LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11139 25.09.2020 Datum des Originals: 25.09.2020/Ausgegeben: 01.10.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4273 vom 31. August 2020 des Abgeordneten Rüdiger Weiß SPD Drucksache 17/10788 Warum wurden die Bürgerinnen und Bürger von Bergkamen nicht vollumfänglich und zum frühestmöglichen Zeitpunkt über eine mögliche PCB-Belastung informiert? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 11.August 2020 hat die Bezirksregierung Arnsberg die Stadt Bergkamen davon in Kenntnis gesetzt, dass im Umfeld des Industriegebiets nördlich der Erich-Ollenhauer-Straße eine mögliche Belastung durch poly-chlorierte Biphenyle (PCB) festgestellt wurde. Erste Hinweise auf eine mögliche PCB-Belastung wurden im Zuge des Wirkungsdauermessprogramms durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) offenbar bereits Ende 2019 entdeckt1. Zu diesem Zeitpunkt wurde aber weder die Stadt Bergkamen über den Verdacht informiert, noch wurden vorsorgliche Verzehrempfehlungen für Gartengemüse von Anwohnern ausgesprochen2. Zum jetzigen Zeitpunkt ist laut Bezirksregierung und LANUV weder klar, wie groß das Ausmaß, noch, was die Quelle der vermuteten PCB-Belastung ist. Ergebnisse genauerer Untersuchungen mittels der Analyse von Grünkohlpflanzen werden wohl erst im Frühjahr 2021 vorliegen. Bei den betroffenen Anwohnern in Bergkamen führen die beschriebenen Ereignisse zu einer großen Verunsicherung. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4273 mit Schreiben vom 25. September 2020 namens der Landesregierung beantwortet. 1 Siehe https://www.wa.de/lokales/bergkamen/pcb-belastung-bergkamen-kreis-unna-nrw-lanuvempfehlung -werte-siedler-13861480.html 2 Siehe https://www.wa.de/lokales/bergkamen/pcb-belastung-in-bergkamen-buergermeister-wehrtsich -gegen-vorwuerfe-90031108.html LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11139 2 Vorbemerkung der Landesregierung Das Land Nordrhein-Westfalen ist durch die industriellen Tätigkeiten und die dichte Besiedlung geprägt. Mittels eines Wirkungsdauermessprogramms ermittelt das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) regelmäßig, wie sich die Hintergrundbelastung der Umwelt an einzelnen Stoffen darstellt. Dazu werden u. a. Pflanzen wie z. B. Löwenzahn, Graskulturen oder Grünkohl auf Schadstoffe untersucht. Bei Werten, die den allgemeinen Hintergrund überschreiten, wird ein möglicher Immissionseinfluss aus einer bestimmten Quelle oder aus mehreren Quellen überprüft. Sofern sich im Umfeld Nutzungsflächen für Nahrungspflanzen befinden (z. B. Hausgärten) wird überprüft, ob aus den Gehalten von Schadstoffen z. B. in Grünkohl rein vorsorglich eine Verzehrempfehlung abgeleitet werden kann. Löwenzahnuntersuchungen werden eingesetzt, um einen schnellen Überblick über den Umfang eines betroffenen Gebietes zu erhalten, da Löwenzahn überall wächst und sofort beprobt und analysiert werden kann. Das standardisierte Ausbringen, Wachsen und die Beprobung von Grünkohl sind dagegen zeit- und arbeitsaufwändiger. Bis zum Erhalt von Ergebnissen und konkreten Verzehrempfehlungen mit Angabe von Verzehrhäufigkeiten vergehen mehrere Monate. Aufgrund der erforderlichen Vegetationsperioden, die für die Pflanzenuntersuchungen benötigt werden, bedarf es infolgedessen auch längerer Zeitabstände bis aussagekräftige und repräsentative Untersuchungsergebnisse vorliegen. 1. Warum wurde die Stadt Bergkamen erst im August 2020 über die mögliche PCB- Belastung informiert, obwohl laut Bezirksregierung Arnsberg bereits Ende 2019 erste Hinweise auf PCB-Einträge im Industriegebiet gefunden wurden? 2. Wann genau hat das LANUV die ersten Hinweise auf PCB-Belastung im Umfeld des Industriegebiets gefunden? 3. Zu welchem Zeitpunkt hatte die Landesregierung bzw. die ihr nachgeordneten Behörden Kenntnis über eine mögliche PCB-Belastung im Umfeld des Industriegebiets nördlich der Erich-Ollenhauer-Straße in Bergkamen? 