LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/10974 15.09.2020 Datum des Originals: 15.09.2020/Ausgegeben: 21.09.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4222 vom 17. August 2020 der Abgeordneten Mehrdad Mostofizadeh und Josefine Paul BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/10623 Test-Chaos in Bayern: Welche Standards gelten bei Corona-Tests in NRW? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Was Ministerpräsident Söder leichthin als „ärgerliche Panne“ bezeichnet, könnte nicht allein für mindestens 908 der insgesamt 44.000 getesteten Menschen schwere Folgen haben, die zwar positiv auf Covid-19 getestet, aber über ihr Testergebnis teilweise zwei Wochen lang nicht informiert worden waren1. Sollte sich unter ihnen ein sogenannter „Superspreader“ befinden, kann sich daraus ein großes Infektionsrisiko für andere Menschen ergeben. Markus Söder hatte kurzerhand für alle Urlaubsrückkehrenden, unabhängig ob sie aus Risikogebieten kamen oder nicht, freiwillige Corona-Tests angekündigt, jedoch offenbar ohne die Warnung vor eventuellen Kapazitätsengpässen ernst zu nehmen. Die umfangreichen Testungen wurden an drei bayerischen Flughäfen, den Hauptbahnhöfen in München und Nürnberg, sowie an mehreren Autobahnraststätten teilweise von Ehrenamtlichen des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), dem Technischen Hilfswerk (THW), den Maltesern und Johannitern durchgeführt2. Dass die Eintragungen der Testergebnisse bei etwa 60.000 Tests händisch erfolgen mussten, verantwortete das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), das in der kurzen Zeit keine Software zur Verfügung stellen konnte. Mittlerweile erfolgen die Tests über private Anbieter, die die Daten digital erfassen können (ebd.). In NRW testen zusätzlich zu den Testzentren an mehreren Flughäfen mittlerweile auch Arztpraxen Reiserückkehrerinnen und -rückkehrer auf Corona. Das Testergebnis erreiche die Personen laut dem MAGS in der Regel via QR-Code nach etwa ein bis zwei Tagen, an den Flughäfen seien etwa 47.150 (Stand 11.8.) Reiserückkehrende getestet worden (ebd.). Bei den vielen positiven Tests bei Reiserückkehrerinnen und Rückkehrern drängt sich die Frage auf, mit welcher Strategie die Landesregierung einzelne Berufs- und Personengruppen identifiziert, für die regelmäßige Testungen sinnvoll erscheinen. So hat die Landesregierung am 20. Juli regelmäßige kostenlose und freiwillige Testungen für Schul- und Kita-Personal 1 Rheinische Post, 14.08.2020 2 https://www.tagesschau.de/inland/faq-reiserueckkehrer-tests-101.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10974 2 angekündigt3, für die Polizei oder für Pflegepersonal in Behinderteneinrichtungen wird eine entsprechende Absicht aber offenbar nicht verfolgt4. Noch im Mai hatte die Landesregierung etwaige regelmäßige Testungen in Pflegepflegeeinrichtungen als unnötige Massentests abgelehnt5. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4222 mit Schreiben vom 15. September 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Verkehr beantwortet. 1. Wie ist der aktuelle Stand ausstehender Tests? Bis zum Stichtag 30.08.2020 sind an den Flughäfen Düsseldorf, Köln/Bonn, Dortmund, Münster/Osnabrück und Weeze 104.437 Tests auf SARS-CoV-2 bei Reiserückkehrern aus sogenannten Risikogebieten durchgeführt worden. Zum Stichtag lagen zu 2.129 Tests noch keine Laborbefunde vor. Die offenen Laborbefunde ergeben sich naturgemäß dadurch, dass die Zeitspanne zwischen Einreichung der Probe im Labor und dem Stichtag 30.08.2020 nicht ausreicht, um die Probe zu analysieren und zu befunden. Flughafen Anzahl durchgeführter Tests Offene Befunde (Stichtag 30.8.2020) Düsseldorf 43.923 958 Köln/Bonn 36.382 362 Dortmund 20.300 58 Münster/ Osnabrück 1.799 61 Weeze 2.033 90 Gesamt 104.437 2.129 2. Welche Standards gibt es in NRW bezüglich des Testverfahrens (bitte in einzelne Teststationen (Flughäfen, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte) aufschlüsseln? Sowohl an den Flughäfen als auch bei Testungen durch niedergelassene Haus- und Fachärzte gelten für die Testung von Reiserückkehrern aus Risikogebieten folgende Qualitätsstandards: - Überprüfung der Anspruchsvoraussetzung (Eigenauskunft), - elektronische Erfassung der Personalien (inkl. Telefonnummer für Rückverfolgung), - Gewinnung des Probenmaterials mittels