LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11118 24.09.2020 Datum des Originals: 24.09.2020/Ausgegeben: 30.09.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4319 vom 11. September 2020 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/10964 Wie wird nach dem Verbot der Abfertigung von Tiertransporten in Drittstaaten weiter verfahren? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Aufgrund fehlender valider Informationen über Versorgungsstationen in Drittstaaten, fehlender Tränkmöglichkeiten und wiederholter medialer Berichterstattungen über massive Tierschutzverstöße beim Transport in Drittstaaten hat das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen per Erlass die Abfertigung langer Beförderungen von nicht abgesetzten Kälbern und Zuchtrindern in Drittstaaten bis auf Weiteres untersagt. In einer nachrichtlichen Mitteilung an den Landkreistag NRW und den Städtetag NRW vom 21. Juli 2020 heißt es, dass zur Abstimmung der weiteren Verfahrensweise die von der Abfertigung langer Beförderungen von Zuchtrindern betroffenen Landkreise sowie die Wirtschaftsbeteiligten kurzfristig zu einer Besprechung in das Ministerium eingeladen werden. Nähere Informationen zur zukünftigen Verfahrensweise sollen in einem weiteren Erlass folgen. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4319 mit Schreiben vom 24. September 2020 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wann hat eine Besprechung zur Abstimmung der weiteren Verfahrensweise mit betroffenen Landkreisen und Wirtschaftsbeteiligten stattgefunden bzw. wird eine solche Besprechung stattfinden? Eine Besprechung zur Abstimmung der weiteren Verfahrensweise hat am 23.07.2020 stattgefunden. Eine weitere erfolgte in Form einer Telefonkonferenz am 05.08.2020. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11118 2 2. Wer wurde/wird zu der unter 1 genannten Besprechung eingeladen? Zu dem unter 1 erstgenannten Besprechungstermin waren folgende Teilnehmer eingeladen: Vertreter: - des Rhein-Sieg-Kreises und des Kreises Steinfurt als Behörden, in deren Zuständigkeitsbereich betroffene Transportfirmen ansässig sind - des Landkreistages NRW - des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen - der Rinder-Union West eG - der Spedition Hefter - der Dieckmann Viehtransporte-Mineralöle GmbH - der Firma Nutz- und Schlachtvieh Heinz-Dieter Haller - der Masterrind GmbH - der Berghuis GmbH - des Bundesverbandes Rind und Schwein e.V. - Vieh- und Fleischhandelsverbandes Nordrhein-Westfalen e.V. Am 05.08.2020 fand eine Telefonkonferenz auf Staatssekretärsebene unter Beteiligung des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes e.V., des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes e. V., der Rinder-Union West e.G., des Fleischrinder-Herdbuchs Bonn e.V. und des Bundesverbandes Rind und Schwein e.V statt. 3. Zu welchem Ergebnis bezüglich der weiteren Verfahrensweise ist die Landesregierung nach der unter 1 genannten Besprechung gelangt? 4. Unter Einhaltung welcher Kriterien wird die Landesregierung den zuständigen Kreisordnungsbehörden die Abfertigung langer Beförderungen von Zuchtrindern in Drittstaaten wieder gestatten? Die Fragen 3 und 4 werden zusammen beantwortet. Die zuständigen Überwachungsbehörden in NRW wurden mit Datum vom 21.07.2020 per Erlass angewiesen, von Abfertigungen langer Beförderungen nicht abgesetzter Kälber und von langen Beförderungen von Zuchtrindern in Drittstaaten mit sofortiger Wirkung bis auf Weiteres abzusehen. Eine Abfertigung könne erst wieder erfolgen, wenn seitens der Transportunternehmen routenscharfe Konzepte vorgelegt werden, die es ermöglichen, eine tierschutzgerechte Durchführung langer Straßen- und Schiffstransporte mit hoher Wahrscheinlichkeit plausibilisieren zu können. Bis heute sind Konzepte vorgelegt worden, die sich aber noch in der Prüfung befinden. Derzeit (Stand: 18.09.2020) sind keine Routen wieder freigegeben worden. Bezüglich der vorzulegenden Konzepte sollen von den Transportunternehmen folgende Kriterien berücksichtigt werden: a. Vorlage valider (formaler und tatsächlicher) Informationen über das Vorhandensein und die Nutzbarkeit von Versorgungsstationen in Drittstaaten: - Bestätigung über eine Zulassung der Versorgungsstation einschließlich einer Beschreibung der Versorgungsstation entsprechend den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1255/97 von der obersten Veterinärbehörde des Drittstaates. