LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11147 29.09.2020 Datum des Originals: 28.09.2020/Ausgegeben: 05.10.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4243 vom 27. August 2020 des Abgeordneten Thomas Kutschaty SPD Drucksache 17/10753 Wo bleibt der Deckel für Clemens Tönnies? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Corona-Ausbruch beim Fleischbetrieb Tönnies führte im Juni und Juli zu einem Herunterfahren des öffentlichen Lebens mit vielen Einschränkungen für den persönlichen Alltag eines jeden Anwohners in den Kreisen Gütersloh und Warendorf. Der Gütersloher Landrat Adenauer forderte damals, dass die entstandenen Kosten an das Unternehmen weiter gereicht werden sollten: „Wir werden ihm irgendwann die Rechnung präsentieren. (…) Der Deckel wird mit Sicherheit größer werden. Immerhin hat Tönnies die Ursache für viele Kosten gesetzt“ (https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handelkonsumgueter /corona-ausbruch-guetersloher-landrat-irgendwann-werden-wir-toennies-dierechnung -praesentieren/25983634.html). Bei "Markus Lanz" hatte auch der Warendorfer Landrat Olaf Gericke das angekündigt: "Die große Rechnung werde ich Herrn Tönnies schicken." (https://rponline .de/panorama/fernsehen/markus-lanz-mit-landrat-olaf-gericke-wut-ueber-clemenstoennies _aid-51843565) Und auch Ministerpräsident Armin Laschet betonte, er sehe Tönnies in der Verantwortung: „Es wird derzeit sehr genau geprüft, ob und gegen welche Regeln das Unternehmen verstoßen hat und wo es in Haftung genommen werden kann” (https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-06/corona-ausbruch-guetersloh-armin-laschettoennies -haftbar). Später wurde bekannt, dass das Unternehmen mit Bezug auf das Infektionsschutzgesetz Anträge zur Erstattung von Lohnkosten durch Landesmittel gestellt hat. Landesarbeitsminister Laumann stellte daraufhin fest, dass „alles so geprüft wird, dass möglichst kein Geld fließt. Da können Sie Gift drauf nehmen“ (https://www.n-tv.de/politik/Gestatten-Toennies-maechtigster- Gegner-article21917013.html). Weiter wurde auch bekannt, dass die Privatperson Clemens Tönnies wie auch der Schlachtkonzern Tönnies seit Jahren Großspender der CDU sind (https://www.rnd.de/politik/tonnies-spenden-an-cdu-nimmt-fleischkonzern-einfluss-auf-politik- XNBNJEBFTRFE3CDFRFKYOYTNXM.html). Ob es neben den finanziellen auch persönliche LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11147 2 Verflechtungen zwischen Spender und Empfänger gegeben hat, ist bisher nicht abschließend geklärt. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4243 mit Schreiben vom 28. September 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet. 1. Wie hoch belaufen sich die Kosten, die dem Land und den Kreisen durch das Unternehmen Tönnies im Rahmen des Lockdowns entstanden sind? Die Frage kann zum heutigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Unmittelbare Kosten des Landes würden v.a. im Bereich der Lohnkostenerstattung nach § 56 IfSG entstehen, diese Verfahren sind aber noch nicht abgeschlossen (s. Frage 3 ff.). Die Ermittlung und Geltendmachung kommunaler Kosten obliegt den Städten und Kreisen. Inwieweit diese die Kosten im Zusammenhang mit dem lokalen „Lock Down“ z.B. für Schülerbetreuung, eigene Personalkosten etc. schon ermittelt haben oder ermitteln können, ist der Landesregierung nicht bekannt. Unabhängig von der Höhe möglicher Ansprüche prüft die Landesregierung derzeit mögliche Anspruchsgrundlagen für Schadensersatzansprüche. Ob diese vorliegen wird vor allem von der Art der Verstöße und ihrer nachweisbaren Kausalität für das Infektionsgeschehen abhängen. Ob sich eine solche Kausalität angesichts der in der Wissenschaft nach wie vor offenen Fragen zu den konkreten Infektionsgeschehen nachweisen lässt und ob kausal für den Schaden Verstöße gegen vorher bestehende Regelungen waren, bedarf einer komplexen rechtlichen und tatsächlichen Prüfung. Auch diese ist noch nicht abgeschlossen. 2. In welcher Höhe haben Landesregierung und betroffene Kreise dem Unternehmen Tönnies Rechnungen für den Lockdown in Gütersloh und Warendorf gestellt (bitte nach genauen Kostenpunkten aufschlüsseln)? Hierzu liegen der Landesregierung derzeit keine Erkenntnisse vor. Aus den zu Frage 1 dargestellten Gründen hat die Landesregierung noch keine Kosten geltend gemacht. 3. Welche konkreten Verfahrensschritte beinhaltete die von Minister Laumann angekündigte Prüfung zur Ablehnung der Anträge von Tönnies zur Erstattung von Lohnkosten (Bitte aufschlüsseln nach den Verfahrensschritten und beteiligten Stellen)? Die derzeit laufende Prüfung beinhaltet die detaillierte rechtliche und tatsächliche Untersuchung aller für die Frage einer Zahlungsverpflichtung des Landes aus § 56 Infektionsschutzgesetz relevanten Aspekte. Hierzu zählen im Einzelnen: • das Vorliegen einer den Zeitraum der Antragstellung umfassenden Quarantäneanordnung bzw. eines behördlichen Tätigkeitsverbots für den/die Arbeitnehmer • die Frage, ob der Arbeitgeber dem Grunde und der Höhe nach seiner Vorleistungspflicht zur Lohnfortzahlung für die Arbeitnehmer nachgekommen ist LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11147 3 • die Prüfung, ob und ggfls. welche Obliegenheitsverletzungen beim Arbeitgeber vorhanden sind, die einer Erstattungspflicht entgegenstehen. Hierzu kann z.B. die allgemeine Fürsorgepflicht oder die Pflicht des Arbeitgebers, das vom Arbeitsplatz keinerlei gesundheitliche Gefährdung für den Arbeitnehmer ausgehen darf, zählen. Mit Blick auf die Komplexität und den notwendigen Umfang dieser Prüfung ist die Benennung konkreter Verfahrensschritte zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich. 4. In welcher Höhe haben das Unternehmen Tönnies und seine Subunternehmer beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe bzw. beim Land im Rahmen der Corona-Pandemie über das Infektionsschutzgesetz Lohnkostenerstattung beantragt? Diese Frage lässt sich derzeit noch nicht beantworten, weil die genaue Höhe der geltend gemachten Lohnkostenerstattung erst im Rahmen der Abarbeitung der Anträge ermittelbar ist. Im Hinblick auf die den Landschaftsverbänden derzeit vorliegenden knapp 50.000 Anträge stehen die Anträge in Zusammenhang mit dem Corona-Ausbruch bei der Firma Tönnies zurzeit noch nicht zur Bearbeitung an. 5. In welcher Höhe wurden dem Unternehmen bereits Lohnkostenerstattungen bewilligt (Bitte aufschlüsseln nach Landschaftsverband Westfalen-Lippe und Land NRW)? Soweit hiermit Lohnkostenerstattungen in Zusammenhang mit dem Corona-Ausbruch bei der Firma Tönnies gemeint sind, wurden bislang keine Leistungen bewilligt.