LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10952 14.09.2020 Datum des Originals: 14.09.2020/Ausgegeben: 18.09.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4122 vom 22. Juli 2020 der Abgeordneten Johannes Remmel, Norwich Rüße und Mehrdad Mostofizadeh BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/10311 Wer? Wann? Mit wem? Welchen Austausch gab es zwischen Landesregierung und Behörden mit der Firma Tönnies? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Laufe der Corona-Krise kam es in Nordrhein-Westfalen, aber auch in anderen Bundesländern und weltweit immer wieder zu Infektionen in der Fleisch- und Schlachtbranche. Als Folge des Corona-Ausbruchs im Juni 2020 bei der Firma Tönnies in Rheda-Wiedenbrück mussten alle 7.000 Beschäftigten in Quarantäne und in den Kreisen Gütersloh und Warendorf wurden Kontaktbeschränkungen verhängt. Unklar ist bislang, welchen Zusammenhang es zwischen der Einstufung der Firma als systemrelevant und der Durchsetzung der Corona-Schutzmaßnahmen auf dem Werksgelände gibt. In einem Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Rheda-Wiedenbrück heißt es wörtlich: „Der Kreis Gütersloh und das Land NRW haben in Abstimmung festgestellt, dass Tönnies einen Versorgungsauftrag als Unternehmen mit kritischer Infrastruktur hat, was dazu führt, dass nicht an allen Stellen der Mindestabstand gewährleistet werden kann, um die notwendige Produktion fortzusetzen. Der Schutz der Mitarbeitenden wird, so Tönnies, aber auch unter diesen Voraussetzungen bestmöglich gewährleistet.“1. Dagegen hat Gesundheitsminister Laumann in der Fragestunde2 am 24.06.2020 im Landtag dargestellt, er habe bewusst nicht das Gespräch mit Tönnies gesucht: „Ich habe mit Herrn Tönnies nach den Fleischproblemen in Coesfeld zweimal telefoniert; er hat mich angerufen. Einmal war er bei mir im Büro. Das war aber nach dieser großen Kontrollaktion im Jahre 2019. Ich habe das auch deswegen nicht gemacht – er hat darüber hinaus auch nicht versucht, mich anzurufen, um das auch zu sagen –, weil mir ganz wichtig ist, dass ich in diesem Zusammenhang nicht in einen engeren Zusammenhang mit den Unternehmensinhabern gebracht werde.“ 1 https://gruene-rhedawiedenbrueck .de/userspace/NW/ov_rheda_wiedenbrueck/Presseartikel/20200504_Antwort_Frakt._B9 0_Die_Gruenen_Toennies_Schutzmassnahmen.pdf 2 http://landtag/home/aktuelles-presse/parlaments-tv/video.html?kid=55ae203d-6379-453b-8a4bc 752dd58a605&t=24023 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10952 2 Die Aussage von Ministerpräsident Laschet auf der Pressekonferenz am 30.06.2020 klingt anders: „Die Zeit, dass man da kooperiert, da es möglicherweise in der Vergangenheit mal der Fall gewesen sein mag, ist vorbei. Hier wird jetzt streng nach Recht und Gesetz verfahren.“3 Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4122 mit Schreiben vom 14. September 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Welche Kontakte hat es zwischen der Firma Tönnies und Vertreterinnen und Vertretern der Landesregierung und ihrer Ministerien im Zeitraum vom 25.02.2020 bis zum 18.06.2020 gegeben? (Bitte nach Datum aufschlüsseln.) 2. Welche Gesprächsinhalte hat es mit welchen Gesprächsergebnissen jeweils gegeben? (Bitte nach Datum aufschlüsseln.) Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet. Soweit der Fragesteller die Firma Tönnies benennt, legt die Landesregierung diese Formulierung dahingehend aus, dass hiermit die Unternehmensgruppe Tönnies Holding ApS & Co. KG in Rheda-Wiedenbrück gemeint ist. a) Herr Ministerpräsident hat seit dem Ausbruchsgeschehen bei Tönnies keine Gespräche geführt. Lediglich im Nachgang zum Ausbruch in Coesfeld gab es rund um den 19. Mai 2020 Gespräche zur Situation der Fleischindustrie. b) Herr Minister Prof. Dr. Pinkwart führte am 22. und 26. Mai 2020 Telefonate mit Herrn Clemens Tönnies über die aktuelle Situation in der Fleischindustrie. Außerdem erhielt Herr Minister Prof. Dr. Pinkwart am 22. Mai aus dem Büro von Herrn Clemens Tönnies in Kopie ein Schreiben, das an Herrn Bundesminister Heil gerichtet war. c) Im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) bestanden