LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10793 31.08.2020 Datum des Originals: 31.08.2020/Ausgegeben: 04.09.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4212 vom 11. August 2020 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/10529 Warum werden naturschutzrechtliche Verstöße in NRW nicht ausreichend sanktioniert? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das Naturschutzrecht schützt unsere Landschaften nur, wenn es auch befolgt und umgesetzt wird und Verstöße konsequent sanktioniert werden. Kommt es zu groben Verstößen, können diese als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld oder sogar als Straftat mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden. Diese Regelungen zum Schutz und zur Bestrafung sind auch essentiell, um potentielle Täterinnen und Täter abzuschrecken. Dabei geht es insbesondere um den Schutz von Natur- und Landschaftsschutzgebieten, des Nationalparks und von Biotopen. Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten ist grundsätzlich die Aufgabe der Bundesländer, nur für die Verfolgung einiger Umweltstraftaten ist der Bund zuständig. Ob ein Verstoß gegen das Naturschutzrecht eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat ist, entscheidet sich nach der Schwere der Tat und ist gesetzlich festgelegt. Da alle Vorhaben für ein einheitliches Umweltgesetzbuch auf Bundesebene bislang gescheitert sind, verfügt jedes der 16 Bundesländer über einen eigenen Bußgeldkatalog im Naturschutzbereich. Hierbei fallen im Vergleich der Bundesländer große Unterschiede hinsichtlich der Bußgeldhöhe für einzelne Vergehen auf. In Thüringen wird das Töten oder Fangen wild lebender Tiere mit einer Geldstrafe in Höhe von bis zu 10.000 EUR bestraft, in NRW sind es dagegen nur 25 EUR und das Doppelte des wirtschaftlichen Wertes des Tieres. Wer in bayerischen Naturschutzgebieten Lärm erzeugt und damit Tiere in ihrem Lebensverhalten beeinträchtigt, muss mit einer Strafe von bis zu 2.500 EUR rechnen. In NRW sind es für den gleichen Tatbestand maximal 100 EUR. Und wer in Naturschutzgebieten verbotene Flächen bereitet oder befährt, muss im Freistaat mit bis zu 2.500 EUR Strafe rechnen, in NRW sind es maximal 750 EUR. Auch im Hinblick darauf, was überhaupt als Vergehen geahndet wird und bußgeldbewehrt ist, bestehen zwischen den Bundesländern große Unterschiede. In Hamburg kostet das Wegwerfen einer Zigarette bis zu 5.000 EUR und in Niedersachsen das Frei-Laufen-lassen von Hunden bis zu 1.000 EUR - beides Tatbestände, die in NRW im Bußgeldkatalog für Verstöße in Naturschutzgebieten nicht zu finden sind. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10793 2 Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4212 mit Schreiben vom 31. August 2020 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) enthält Ordnungswidrigkeitentatbestände insbesondere für Zuwiderhandlungen im Bereich des Artenschutzes. Die Länder können eine Ahndung weiterer Verstöße vorsehen. Nordrhein-Westfalen hat in § 77 Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG NRW) insbesondere Verstöße im Bereich des Gebietsschutzes geregelt. Bundes- und Landesrecht geben zudem Höchstbeträge für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten vor. Die konkrete Zumessung der Geldbuße richtet sich im Einzelfall nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Nordrhein-Westfalen hat – wie andere Bundesländer auch - zur Schaffung einer landesweit einheitlichen Praxis bei Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Umweltschutzes den „Bußgeldkatalog Umwelt“ erlassen. Dieser stellt eine Entscheidungshilfe bei der Bemessung einer Geldbuße für die zuständigen Behörden dar. Besonderheiten des konkreten Sachverhalts sind stets zu berücksichtigen und können nach Maßgabe des OWiG eine Abweichung von den Rahmensätzen erfordern. Gesetzlich sehr abstrakt gefasste Ordnungswidrigkeitentatbestände können in den Bußgeldkatalogen durch typische Beispielsfälle illustriert werden. Derartige Beispiele sind nicht abschließend. Stellt eine bestimmte Handlung nach den gesetzlichen Vorgaben eine Ordnungswidrigkeit dar, muss die zuständige Behörde prüfen, ob und wie der Verstoß durch ein Bußgeld geahndet werden kann, auch wenn die konkrete Handlung nicht im Bußgeldkatalog enthalten ist. Die ausgewählten Beispiele können sich von Land zu Land unterscheiden. 