4. Welche Erkenntnisse über das mögliche Ausmaß bzw. die mögliche Quelle der PCB-Belastungen im Umfeld des Industriegebiets nördlich der Erich-Ollenhauer- Straße in Bergkamen hat die Landesregierung? Die Fragen 1 bis 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Im Jahr 2018 wurde durch das LANUV in Folge einer landesweiten Untersuchung auf Immissionen von polybromierten Diphenylethern (PBDE) ein Container mit Grünkohlpflanzen im direkten Umfeld einer Recyclingfirma in Bergkamen exponiert. Dabei sollte insbesondere ermittelt werden, ob sich Grünkohl als Bioindikator für PBDE eignet. Dieser Grünkohl wurde Ende 2018 geerntet. Es handelte sich dabei um eine Untersuchung im Rahmen des in der Vorbemerkung erwähnten Standard-Untersuchungsprogramms (Wirkungsdauermessprogramm - WDMP) des LANUV zur Ermittlung von Hintergrundgehalten und bei dem der Focus nicht darauf ausgerichtet ist, bestimmten Verdachtsfällen - etwa auf PCB-Emittenten - nachzugehen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11139 3 Bei der aus diesem Grund nicht priorisierten und daher erst im Jahr 2019 durchgeführten Analytik wurden Ende Mai gegenüber der Hintergrundbelastung in NRW – unerwartet – erhöhte Gehalte an PCB in der Grünkohlprobe aus dem Industriegebiet gefunden. Aus Sicht des LANUV ergab sich keine Notwendigkeit, unverzüglich zu handeln, da der untersuchte Messpunkt mitten in einem Industriegebiet lag und sich in Hauptwindrichtung erst in sehr großer Entfernung Wohnhäuser anschließen. Deshalb hat das LANUV dieses Ergebnis in den erst nach Vorliegen aller Untersuchungsergebnisse Ende Oktober 2019 erstellten Gesamtbericht über das WDMP aufgenommen und weiter kommuniziert. Das Ergebnis wurde vom LANUV der Bezirksregierung Arnsberg am 13.11.2019 berichtet, verbunden mit der Empfehlung, die Immissionssituation in den östlich bzw. südlich gelegenen Wohngebieten in der nächsten Vegetationsperiode (2020) zu überprüfen. Die Bezirksregierung Arnsberg hat das LANUV daraufhin beauftragt, für die nächstfolgende Vegetationsperiode ein Löwenzahnscreening durchzuführen. Dies erfolgte im März 2020 im Umfeld des Industriegebietes nördlich der Erich-Ollenhauer- Straße in Bergkamen. Aus der sich anschließenden Auswertung ergaben sich erste Hinweise auf immissionsbedingte Einträge von PCB in zwei Gebieten von Bergkamen. Ein erster vorläufiger Berichtsentwurf des LANUV ist am 29.06.2020 der Fachabteilung des MULNV NRW übersandt worden. Der Endbericht wurde am 11.08.2020 vom LANUV an die Bezirksregierung Arnsberg übersandt. Ebenfalls am 11.08.2020 hat die Bezirksregierung Arnsberg die Stadt Bergkamen über erhöhte PCB-Werte in Löwenzahnproben und über die geplante vorsorgliche Verzehrempfehlung im Umfeld des Industriegebiets informiert. Erst zu diesem Zeitpunkt lagen hinreichend bewertete und repräsentative Untersuchungsergebnisse vor, aufgrund derer eine gesundheitsrelevante Belastung von Nahrungspflanzen nicht ausgeschlossen werden konnte. Am 17.08.2020 hat die Bezirksregierung Arnsberg, auf Empfehlung des LANUV und nach Abstimmung mit der Stadt Bergkamen, im Wege der Pressemitteilung eine vorsorgliche Verzehrempfehlung für selbst angebautes Blattgemüse, wie z. B. Grünkohl, Spinat, Mangold, ausgesprochen. Eine differenzierte Verzehrempfehlung (z. B. Häufigkeit des Verzehrs) kann erst nach Vorliegen der Ergebnisse der sich nun anschließenden Grünkohluntersuchungen ausgesprochen werden. Die Bezirksregierung Arnsberg hat das Unternehmen M&R Recycling Solution als möglichen Emittenten ermittelt, nach eventuellen weiteren Quellen wird derzeit gesucht. 5. Wie plant die Landesregierung, die Bürgerinnen und Bürger Bergkamens in die weiteren Schritte mit einzubeziehen? Die Landesregierung ist weiterhin im Austausch mit der Bezirksregierung Arnsberg, die zusammen mit der Stadt Bergkamen die Bürgerinnen und Bürger vor Ort über die weiteren relevanten Schritte informiert und einbindet. Es ist geplant, dass in einer der nächsten öffentlichen Umweltausschuss-Sitzungen der Stadt Bergkamen die Bezirksregierung Arnsberg weiter informiert. Darüber hinaus stehen die Ansprechpartner bei der Bezirksregierung Arnsberg wie bisher für weitere Auskünfte zur Verfügung.