LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11086 22.09.2020 Datum des Originals: 22.09.2020/Ausgegeben: 28.09.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4228 vom 20. August 2020 der Abgeordneten Gabriele Walger-Demolsky AfD Drucksache 17/10694 Terroristische Gefährder in Nordrhein-Westfahlen – Entwicklung der Lage im Jahre 2020 Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Rahmen der Kleinen Anfrage 32551 haben wir nach der Anzahl der terroristischen Gefährder in NRW gefragt. Insbesondere im Bereich der „PMK-Religiöse Ideologie“ haben sich sowohl die Zahl der Gefährder als auch die der „Relevanten Personen“ dramatisch erhöht. Die Anzahl der Gefährder hat sich vom Jahre 2010 bis zum Jahre 2019 von 24 zu 221 Personen fast verzehnfacht. Bei den „Relevanten Personen“ stieg die Zahl von 52 auf 176 Personen. Im Jahre 2019 wurden aus diesem Personenkreis lediglich elf Personen abgeschoben. Der Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration hat die Kleine Anfrage 4228 mit Schreiben vom 22. September 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern beantwortet. 1. Wie viele Personen, die einem der nachfolgend genannten Phänomenbereiche zugeordnet werden, sind in Nordrhein-Westfalen gegenwärtig als Gefährder bzw. als relevante Person bekannt? a) PMK-Rechts; b) PMK-Links; c) PMK-Ausländer; d) PMK-Religiöse Ideologie (Bitte eine aktuelle Übersicht erstellen analog zur Anlage 1, Lt.-Drucksache 17/8401) Die entsprechenden Zahlen für Nordrhein-Westfalen werden monatlich erhoben. Bei den in der nachfolgenden Tabelle getrennt nach Phänomenbereichen aufgeführten Zahlen handelt es sich, analog zur Beantwortung früherer Kleiner Anfragen (vgl. Landtags-Drucksache 17/8401), um die Anzahl aller Gefährder und nicht nur um ausländische Gefährder. 1 Vgl. Lt.-Drucksache 17/8401 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11086 2 Stand: 31.08.2020 PMK-Religiöse Ideologie Gefährder 201 Relevante Personen 174 PMK-Links Gefährder 1 Relevante Personen 23 PMK-Ausländische Ideologie Gefährder 6 Relevante Personen 15 PMK-Rechts Gefährder 22 Relevante Personen 20 2. In welche Länder wurden die genannten elf Gefährder (bzw. Relevanten Personen) im Jahre 2019 abgeschoben? (Bitte auch die Nationalität nennen) Im Jahr 2019 wurden 11 ausländische Gefährder zurückgeführt, davon ➢ 3 Personen nach Bosnien-Herzegowina ➢ 2 Personen nach Tadschikistan ➢ 2 Personen nach Afghanistan ➢ 1 Person nach Serbien ➢ 1 Person nach Marokko ➢ 1 Person in den Libanon ➢ 1 Person in die Türkei Die Rückführungen erfolgten jeweils in den Staat, dessen Staatsangehörigkeit die Personen besaßen. Im Übrigen ist ein Gefährder mit libanesischer Staatsangehörigkeit freiwillig überwacht in die Türkei ausgereist. Im Jahr 2019 wurden 6 ausländische Relevante Personen aus Nordrhein-Westfalen zurückgeführt, davon ➢ 2 Personen nach Russland ➢ 2 Personen in die Türkei ➢ 1 Person in den Kosovo ➢ 1 Person nach Tadschikistan Auch in diesen Fällen erfolgte die Rückführung jeweils in den Staat, dessen Staatsangehörigkeit die Personen besaßen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11086 3 3. Wie viele Gefährder (bzw. Relevante Personen) wurden im Jahre 2020 bisher abgeschoben? (Bitte Land und die Nationalität der Personen nennen) Im Jahr 2020 wurden bislang 5 ausländische Gefährder zurückgeführt, davon ➢ 2 Personen in die Türkei ➢ 1 Person nach Tadschikistan ➢ 1 Person in den Libanon ➢ 1 Person nach Polen Bei der nach Polen im Rahmen einer Dublin-Überstellung zurückgeführten Person handelt es sich um einen tadschikischen Staatsangehörigen. Die übrigen Personen wurden jeweils in die Staaten zurückgeführt, dessen Staatsangehörigkeit sie besaßen. Im Übrigen ist ein Gefährder mit syrischer Staatsangehörigkeit freiwillig überwacht in den Irak ausgereist. 4. Mit welchen Maßnahmen plant die Landesregierung die Anzahl der abgeschobenen Gefährder (bzw. Relevanten Personen) deutlich zu erhöhen? 