im gefragten Zeitraum mit der Firma die folgenden Kontakte: Am 13. März 2020 führte ein Beschäftigter der Leitungsebene des Ministeriums mit dem Justitiar und Geschäftsführer der Firma Tönnies Central Services GmbH & Co. KG ein Telefonat zu dem außergewöhnlichen Bedarf an Fleischprodukten aufgrund von aktuellen Hamsterkäufen und zu Möglichkeiten zur Ausdehnung der Produktionszeiten. Der Vertreter des Ministeriums machte deutlich, dass die Versorgungslage keinen hinreichenden Grund für Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz darstelle. Am 19. März 2020 und 24. März 2020 wandte sich der Justitiar per E-Mail an den Ansprechpartner im MAGS zu Aspekten der temporären Ausdehnung von den rechtlichen Arbeitszeitgrenzen für bestimmte Branchen mit Blick auf die seinerzeitige Versorgungslage. Der Vertreter des MAGS verwies darauf, dass Herr Minister Laumann großen Wert darauf lege, hier zu einer konsensualen Lösung mit den Sozialpartnern zu kommen, die zeitnah 3 https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/laschet-entkanzlert-100.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10952 3 umgesetzt werden sollte. Die Regelungen zu den Arbeitszeiten erfolgten letztlich auf Bundesebene durch eine Verordnung des BMAS. Herr Minister Laumann erhielt am 14. Mai 2020 ein Schreiben von Herrn Clemens Tönnies zum Thema „Gesetzesinitiative des BMAS zur Fleischwirtschaft“. Am selben Tag bat Herr Clemens Tönnies auch schriftlich um einen Telefontermin mit Herrn Minister Laumann zu dem Thema "derzeitige Diskussion um gesetzliche Neuregelungen rund um die Fleischindustrie“. Dieses Telefonat zwischen Herrn Minister Laumann und Herrn Clemens Tönnies fand am selben Tag statt. Einige Tage später führte Herr Minister Laumann auf telefonische Anfrage des Büros von Herrn Clemens Tönnies ein weiteres Telefonat mit Herrn Clemens Tönnies zur aktuellen Diskussion um die Fleischindustrie. Am 19. Mai 2020 erhielt Minister Laumann von Herrn Clemens Tönnies die Kopie des bereits oben unter b) genannten Schreibens an Bundesminister Heil. d) Im Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MUNLV) fanden in dem Zeitraum zwischen dem 25. Februar 2020 und 18. Juni 2020 verschiedene Kontakte zu Vertreterinnen und Vertretern der Unternehmensgruppe Tönnies statt. Das MUNLV führt auf Arbeitsebene mit Vertreterinnen und Vertretern der relevanten Unternehmen der nordrhein-westfälischen Fleischbranche - und damit auch der Unternehmensgruppe Tönnies - regelmäßig Gespräche zu Fragen der Lebensmittelsicherheit und Fleischhygiene, die auch im fraglichen Zeitraum durchgeführt wurden. Am 05. Mai 2020 fand unter Leitung von Ministerin Heinen-Esser und Staatssekretär Dr. Bottermann eine Videokonferenz mit Vertretern der gesamten Fachbranche, einschließlich des Lebensmitteleinzelhandels statt, bei der vorrangig die Vorbereitung und Weiterentwicklung des Tierwohlkennzeichens beziehungsweise der Initiative Tierwohl thematisiert wurden. An dieser Konferenz haben auch Vertreter der Unternehmensgruppe Tönnies teilgenommen, zu denen auch im Vorfeld des Termins auf Arbeitsebene des MAGS Kontakte bestanden. Nach der Videokonferenz führte Herr Staatssekretär Dr. Bottermann ein Telefonat mit Herrn Clemens Tönnies zu den dort aufgeworfenen Fragen. Frau Ministerin Heinen-Esser führte am 26. Mai 2020 ein Telefonat mit Herrn Clemens Tönnies zur Situation der Fleischwirtschaft. Im Zusammenhang mit dem Corona-Geschehen wurden auf Arbeitsebene regelmäßig, teilweise mehrmals wöchentlich Telefonate mit Vertreterinnen und Vertretern der Firma Tönnies zur aktuellen Situation geführt. Dabei ging es um Schlachtkapazitäten und um mögliche Auswirkungen auf die Tierhaltung durch verringerte Schlachtkapazitäten. Sowohl Vertreter der Firma Westfleisch als auch Vertreter der Unternehmensgruppe Tönnies haben die Fachebene regelmäßig über die Maßnahmen zur Wiederaufnahme der Schlachtung und Zerlegung unterrichtet. Darüber hinaus führten Frau Ministerin Heinen-Esser und Herr Staatssekretär Dr. Bottermann verschiedene Telefonkonferenzen mit Vertretern der Schlachtwirtschaft und der Landwirtschaft durch, um die Lage zu beraten und Lösungen zu entwickeln. Bei diesen Telefonkonferenzen waren die relevanten Betriebe der Fleischwirtschaft und somit auch der Unternehmensgruppe Tönnies vertreten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10952 4 e) Seitens der weiteren Ressorts bestanden in dem gefragten Zeitraum keine Kontakte zu Vertreterinnen und Vertretern der Unternehmensgruppe Tönnies. 