LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11146 29.09.2020 Datum des Originals: 28.09.2020/Ausgegeben: 05.10.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4252 vom 27. August 2020 der Abgeordneten Lisa-Kristin Kapteinat und Gordan Dudas SPD Drucksache 17/10762 Ausbildung in der Covid19-Krise – Wohin gehen die Jugendlichen ohne Ausbildungsstelle? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Zuletzt Ende Juli wurde in Folge der Covid19-Pandemie ein drastischer Rückgang der Ausbildungsstellen für das gerade gestartete Ausbildungsjahr gemeldet. Insgesamt waren es nach aktuellen Informationen der Agentur für Arbeit 8,2 Prozent weniger gemeldete Stellen im Juli 2020 gegenüber dem Vorjahresmonat. Bereits seit Monaten zeichnete sich diese Entwicklung ab. Aktuell gibt es demnach noch 38.704 freie Ausbildungsstellen landesweit (Quelle: Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Agentur für Arbeit). Aber gleichzeitig zum Rückgang der Ausbildungsstellen ist auch ein Rückgang bei den Ausbildungsstellensuchenden zu vermerken. Auf die noch verfügbaren Ausbildungsstellen kommen landesweit noch 32.247 junge Menschen, die eine duale Ausbildungsstelle suchen. Zwar besteht auch noch in den kommenden Wochen die Möglichkeit, dass Betriebe und Suchende zusammenfinden und Ausbildungsverträge geschlossen werden. Gleichzeitig stellt sich die Frage, in welche Richtung sich die als unversorgt erfassten oder auch die anderen jungen Menschen orientieren, die nicht nach einem Ausbildungsplatz suchen. Neben der Alternative eines Studiums an Hoch- und Fachhochschulen könnte eine wachsende Zahl junger Menschen etwa an die Berufskollegs streben, um das anstehende Jahr zu überbrücken. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4252 mit Schreiben vom 28. September 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Bildung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung sieht in der dualen Ausbildung einen wesentlichen Schlüssel für die Sicherung von Fachkräften in den Betrieben und die Schaffung beruflicher Perspektiven für junge Menschen. Nach der aktuellsten verfügbaren monatlichen Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) waren im August noch 28.727 gemeldete Ausbildungsstellen frei, 23.535 junge Menschen waren noch unversorgt und suchten eine duale Berufsausbildung, 11.319 weitere Bewerberinnen und Bewerber verfügten über eine Alternative, suchten jedoch weiterhin einen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11146 2 Ausbildungsplatz. Im Vergleich zum Vorjahr lag die Zahl der gemeldeten Bewerberinnen und Bewerber um 10,6% niedriger als im Vorjahresmonat bei 111.288. Die Zahl der gemeldeten Berufsausbildungsstellen lag bei 106.834, 7,7% weniger als im Vorjahresmonat. Die Bewerber-Stellen-Relation (Berufsausbildungsstellen pro Bewerber) liegt in NRW aktuell bei 0,96, im vergangenen Jahr lag sie zur gleichen Zeit bei 0,93. Regional zeigen sich große Unterschiede. So hat Südwestfalen die stärksten Besetzungsprobleme mit 1,33 Stellen pro Bewerber/-in, im Ruhrgebiet gibt es mit 0,82 Stellen pro Bewerber/-in die größten Versorgungsprobleme in NRW. Die Partner des Ausbildungskonsenses NRW richten in der Corona-Krise alle Anstrengungen darauf, Ausbildung im Sinne der beruflichen Perspektiven junger Menschen und der Fachkräftesicherung der Unternehmen auch in dieser außergewöhnlichen Zeit zu sichern. 1. Wie bewertet die Landesregierung die aktuelle Situation auf dem Ausbildungsmarkt vor dem Hintergrund der Covid19-Pandemie? Die Bedeutung beruflicher Ausbildung für Fachkräftesicherung und die Schaffung beruflicher Perspektiven für junge Menschen gilt in der Corona-Pandemie unverändert fort. Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt zeigt deutlich die Folgen der Corona-Pandemie. Abschlussprüfungen an den Schulen fanden später statt, Messen, Speed-Datings und Kurzpraktika entfielen aufgrund der Kontaktbeschränkungen im Frühjahr weitgehend. Bewerberinnen und Bewerber, Ausbildungsbetriebe und Akteure in den Vermittlerrollen mussten ihre Prozesse den gegebenen Umständen anpassen, neue Formate wurden entwickelt. Positiv stimmt die Landesregierung, dass sowohl bei den Bewerberinnen und Bewerbern als auch bei den gemeldeten Stellen die Lücke zum Vorjahr im Juli und im August kleiner wurde. Im Juni lag die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber noch um 12,1 % hinter der des Vorjahres, im Juli noch bei 10,8% Rückgang, im August noch ein Rückgang von 10,6% im Vergleich zum Vorjahresmonat. Auch bei den gemeldeten Stellen ist diese Tendenz zu beobachten. Hier lag die Zahl der gemeldeten Stellen im Juni um 9,1% hinter dem Vorjahr, im Juli der Wert bei 8,2% Rückgang und im August bei 7,7% weniger gemeldeten Stellen im Vergleich zum Vorjahresmonat. So ist die Landesregierung trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage verhalten optimistisch, dass in diesem Ausbildungsjahr bis zum 31.01.2021 noch viele Bewerberinnen und Bewerber in freie Ausbildungsstellen vermittelt werden können. 2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über den Verbleib von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die in diesem Jahr keine Ausbildungsstelle finden konnten? Aufgrund von Unsicherheiten über die Perspektiven und zeitlichen Verschiebungen vieler Vermittlungsprozesse ist die Zahl tatsächlich im neuen Ausbildungsjahr zu Stande kommender Ausbildungsverhältnisse noch nicht klar abzuschätzen. Als unversorgt gelten alle Bewerberinnen und Bewerber, die eine Berufsausbildungsstelle suchen und bisher noch nicht in eine Berufsausbildung einmünden, nicht zur Schule gehen und auch nicht an einer Fördermaßnahme teilnehmen. Im August ist das eine Gruppe von 23.535 Personen, das sind 4,4% mehr unversorgte Bewerberinnen und Bewerber als im Vorjahresmonat. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11146 3 Eine weitere Gruppe umfasst diejenigen, die sich bis jetzt nicht bei der BA als ausbildungssuchend gemeldet haben. Diese Gruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist nicht eindeutig einzugrenzen, da keine Meldepflicht besteht. Aus den Daten der amtlichen Schulstatistik liegen dazu keine belastbaren Daten vor. Priorität hat für die Landesregierung, die bestehenden Potenziale auf dem Ausbildungsmarkt zu erschließen. 3. Erwartet die Landesregierung eine steigende Nachfrage nach Plätzen an den Berufskollegs in Nordrhein-Westfalen? Als Folge der Corona-Krise können sich noch nicht quantifizierbare Veränderungen beim Stellenbedarf an den Berufskollegs ergeben, wenn Ausbildungsplätze nicht im bisherigen Umfang zur Verfügung stehen. Das Land hat Vorkehrungen getroffen, eine Beschulung in vollzeitschulischen Bildungsgängen sicherzustellen. Für den Fall, dass die zugewiesenen Stellen nicht ausreichen, um den schülerzahlbedingten Stellenbedarf an den Berufskollegs zu decken, können nach Beginn des Schuljahres weitere Stellen zur Bedarfsdeckung zugewiesen werden. 4. Welche alternativen Möglichkeiten werden junge Menschen ohne Ausbildungsplatz angehen, die keine Zugangsberechtigung zu (Fach- )Hochschulen haben? Grundsätzlich haben junge Menschen, die keinen Ausbildungsplatz finden, die Möglichkeit, sich bei der BA zu melden, um sich Vermittlungsangebote machen zu lassen und gegebenenfalls im Nachvermittlungsverfahren noch einen Ausbildungsplatz zu finden. Dazu wurde der Beginn des Ausbildungsjahres verlängert bis zum Januar 2021. Eine weitere Möglichkeit ist, eine Schule für einen weiterqualifizierenden Abschluss zu besuchen. Weitere Möglichkeiten sind der Besuch einer berufsvorbereitenden Fördermaßnahme oder auch ein Freiwilliges Soziales Jahr. An den Berufskollegs können junge Menschen in unterschiedliche Bildungsgänge einmünden. Dies sind Bildungsgänge zur Ausbildungsvorbereitung, zum Erwerb eines Berufsabschlusses nach Landesrecht und zum Erwerb von beruflichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Vorbereitung auf eine Ausbildung oder ein Studium in Verbindung mit dem Erwerb allgemeinbildender Abschlüsse. 5. Welche Auswirkungen erwartet die Landesregierung auf das Ausbildungsjahr 2021/2022? Da die Entwicklung der Pandemie nicht vorhersehbar ist, sind hier verschiedene Szenarien vorzubereiten. Auf der Basis der Erfahrungen aus dem laufenden Ausbildungsjahr 2019/2020 wird weiter davon ausgegangen, dass die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen sowie der zukünftige Fachkräftebedarf der Unternehmen den Ausbildungsmarkt auch zukünftig nachhaltig prägen werden.