im Dialog mit dem Beschäftigten und ggfs. dem Arzt statt. Mit Erlass vom 30. Juni 2020 wurde der Geschäftsbereich und damit auch die Justizvollzugseinrichtungen unterrichtet, dass zukünftig der reguläre Dienstbetrieb die Regel sein solle, von der allerdings in begründeten Einzelfällen Ausnahmen möglich seien. Dies sei unter Beachtung ggf. regionaler Besonderheiten durch die Mittel- bzw. Ortsbehörden in eigener Verantwortung zu regeln. Unverändert gelte weiterhin die Einhaltung der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10727 3 Abstandsregel von 1,5 m zu anderen Personen. Die Arbeitszeit werde spätestens zum 12. August 2020 (Beginn der Schulzeit in NRW nach den Sommerferien) flächendeckend erfasst. Die Bewilligung von Tele- oder Heimarbeit habe sich nach den geltenden Dienstvereinbarungen auszurichten. Darüber hinausgehend könne im Einzelfall, wenn z. B. die Einhaltung des Mindestabstandes anders nicht gewährleistet werden könne, Tele- oder Heimarbeit bewilligt werden. Weitere Ausnahmen, etwa zur Sicherstellung der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftiger Personen, seien denkbar und auf örtlicher Ebene zu regeln. Seit Beginn der Pandemie sind im Geschäftsbereich des Justizvollzuges 35 Bedienstete positiv auf COVID-19 getestet worden. Alle positiv getesteten Bediensteten sind inzwischen genesen. 3. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung bisher ergriffen, um die örtlichen Gesundheitsämter zu befähigen, den Beschäftigten im Justizvollzug einheitliche Handlungsleitfäden im Umgang mit COVID-19 zur Verfügung stellen? Die Justizvollzugsanstalten wurden gleich zu Beginn der Corona-Pandemie darauf hingewiesen, jegliche, im Zusammenhang mit der Pandemie stehenden Präventions- und Notfallmaßnahmen nur in enger Abstimmung mit den örtlich zuständigen Gesundheitsämtern zu veranlassen. 4. Welche Absprachen existieren zwischen den örtlichen Gesundheitsämtern mit dem Ziel einer landesweit einheitlichen Handlungsstrategie zur Vermeidung und Eindämmung von COVID-19-Fällen im Justizvollzug? Absprachen zwischen den örtlichen Gesundheitsämtern mit dem Ziel einer landesweit einheitlichen Handlungsstrategie zur Vermeidung und Eindämmung von COVID-19-Fällen im Justizvollzug sind mir nicht bekannt. 5. In welchem Maße findet zwischen dem Ministerium der Justiz und dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales ein Informationsaustausch statt mit dem Ziel, für die Beschäftigten im Justizvollzug einen landesweit einheitlichen Handlungsrahmen zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie durch einen Erlass vorzugeben? Das Ministerium der Justiz hat gleich zu Beginn der Corona-Pandemie das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales gebeten, die örtlichen Gesundheitsämter auch auf mögliche Verdachts- und Erkrankungsfälle in den nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten hinzuweisen und diese um eine Kontaktaufnahme zur jeweiligen Leitung der Justizvollzugsanstalten in ihren jeweiligen Bezirken zu bitten, um vor allem für die Fälle dringender Kontaktaufnahme die Erreichbarkeit der zuständigen Gesundheitsämter für die einzelnen Justizvollzugsanstalten zuverlässig sicherzustellen.