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11118 3 - Eine behördliche Kontrolle der Versorgungsstation durch einen namentlich benannten amtlichen Tierarzt vor Ort muss gewährleistet sein, inklusive einer Darlegung, wie vor der Weiterfahrt der Tiere geprüft und amtlich bescheinigt wird, dass Tiere für die weitere Beförderung transportfähig sind. - Ein Reservierungsnachweis für die Versorgungsstation, aus dem hervorgeht, dass die Station zu dem in der Transportplanung vorgesehenen Ankunftszeitpunkt für die vorgesehene Transportplanung und die zu versorgende Tierzahl reserviert und betriebsbereit ist. - Über GPS-Online-Aufzeichnungen für die zuständigen Behörden sind zusätzlich zu den Daten über das Öffnen und Schließen von Ladeklappen weitere Daten wie z.B. das Achslastgewicht auszuweisen, um ein tatsächliches Abladen und Wiederaufladen der Tiere im Bereich einer Versorgungsstation stärker plausibilisieren zu können. b. Beibringung valider Informationen über die gesamte Transportroute: - Zucht- und Vermarktungsorganisationen sollten prüfen, ob und in welcher Form möglicherweise Begleitungen der Tiertransporte durch beauftragte Tierärzte oder zertifizierte unabhängige Einrichtungen dabei unterstützen könnten, einen tierschutzkonformen Transport bis zum Bestimmungsort zu dokumentieren. - Transportunternehmer müssen sicherstellen, dass auch bei Beauftragung ausländischer Speditionsfirmen vollständig ausgefüllte Fahrtenbücher unverzüglich wieder an die abfertigende Veterinärbehörde zurückgesandt werden. - Im Rahmen des Tiertransportes beauftragte Speditionsunternehmen müssen hinsichtlich der technischen Ausstattung der Fahrzeuge bis zum Bestimmungsort dem europäischen Standard genügen. Dies gilt auch für den Weitertransport im Drittstaat. - Im Rahmen der Routenplanung ist die Einhaltung von Sozialvorschriften für die Fahrer in vollem Umfang sicherzustellen. Dabei darf die Einhaltung von Sozialvorschriften nicht zu unzulässigen Transportverzögerungen für die Tiere auf dem Fahrzeug führen. Die Sozialvorschriften der Fahrer sind in die Routenplanung vollumfänglich miteinzubeziehen. c. Das Handbuch Tiertransporte der Bundesländer, Stand Mai 2019, ist auch im Hinblick auf die Routenplanung in vollem Umfang inhaltlich zu berücksichtigen. d. Bezüglich einer Konzeptentwicklung für eine mögliche Wiederaufnahme der langen Beförderung von nicht abgesetzten Kälbern ist die aktuelle Stellungnahme des Friedrich-Loeffler-Instituts vom 13.03.2020 (Download verfügbar unter: https://www.fli.de/de/publikationen/informationen-zu-tierschutz-und-tierhaltung/) zu berücksichtigen. e. Auch nach dem Abladen vom Schiff in einem Drittstaat muss ein der EU- Tierschutztransportverordnung entsprechender Transport bis zum Bestimmungsort gewährleistet sein. Häfen sind keine Bestimmungsorte, nur Umlade- bzw. Ruheorte. Erforderlichenfalls müssen entsprechende Möglichkeiten zum Transport der Tiere durch die Vermarktungsorganisation zur Verfügung gestellt werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11118 4 5. Wie beabsichtigt die Landesregierung, hinsichtlich des Verbots langer Beförderungen nicht abgesetzter Kälber zukünftig zu verfahren? Es werden die oben genannten Empfehlungen des Friedrich-Loeffler-Instituts vom 13.03.2020 zugrunde gelegt. Derzeit wird über das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft angefragt, ob das Friedrich-Loeffler-Institut zu einem diesbezüglich vorgelegten Konzept eine fachliche Stellungnahme abgeben kann.