5. Welche Gesetzesinitiativen sind von der Landesregierung in diesem Zusammenhang geplant? Die Fragen 4 und 5 werden zusammen beantwortet. Für die Landesregierung hat die Rückführung von Gefährdern, Relevanten Personen und sonstigen (nicht eingestuften) Personen aus dem extremistischen Spektrum hohe Priorität. Vor diesem Hintergrund geht sie konsequent gegen Personen, die die öffentliche Sicherheit gefährden, unter Ausschöpfung aller aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten vor. Dazu wurde u.a. ein eigenständiges Referat im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) geschaffen, das sowohl quantitativ als auch qualitativ verstärkt wurde. Ferner nehmen seit Januar 2019 neben dem LKA, dem Verfassungsschutz und Vertretern des BAMF auch die Bundespolizei und die Zentralstelle Terrorismusverfolgung (ZenTer) der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf an den Sitzungen der Sicherheitskonferenz teil. Durch die Teilnahme der Bundespolizei konnte die Unterstützung bei der PEP-Beschaffung (insbesondere Libanon) und bei Fällen mit Auslandsbezug verbessert werden. Es konnten in den von der ZenTer bearbeiteten Fällen unproblematisch Einvernehmen zur Ausweisung und/oder Rückführung erzielt oder Erkenntnisse für aufenthaltsrechtliche Maßnahmen freigegeben werden. Die strukturellen Veränderungen und die Personalverstärkung spiegeln sich in der Zahl der Rückführungen von sicherheitsgefährdenden Personen in den Jahren 2019 und 2020 wider – dies gilt im Übrigen ebenso für das Jahr 2018, in dem 8 Gefährder und 1 Relevante Person zurückgeführt wurden. Im Jahr 2019 wurden 44% und im Jahr 2020 bislang 50% aller bundesweiten Rückführungen von Gefährdern in Nordrhein-Westfalen vorgenommen. Nordrhein-Westfalen hat damit 2019 und 2020 jeweils mehr Gefährder abgeschoben als alle übrigen Flächenländer der Bundesrepublik zusammen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11086 4 Darüber hinaus wurden in den Jahren 2018 bis 2020 (Stand: 31.08.2020) insgesamt 14 sonstige ausländische sicherheitsrelevante Personen zurückgeführt: ➢ 2018: 6 Personen ➢ 2019: 3 Personen ➢ 2020: 5 Personen Das konsequente Vorgehen gegen Gefährder zeigt sich auch bei der Anwendung des § 58a AufenthG. Zur Abwehr terroristischer Gefahren wurden aus Nordrhein-Westfalen seit dem Regierungswechsel 4 ausländische Gefährder auf der Grundlage einer – zuvor noch in keinem Fall zur Anwendung gelangten – Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG in ihre Heimatländer zurückgeführt. Für aufenthaltsbeendende Maßnahmen ist nicht nur eine enge Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden erforderlich, sondern diese setzen auch eine spezielle Expertise, Qualifizierung und Ausstattung der Behörden voraus. Um die meist sehr komplexen Fälle künftig noch effektiver bearbeiten zu können, soll in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit dafür geschaffen werden, die ausländer- und asylrechtlichen Zuständigkeiten und Maßnahmen zu zentralisieren und einer fachlich und personell besonders qualifizierten Behörde im Einzelfall übertragen zu können. Die Landesregierung will mit diesem Schritt Abstimmungsprozesse vereinfachen und noch effektiver gegen ausländische Extremisten – insbesondere Gefährder – und Straftäter vorgehen. Die Anbindung erfolgt an die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) Essen. Das MKFFI arbeitet bereits seit Längerem professionell und vertrauensvoll mit der Stadt Essen und der ZAB zusammen. Die Ausländerbehörde verfügt zudem bereits über Erfahrung im Umgang mit sicherheitsrelevanten Personen. Die ZAB soll daneben als Ansprechpartner für die Ausländerbehörden zur Verfügung stehen und diese in den Angelegenheiten sicherheitsrelevanter Ausländer unterstützen. Die Aufgabenerweiterung der ZAB Essen ist ein wichtiger Baustein für die Gewährleistung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen und über die Landesgrenzen hinaus.