3. Welche Kontakte hat es zwischen den Veterinärbehörden des Kreises und des Landes mit der Firma Tönnies mit welchen Gesprächsinhalten und -ergebnissen im Zeitraum vom 25.02.2020 bis zum 18.06.2020 gegeben? (Bitte nach Datum aufschlüsseln.) Vertreter des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz führten am 25. Februar 2020, am 26. Februar 2020 und am 06. März 2020 Kontrollen bei der Unternehmensgruppe Tönnies durch. Dabei handelte es sich um die Kontrolle einer Betäubungsanlage sowie zwei anlassbezogene Kontrollen im Rahmen des Marktordnungsrechts. Hinsichtlich der Beantwortung der Frage 3 bat das für die Beantwortung der Kleinen Anfrage federführende MAGS den Kreis Gütersloh um einen Bericht. Der Kreis hat wie folgt berichtet: Die Abteilung 2.3 des Kreises Gütersloh hat ein eigenes Sachgebiet am Standort der Unternehmensgruppe Tönnies in Rheda. Daher gab es seit dem 25. Februar 2020 nahezu arbeitstäglich Kontakt zwischen der Abteilung 2.3 und dem Lebensmittelunternehmer. Inhaltlich wurden in den Gesprächen auf Arbeitsebene Themen der Lebensmittelhygiene, des Tierschutzes und der Tiergesundheit thematisiert. Auch nach beziehungsweise während des Corona-Ausbruchs führten Vertreter des Sachgebiets der Abteilung 2.3 weiterhin arbeitstäglich eine Besprechung mit dem Unternehmen durch, um insbesondere die praktische Umsetzung der Beschlüsse des Krisenstabes abzustimmen. 4. Welche Kontakte hat es zwischen den Gesundheitsbehörden des Kreises und des Landes und der Firma Tönnies mit welchen Gesprächsinhalten und -ergebnissen im Zeitraum vom 25.02.2020 bis zum 18.06.2020 gegeben? (Bitte nach Datum aufschlüsseln.) Zwischen Vertretern des Dezernates 24 „Öffentliche Gesundheit, medizinische und pharmazeutische Angelegenheiten, Sozialwesen, Krankenhausförderung“ der Bezirksregierung Detmold und Vertretern der Unternehmensgruppe Tönnies fanden in dem Zeitraum vom 25. Februar bis zum 18. Juni 2020 zwei Kontakte statt: Am 12. Mai 2020 erfolgte eine Besichtigung der Corona Testung des Kreises Gütersloh in der Betriebsstätte der Unternehmensgruppe Tönnies in Rheda. Die Besichtigung umfasste den gesamten Ablauf der Corona Testung. Im Anschluss an die Besichtigung wurde ein Gespräch mit leitenden Mitarbeitern der Firma Tönnies hinsichtlich des Umfanges der Testung geführt. Am 17. Juni 2020 nahmen Vertreter des Dezernates 24 der Bezirksregierung Detmold an den Beratungen des Krisenstabes des Kreises Gütersloh teil, an dem auch Herr Clemens Tönnies zugegen war. Gesprächsinhalt waren die Ergebnisse der Reihentestungen vom 16. Juni 2020 und der in diesem Zusammenhang einzuleitenden Maßnahmen, der Bericht über die Durchführung der Information der Beschäftigten von Werksvertragsfirmen der Unternehmensgruppe Tönnies und deren Kontaktpersonen sowie der unverzügliche Anlieferungsstopp von Tieren bei der Unternehmensgruppe Tönnies in Rheda-Wiedenbrück LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10952 5 am 17. Juni 2020 um 9:00 Uhr. Schließlich wurde auch über Art und Umfang der zu treffenden Schutzmaßnahmen im Kreis Gütersloh beraten. 5. Welche Kontakte hat es zwischen den Arbeitsschutzbehörden der Bezirksregierung und des Landes und der Firma Tönnies mit welchen Gesprächsinhalten und -ergebnissen im Zeitraum vom 25.02.2020 bis zum 18.06.2020 gegeben? (Bitte nach Datum aufschlüsseln.) Im Rahmen der Beantwortung wird auf die Antworten der Fragen 1 bis 3 der Kleinen Anfrage 4119 verwiesen. Aus der dort dargestellten Übersicht ergeben sich die Kontakte, die Vertreter des Arbeitsschutzdezernates der Bezirksregierung Detmold im Rahmen von Betriebsprüfungen mit der Firma Tönnies in Rheda-Wiedenbrück im Zeitraum 25. Februar 2020 bis zum 18. Juni 2020 hatten.