LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11088 22.09.2020 Datum des Originals: 22.09.2020/Ausgegeben: 28.09.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4234 vom 21. August 2020 der Abgeordneten Sarah Philipp SPD Drucksache 17/10709 Galeria Karstadt Kaufhof: Was tut die Landesregierung für eine Verlängerung der Transfergesellschaft? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am Montag, den 11. August 2020, verkündete der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof, dass die Konzernzentrale in Essen sowie die Filiale am Limbecker Platz nicht weiter von den geplanten Schließungen betroffen sein sollen. Das ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine gute Nachricht, über die wir uns für die Belegschaft in den Standorten sehr freuen. Indes zeigte sich ver.di Westfalen irritiert darüber, dass das Interesse der Landesregierung scheinbar nur ausgewählten Standorten von Galeria Karstadt Kaufhof gelten soll. Wörtlich hieß es: „Warum setzt sich der NRW-Ministerpräsident nur für einen Standort energisch ein und nicht für alle Standorte und Häuser? Erst kommt über Wochen und Monate nichts von der Landesreg. (sic!) zum Thema und jetzt das. #Dortmund und #Hamm waren den persönlichen Einsatz offenbar nicht wert?!“ (Twitter: @verdi_Westfalen, 11.8.2020.) In diesem Zusammenhang gibt es auch Kritik am mangelnden Einsatz der Landesregierung für die Verlängerung der geplanten Transfergesellschaft für die von einer Schließung von Standorten betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Demnach haben die Gewerkschaft ver.di und der Betriebsrat von Galeria Karstadt Kaufhof die Politik um finanzielle Hilfen gebeten. Während das Land Rheinland-Pfalz sowie Hamburg und Berlin hier bereits Bereitschaft signalisiert haben sollen, wenn auch das Land NRW dabei mitzieht, soll die nordrhein-westfälische Landesregierung in dieser Frage auf der Bremse stehen und mögliche Beteiligungen von sich gewiesen haben. Konkret geht es darum, die Laufzeit der Transfergesellschaft von bisher sechs auf zwölf Monate zu verlängern. Hierfür sollen laut Westdeutscher Allgemeinen Zeitung (WAZ, v. 24.7.2020) bundesweit rund 44 Millionen Euro fehlen. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4234 mit Schreiben vom 22. September 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Industrie, Digitalisierung und Energie und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11088 2 1. Wieso versagt die Landesregierung den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern finanzielle Hilfen für eine Verlängerung der Transfergesellschaft? 2. Wie hoch wäre der mögliche Anteil Nordrhein-Westfalens an den finanziellen Hilfen für eine Verlängerung der Transfergesellschaft? Die Fragen 1 – 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Nordrhein-Westfalen wird sich nicht an einer Verlängerung der Transfergesellschaft beteiligen, die dazu führt, dass Sozialpläne auf Kosten der öffentlichen Hand abgeschlossen werden. Die Verlängerung der Transfergesellschaft mit Landesmitteln wird sowohl von Seiten der Landesregierung als auch von Seiten der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit sowohl in ihrer Rechtskonformität als auch in ihrem tatsächlichen Nutzen für die Beschäftigten in Frage gestellt. Eine Übernahme der Remanenzkosten hätte zudem eine Präzedenzwirkung mit unabsehbaren haushälterischen Folgen. Weiterhin wird unverändert kritisch gesehen, dass nicht sämtliche Beschäftigen in die Transfergesellschaft aufgenommen werden sollen. Die Transfergesellschaft soll momentan nur für das Kerngeschäft gegründet werden. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der weiteren Unternehmen ist derzeit keine Auffanglösung bekannt. Angesichts der aktuell schwierigen arbeitsmarktlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Transfergesellschaft ihre Arbeit aufnehmen wird, hat die Landesregierung sich am 28. August 2020 an Bundesarbeitsminister Heil gewandt und ihn gebeten, alle seine Möglichkeiten zur zusätzlichen Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu nutzen. Weiterhin hat die Bundesagentur für Arbeit im Gespräch mit der Landesregierung ihre Bereitschaft signalisiert, die Qualifizierungskosten für längerfristige Maßnahmen wegen der Unternehmensinsolvenz vollständig zu übernehmen. Die Landesregierung ist bereit, sich an den Beratungs- und Verwaltungskosten der zwischen den Betriebsparteien vereinbarten Transfergesellschaft zu beteiligen. Hierzu gab es bereits ein erstes Orientierungsgespräch mit der Insolvenzverwaltung. Unseres Wissens ist Nordrhein-Westfalen das einzige Bundesland, das dazu bereit ist. Entgegen der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage ist auch auf Nachfrage der nordrheinwestfälischen Landesregierung keine Bereitschaft anderer Bundesländer zu erkennen, sich an den Kosten einer Verlängerung der Transfergesellschaft zu beteiligen. Um die Kosten der Verlängerung einer Transfergesellschaft zu ermitteln, müssten beispielsweise zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur Ermittlung der zu leistenden Sozialversicherungsbeiträge die bisher gezahlten Löhne der vom Personalabbau betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekannt sein. Das ist nicht der Fall. 3. Inwiefern war die Verlängerung der Transfergesellschaft auch Bestandteil der Gespräche zwischen Ministerpräsident Laschet und dem Karstadt-Eigner René Benko? Herr Ministerpräsident hat sich gegenüber Herrn Benko stets für den Erhalt der Arbeitsplätze und dort, wo Kündigungen aus Sicht des Unternehmens unvermeidbar sind, für bestmögliche sozialverträgliche Lösungen eingesetzt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11088 3 4. Welche Zugeständnisse hat die Landesregierung gegenüber René Benko in ihren Gesprächen gemacht? Zugeständnisse in Form staatlicher Hilfen von Seiten des Landes Nordrhein-Westfalen an Galeria Karstadt Kaufhof waren bereits kürzlich Thema in der Kleinen Anfrage 3909 (LT-Drs. 17/9970) der Abgeordneten Anja Butschkau und Susana dos Santos Herrmann der Fraktion der SPD. Zu den Fragen 2 und 3 wurde wie folgt geantwortet (weiterhin aktuell): „Eine Auskunft, dass ein Zuwendungsempfänger (ZE) finanzielle Hilfen des Bundes oder der Länder erhalten hat, begründet ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, wenn der ZE nicht in die Offenlegung eingewilligt hat. Die Aussage, dass ein ZE keine Zuwendung erhalten hat, verbietet sich bereits deshalb, weil durch diese negative Aussage in anderen Fällen, in denen die Auskunft wegen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses verwehrt wird, der Rückschluss auf eine positive Bewilligungsentscheidung möglich ist. Vor diesem Hintergrund ist die Beantwortung der Frage – unabhängig davon, welcher der beiden Fälle gegeben ist – aus rechtlichen Gründen nicht zulässig. Unabhängig davon ist zu beachten, dass Galeria Karstadt Kaufhof am 1. April 2020 einen Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b Insolvenzordnung gestellt hat. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist Galeria Karstadt Kaufhof als ein sogenanntes „Unternehmen in Schwierigkeiten“ (EU-Definition) zu werten und von den meisten staatlichen Corona-Finanzierungshilfen ausgeschlossen. Mögliche finanzielle Hilfen des Bundes in dem Zusammenhang, die über Kurzarbeitergeld bzw. Insolvenzgeld hinausgehen, sind der Landesregierung nicht bekannt“ (LT-Drucksache 17/10680). Die Landesregierung hat in Gesprächen mit Galeria Karstadt Kaufhof stets für den Standort Nordrhein-Westfalen geworben und die Bedeutung der Warenhäuser für die Innenstädte und Einkaufszentren betont. Dabei sind alle Standorte gleichbehandelt worden. Zugeständnisse für einzelne Standorte hat es seitens der Landesregierung nicht gegeben. 5. Welche Standortfaktoren spielten in den Gesprächen mit René Benko für die Entscheidung, welcher Standort von der Schließung ausgenommen werden soll, jeweils welche Rolle? Die Entscheidung darüber, welche Warenhausstandorte geschlossen werden sollen, ist ausschließlich von Galeria Karstadt Kaufhof getroffen worden. Dabei haben Standortfaktoren wie beispielsweise Kaufkraft- und Frequenzdaten, Miethöhen oder die Stadtentwicklungspolitik eine Rolle gespielt und sind in die betriebswirtschaftliche Analyse des jeweiligen Warenhausstandortes eingeflossen. Gespräche mit Galeria Karstadt Kaufhof über konkrete von Schließung bedrohte Warenhausstandorte sind im Übrigen insbesondere von den betroffenen Kommunen geführt worden.