LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10750 27.08.2020 Datum des Originals: 26.08.2020/Ausgegeben: 02.09.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4121 vom 22. Juli 2020 der Abgeordneten Johannes Remmel, Norwich Rüße und Mehrdad Mostofizadeh BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/10310 Wann hat die Landesregierung das „Kooperationsprinzip“ gegenüber der Firma Tönnies beendet? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut eines Schreibens des Bürgermeisters der Stadt Rheda-Wiedenbrück hat es zwischen der Landesregierung und dem Kreis Gütersloh Verabredungen darüber gegeben, die Fleischproduktion der Firma Tönnies als systemrelevant einzustufen und infolgedessen nicht auf die Durchsetzung aller Corona-Schutzmaßnahmen in der Firma zu dringen. In dem Schreiben heißt es wörtlich: „Der Kreis Gütersloh und das Land NRW haben in Abstimmung festgestellt, dass Tönnies einen Versorgungsauftrag als Unternehmen mit kritischer Infrastruktur hat, was dazu führt, dass nicht an allen Stellen der Mindestabstand gewährleistet werden kann, um die notwendige Produktion fortzusetzen. Der Schutz der Mitarbeitenden wird, so Tönnies, aber auch unter diesen Voraussetzungen bestmöglich gewährleistet.“1 In dem Schreiben wird darauf hingewiesen, dass die Antworten durch die Firma Tönnies vorgeklärt worden sind. Gesundheitsminister Laumann führte in der Fragestunde2 am 24.06.2020 im Landtag in Bezug auf die Firma Tönnies aus: „Ich habe bewusst nicht das Gespräch mit Tönnies gesucht. Ich habe mit Herrn Tönnies nach den Fleischproblemen in Coesfeld zweimal telefoniert; er hat mich angerufen. Einmal war er bei mir im Büro. Das war aber nach dieser großen Kontrollaktion im Jahre 2019. Ich habe das auch deswegen nicht gemacht – er hat darüber hinaus auch nicht versucht, mich anzurufen, um das auch zu sagen –, weil mir ganz wichtig ist, dass ich in diesem Zusammenhang nicht in einen engeren Zusammenhang mit den Unternehmensinhabern gebracht werde.“ Ministerpräsident Laschet hingegen betonte in der Pressekonferenz am 30.06.2020: „Die Zeit, dass man da kooperiert, da es möglicherweise in der Vergangenheit mal der Fall gewesen sein mag, ist vorbei. Hier wird jetzt streng nach Recht und Gesetz verfahren.“3 1 https://gruene-rhedawiedenbrueck .de/userspace/NW/ov_rheda_wiedenbrueck/Presseartikel/20200504_Antwort_Frakt._B9 0_Die_Gruenen_Toennies_Schutzmassnahmen.pdf 2 http://landtag/home/aktuelles-presse/parlaments-tv/video.html?kid=55ae203d-6379-453b-8a4bc 752dd58a605&t=24023 3 https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/laschet-entkanzlert-100.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10750 2 Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4121 mit Schreiben vom 26. August 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Naturschutz und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Bereits in der Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales am 25. Juni 2020 wurde seitens der Landesregierung umfassend erläutert, dass das in der Kleinen Anfrage zitierte Schreiben der Stadt Rheda-Wiedenbrück unzutreffend den Eindruck vermittelt, es habe Absprachen der Landesregierung mit der Firma Tönnies zum Verzicht auf Abstandsregelungen wegen einer Einstufung als „kritische Infrastruktur“ gegeben. Die Landesregierung hat eine solche Aussage niemals getroffen. Da ausweislich des Sitzungsprotokolls einer der Fragesteller bei der Sitzung anwesend war, wird zum Sachverhalt auf die dortigen Darlegungen (APr 17/1065 ab Seite 13 unten) verwiesen. Weite Teile der Keine Anfrage betreffen zudem Fragestellungen, die bereits mit den Antworten zu den Kleinen Anfragen 4007 und 4010 (LT-Drs. 17/10323 und 10324). beantwortet wurden. Auch auf diese Antworten wird verwiesen. 1. Welche Sachverhalte lagen der Aussage des Ministerpräsidenten in der Pressekonferenz vom 30.06.2020 „Die Zeit, dass man da kooperiert, […] ist vorbei.“ zugrunde? Es wird auf die Beantwortung der inhaltsgleichen Frage 2 der Kleinen Anfrage 4007 (Drucksache 17/10323) verwiesen. 2. In welchen konkreten Verabredungen ist das „Kooperationsprinzip“ in Bezug auf die Firma Tönnies zur Anwendung gekommen? 3. In welchen konkreten Verabredungen ist das „Kooperationsprinzip“ mit weiteren Unternehmen und Institutionen zur Anwendung gekommen? Die Fragen 2 und 3 werden zusammen beantwortet. Seitens der Landesregierung wurden mit den Vertretungen der großen Schlachthöfe Vereinbarungen zugunsten der Beschäftigten und Werkvertragsarbeitnehmer – insbesondere zur freiwilligen Einführung einer verbindlichen digitalen Zeiterfassung – angestrebt, die aber aufgrund der Entwicklungen während der Coronapandemie und der jetzt angestrebten bundesgesetzlichen Regelungen nicht abgeschlossen wurden. Im Übrigen obliegt es der örtlichen zuständigen Behörde, im Einzelfall zu entscheiden, welche arbeitsschutzrechtlich gebotenen Maßnahmen von dem Betrieb freiwillig – also aufgrund von Absprachen und Vereinbarungen – umgesetzt werden und wo es stattdessen ordnungsbehördlicher Anordnungen bedarf. In beiden Fällen geht es dabei ausschließlich und uneingeschränkt um die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben. Die Entscheidungen der örtlichen Behörden sind jeweils bezogen auf das konkrete Unternehmen in der täglichen Überwachungspraxis in einer Vielzahl von Einzelfällen zu treffen und werden nicht auswertbar erfasst. Sie können daher im Rahmen einer Keinen Anfrage nicht dargestellt werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10750 3 Bezogen auf die Firma Tönnies berichtet die zuständige Bezirksregierung Detmold, dass das verwaltungsrechtliche Handeln durch das Direktionsprinzip geprägt ist. Daher wird die Firmengruppe Tönnies entsprechend der arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben überwacht. 4. Bezüglich welcher Sachverhalte wird die Landesregierung zukünftig Recht und Gesetz anwenden statt nach dem „Kooperationsprinzip“ zu verfahren? Egal welcher Handlungsform sich die öffentliche Verwaltung bedient, sie ist stets an Recht und Gesetz gebunden. 5. Hat die Anwendung des „Kooperationsprinzips“ gegenüber der Firma Tönnies dazu geführt, dass die Firma Tönnies nun berechtigte Hoffnung hat, nach Recht und Gesetz Anspruch auf Lohnkostenerstattung nach der Festlegung der Quarantänemaßnahmen zu bekommen? Aus den zur Frage gennannten Gründen hat die Wahl der Form des Verwaltungshandelns keine rechtlichen Auswirkungen auf etwaige rechtliche Folgefragen.