Nasen-Rachen-Abstrich, - maschinenlesbare Kennzeichnung von Probenröhrchen (sog. Barcode-Etiketten), 3 https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/kostenlose-corona-tests-fuer-beschaeftigte-schulen-undkindertageseinrichtungen 4 https://www.tagesschau.de/regional/nordrheinwestfalen/wdr-story-35649.html 5 https://www.wn.de/Specials/Coronavirus/4208084-Landtag-Laumann-gegen-Corona-Massentestsohne -konkreten-Anlass LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10974 3 - Weiterleitung der Probe inkl. Laborauftrag mind. 1x täglich (an Flughäfen 7 Tage die Woche; bei Bedarf auch 2x täglich Laborkurierdienst), - Verarbeitung und Befundung der Probe in der Regel innerhalb von 24 Stunden; bei hohem Testaufkommen ggf. bis zu 72 Stunden, - Befundübermittlung an Testperson als Online-Angebot, sofern Labor dies anbietet (Online-Abfrage mit Zugang über QR-Code), - bei Testung in einer niedergelassenen Praxis elektronische Befundübermittlung an den Arzt bzw. die Ärztin, - Befundübermittlung an das zuständige Gesundheitsamt sowie - Befundübermittlung an den Patienten bzw. die Patientin per Briefpost (in der Regel Posteingang 2-4 Tage nach Testdurchführung) 3. Wie lange dauert die Übermittlung der Testergebnisse (bitte in einzelne Teststationen (Flughäfen, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte) aufschlüsseln)? Die Ergebnisse der Testungen an den Flughäfen stehen in der Regel innerhalb von 24 Stunden zur Verfügung. Die schriftliche Befundübermittlung dauert ca. 2-3 Tage. Für Tests, die durch die niedergelassene Ärzteschaft vorgenommen werden, sind die Zeitspannen vergleichbar. Die Bearbeitungszeiten sind dabei abhängig vom jeweiligen Testaufkommen. Veränderungen der Rahmenbedingungen können daher in Einzelfällen kurzfristig zu Verzögerungen führen. So resultierte aus der Ausweisung Spaniens als SARS-CoV-2 Risikogebiet ein deutlich erhöhtes Testaufkommen, das zunächst zu verzögerten Befundübermittlungen führte. Durch Nutzung weiterer Laborkapazitäten konnte der Engpass zeitnah ausgeglichen werden. 4. Entlang welcher Kriterien entscheidet die Landesregierung, ob und in welchem Umfang einzelnen Berufs- und Personengruppen regelmäßige Testungen zur Verfügung stehen? Die Landesregierung orientiert sich mit ihrer Teststrategie an den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts. Im Vordergrund steht dabei die Testung symptomatischer Personen, von Kontaktpersonen der Kategorie I (enger Kontakt zur einer mit SARS-CoV- 2 infizierten Person) sowie von vulnerablen Personengruppen (bspw. Testung von Personen vor Aufnahme in eine Pflegeeinrichtung). Auf diese Weise ist eine möglichst effiziente Ausnutzung der vorhandenen medizinischen und Labor-Kapazitäten sichergestellt. Zudem wird das Risiko falsch-positiver Befunde möglichst niedrig gehalten. Hiervon hat die Landesregierung bislang drei Ausnahmen gemacht: a) Aufgrund der teils sehr hohen Zahl an Infektionsfällen wurden flächendeckende Tests auf SARS-CoV-2 in Schlachtbetrieben vorgenommen. b) Die große Zahl an Reisenden sowie die teilweise vergleichsweise hohen Infektionszahlen in Reisedestinationen waren Grundlage für die Entscheidung, auch Tests bei Rückkehrern aus sog. Risikogebieten durchzuführen, um Neueinträge aus dem Ausland aufzudecken und Infektionsketten frühzeitig zu unterbrechen. Auch für Rückkehrer aus Nicht-Risikogebieten ist eine Kostenübernahme durch den LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/10974 4 Gesundheitsfonds möglich; diese Personengruppe steht aber nicht im Fokus der Testbemühungen der Landesregierung. c) Um die Aufnahme eines weitestgehend normalen Betriebs in Kindertagesstätten, bei Kindertagespflegepersonen und in Schulen zu begleiten, sind zeitlich befristet Testungen der dort Beschäftigten ermöglicht worden. 5. Plant die Landesregierung, weitere Teststationen einzurichten? Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sieht die Landesregierung keine Notwendigkeit, weitere Testzentren einzurichten. Die Landesregierung prüft regelmäßig, in Abhängigkeit der Entwicklung des Infektionsgeschehens, gemeinsam mit den weiteren relevanten Akteursgruppen – wie etwa den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Kreisen und kreisfreien Städten – inwiefern eine sachlagengerechte Anpassung der Teststrategie und des Testgeschehens notwendig sind.