1. Wie viele Bußgelder wurden in NRW in den letzten zehn Jahren aufgrund von Verstößen gegen geltendes Naturschutzrecht verhängt? (Bitte tabellarisch auflisten nach Jahr, Vergehen und Höhe des verhängten Bußgeldes) Bußgelder werden durch die zuständigen unteren Naturschutzbehörden der Kreise und kreisfreien Städte verhängt. Die Daten der Bußgeldverfahren werden nicht auf Landesebene gespeichert. Eine Abfrage ergab, dass eine umfassende, landesweite Aufbereitung über die Bußgelder der letzten 10 Jahre in der zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich ist. 2. Im Bußgeldkatalog 20201 sind die Bußgelder für die jeweiligen Vergehen in NRW aufgelistet. Wie hat sich die Höhe der Bußgelder für die einzelnen Naturschutzvergehen in NRW in den letzten 10 Jahren entwickelt? (Bitte einzeln für jedes Vergehen auflisten) Der „Bußgeldkatalog Umwelt“ wurde letztmalig im Jahr 2006 aktualisiert und wird derzeit vollständig durch das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MULNV) überarbeitet. Die Veröffentlichung des aktualisierten „Bußgeldkatalogs Umwelt“ soll voraussichtlich Ende diesen Jahres erfolgen. Für 1 https://www.bussgeldkatalog.org/umwelt-naturschutz . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10793 3 den Sachbereich Abfallbeseitigung wurde bereits im vergangenen Jahr eine Aktualisierung vorgestellt. Da die Vollzugsbehörden bei der Festlegung der Bußgeldhöhen rechtlich verpflichtet sind, den gesetzlich vorgesehenen Bußgeldrahmen anzuwenden, handelt es sich bei den im „Bußgeldkatalog Umwelt“ festgelegten Bußgeldhöhen lediglich um eine Arbeitshilfe. Rückschlüsse auf die Höhe der tatsächlich verhängten Bußgelder sind daher – und aufgrund der Aktualisierungsbedürftigkeit des derzeitigen „Bußgeldkatalogs Umwelt“ – nur eingeschränkt möglich. Statistische Daten zur Bußgeldhöhe bei Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Naturschutzes werden bei den Bußgeldbehörden nicht erfasst und liegen dem MULNV nicht vor. 3. Wie beurteilt die Landesregierung, dass dieselben naturschutzrechtlichen Vergehen in anderen Bundesländern z.T. deutlich höher sanktioniert werden als in NRW? Im Rahmen der derzeit laufenden Überarbeitung des „Bußgeldkatalogs Umwelt“ wird auch die Höhe der in der Arbeitshilfe vorgeschlagenen Bußgelder geprüft und gegebenenfalls angepasst. 4. Plant die Landesregierung, die im Bußgeldkatalog von NRW genannten Naturschutzvergehen durch Gesetzesänderungen zu erweitern? (Antwort bitte begründen) 5. Wie passen die in NRW vergleichsweise niedrigen Bußgelder im Naturschutzbereich mit den Erklärungen der Landesregierung zusammen, Umwelt- und Naturschutzkriminalität wirksam bekämpfen zu wollen? Die Fragen 4 und 5 werden zusammen beantwortet. Der gesetzliche Bußgeldrahmen ist im BNatSchG und im LNatSchG NRW geregelt. Für die im BNatSchG geregelten Ordnungswidrigkeiten ist ein gesetzlicher Höchstbetrag von 50.000 Euro vorgesehen. Wie in den meisten anderen Bundesländern wird dieser Höchstbetrag auch für die im LNatSchG ergänzend geregelten Bußgeldtatbestände zu Grunde gelegt. Eine Änderung dieses landesgesetzlichen vorgesehenen Höchstbetrages ist derzeit nicht geplant Die aktuelle Überarbeitung des „Bußgeldkatalogs Umwelt“ soll die Vollzugsbehörden bei der rechtssicheren Verhängung von Bußgeldern unterstützen und so zur Gewährleistung einer wirksamen Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Umwelt- und Naturschutzrechts beitragen.