LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10830 07.09.2020 Datum des Originals: 07.09.2020/Ausgegeben: 11.09.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4093 vom 14. Juli 2020 der Abgeordneten Wibke Brems und Horst Becker BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/10198 Wie haben sich die Änderungen im Landesentwicklungsplan auf den Ausbau der Windenergie ausgewirkt? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Landesentwicklungsplan (LEP) wurde am 12. Juli 2019 vom Landtag beschlossen. Insbesondere drei Änderungen betreffen die Möglichkeiten für den weiteren Ausbau der Windenergie in NRW: 1. Streichung eines Halbsatzes in 7.3-1 Ziel Walderhaltung und Waldinanspruchnahme, der klarstellte, dass die Windenergienutzung unter bestimmten Voraussetzungen auf forstwirtschaftlich genutzten Flächen möglich ist. 2. Die Herabstufung von 10.2-2 Ziel Vorranggebiete für die Windenergienutzung auf einen Grundsatz, womit eine Ausweisung von Vorranggebieten in der Regionalplanung nicht mehr obligatorisch ist. 3. Die Änderung von 10.2-3 Grundsatz Umfang der Flächenfestlegungen für die Windenergienutzung in 10.2-3 Grundsatz Abstand von Bereichen/Flächen für Windenergieanlagen. Diesen Änderungen, die von vielen Sachverständigen in der Anhörung am 15. Mai 2019 im Landtag als hinderlich für den weiteren Ausbau der Windenergie in NRW angesehen wurden, stehen die Ausbauziele der Landesregierung laut Energieversorgungsstrategie gegenüber. In dieser kündigt die Landesregierung an, die installierte Leistung an Windenergieanlagen bis zum Jahr 2030 auf 10,5 Gigawatt nahezu zu verdoppeln. Die zentrale Begründung der Landesregierung für die Änderungen war neben dem Erhalt der Akzeptanz vor allem die Stärkung der kommunalen Entscheidungskompetenz: „Mit den Änderungen zur Standortfestlegung für die Nutzung erneuerbarer Energien sollen die Akzeptanz für die Nutzung der Windenergie erhalten und kommunale Entscheidungsspielräume gestärkt werden.“1 1 https://www.wirtschaft.nrw/sites/default/files/asset/document/lep-ae_-_begruendung_-_kbeschluss _19-02-2019.pdf LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10830 2 Ein Jahr nach Inkrafttreten der LEP-Änderungen ist es an der Zeit Bilanz zu ziehen, welche Wirkungen die LEP-Änderungen erzielt haben. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4093 mit Schreiben vom 7. September 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung hat im Bereich der Erneuerbaren Energien bereits zahlreiche Maßnahmen initiiert. Im Bereich der Windenergie wurden beispielsweise mit der letzten Novelle des Windenergie-Erlasses, der Überarbeitung des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen sowie den erfolgreichen Bundesratsinitiativen zur Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bezüglich Bürgerenergiegesellschaften oder zur Wiedereinführung der Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch diverse Maßnahmen zum Erhalt der Akzeptanz und zur Neuausrichtung der Windenergie in Nordrhein-Westfalen bereits erfolgreich umgesetzt. Auch die Maßnahmen des Entfesselungspaketes V aus Dezember 2019 zu Erneuerbaren Energien befinden sich bereits in Umsetzung oder sind schon abgeschlossen. Trotz nicht idealer Standortvoraussetzungen insbesondere im Vergleich zu den Küstenländern und gleichzeitig sehr dichter Besiedlung verfügt Nordrhein-Westfalen mit über 1.060 MW deutschlandweit über die meisten genehmigten Windenergieanlagen (WEA). Auch in den bisherigen 16 Ausschreibungsrunden für Windenergieanlagen an Land waren nach einer aktuellen Auswertung der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) WEA aus Nordrhein- Westfalen mit einer Leistung von über 1.328 MW erfolgreich (Stand: 13. Juli 2020). Nur Brandenburg hat bisher mehr Zuschläge erhalten. 1. Wie hat sich der Zubau der Windenergie in NRW in den Jahren 2017 bis 2020 entwickelt? (Bitte jeweils Anzahl und installierte Leistung neuinstallierter Anlagen sowie ausgestellter BImSchG-Genehmigungen für das Jahr 2017, 2018, 2019 sowie das erste Halbjahr 2020 angeben) Zur Beantwortung wird auf die nachfolgenden Tabellen sowie Erläuterungen verwiesen: Der Zubau der Windenergie wurde für die angefragten Jahre 2017 bis 2019 aus der Anlagendatenbank zum Energieatlas.NRW des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) exportiert (siehe Tabelle 1). Als Grundlage dient der LANUV-Anlagendatenbank dabei schwerpunktmäßig das Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur (BNetzA). Es werden nur durch die BNetzA als geprüft gekennzeichnete Daten übernommen und einer weiteren Qualitätskontrolle unterzogen, wodurch es zu kleinen Abweichungen im Vergleich zu den Meldungen im Marktstammdatenregister kommen kann. Die Daten zum bundesweiten Zubau sind den Publikationen der Fachagentur Windenergie an Land für die Jahre 2017 bis 2020 entnommen worden, die ihrerseits ebenfalls auf die Daten des Marktstammdatenregisters zurückgreift. Für das 1. Halbjahr 2020 liegen noch keine Daten in der LANUV-Anlagendatenbank vor. Für die Auswertung dieses Zeitraums wurden daher die Daten des Marktstammdatenregisters ohne weitere Bearbeitung übernommen. Diese Daten sind als vorläufig zu betrachten, da sie von der BNetzA als ungeprüft gekennzeichnet wurden und noch Fehler aufweisen können. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10830 3 Tabelle 1: Entwicklung Zubau Windenergie Nordrhein-Westfalen und bundesweit Jahr Zubau Windenergie NRW Bund Anzahl Leistung (MW) Anzahl Leistung (MW) 2017 323 900 1.849 5.486 2018 115 355 762 2.464 2019 37 125 282 958 2020 (1. Hj.) 27 70 186 587 Außerdem wurden durch das LANUV die im „Informationssystem Stoffe und Anlagen“ (ISA) der Umweltverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen hinterlegten Daten mit Stand vom 17. Juli 2020 zu immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ausgewertet (siehe Tabelle 2). Ein Abgleich der Leistungsangaben kann nicht erfolgen, da diese in ISA nicht systematisch für alle Anlagen erfasst werden. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass einzelne Kommunen keine vollständige Datenerfassung in ISA vornehmen und dass die Anzahl der BImSchG-Genehmigungen keinen direkten Rückschluss auf die Anzahl der genehmigten Einzelanlagen zulässt. Tabelle 2: Anzahl BImSchG-Genehmigungen WEA Jahr Anzahl Genehmigungen WEA 2017 37 2018 70 2019 124 2020 (1. Hj) 36 Um einen Überblick zu der Leistung der genehmigten WEA zu erhalten, wurde zudem auf eine Auswertung der FA Wind auf Basis der Datenregister der BNetzA zurückgegriffen, die insbesondere die für das Jahr 2019 aufgezeigte Tendenz der ISA-Daten bestätigt. Laut dieser aktuellen Auswertung der FA Wind (Stand: 13. Juli 2020) wurden in Nordrhein- Westfalen alleine in der ersten Jahreshälfte 2020 bisher über 235 MW genehmigt; nur Schleswig-Holstein weist im Vergleichszeitraum einen höheren Wert genehmigter Windenergieleistung auf. Im gesamten Jahr 2019 wurde in Nordrhein-Westfalen mit rund 460 MW deutschlandweit sogar die größte Windenergieleistung genehmigt. 2. Welche Kommunen haben seit Inkrafttreten der LEP-Änderungen Konzentrationszonen für die Windenergienutzung in ihrer Flächennutzungsplanung ausgewiesen bzw. bestehende Konzentrationszonenplanungen überarbeitet? (Bitte um tabellarische Darstellung zutreffender Kommunen unter Nennung von Kreis und Regierungsbezirk) 3. Mit welchen Ergebnissen wurden in den in der Antwort auf Frage 2 genannten Planungen forstwirtschaftlich genutzte Flächen bzw. der neu eingeführte Vorsorgeabstand zur Wohnbebauung berücksichtigt? (Bitte um detaillierte Angaben je Kommune) 4. Welche Kommunen haben seit Inkrafttreten der LEP-Änderungen begonnen, Konzentrationszonen für die Windenergienutzung in ihrer LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10830 4 Flächennutzungsplanung auszuweisen bzw. bestehende Konzentrationszonenplanungen begonnen zu überarbeiten? (Bitte um tabellarische Darstellung zutreffender Kommunen unter Nennung von Kreis und Regierungsbezirk) Die Fragen 2, 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Die Bauleitplanung und somit auch die Ausweisung von Konzentrationszonen obliegt den Städten und Gemeinden im Rahmen der ihnen verfassungsrechtlich garantierten Planungshoheit. Es besteht keine Verpflichtung der Städte und Gemeinden, Daten zu Konzentrationszonen der Landesregierung zu berichten. Der Landesregierung liegen keine aktuellen das Landesgebiet umfassenden statistischen Daten zu gemeindlichen Konzentrationszonenplanungen vor. 5. Sieht die Landesregierung vor dem Hintergrund der in der Antwort auf Frage 1 genannten Daten, die Notwendigkeit weitere Maßnahmen zu ergreifen, um den Zubau an neuer Windenergieleistung entsprechend ihres Ziels in der Energieversorgungsstrategie zu beschleunigen? Unabhängig von der Antwort auf Frage 1 wird darauf hingewiesen, dass aus Sicht der Landesregierung in den nächsten Jahren kontinuierlich weitere Maßnahmen erforderlich sind, um die Energieerzeugung aus Erneuerbaren Energien und deren nachhaltigen Ausbau akzeptanzgesichert, technologieoffen sowie markt- und systemintegrativ zu gestalten. Diese sind beispielsweise bereits in der Energieversorgungsstrategie NRW sowie im Entfesselungspaket V benannt. Zudem fand im Februar 2020 eine Gesprächsrunde zum Ausbau der Erneuerbaren Energien mit allen relevanten Akteuren statt. In diesem Zusammenhang wurden weiterhin bestehende, wesentliche Hemmnissen beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und Anregungen, mit welchen Maßnahmen der Zubau zielgerichtet vorangetrieben werden könnte, diskutiert. Dieser Austausch wird fortgesetzt. Hinzu kommt die durch das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie gemeinsam mit dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz eingesetzte Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien und Umwelt, in der zusammen mit externen Fachleuten sowie weiteren Ressorts und nachgeordneten Behörden konkrete Einzelthemen im Bereich der Erneuerbaren Energien im Detail besprochen werden.