LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11185 29.09.2020 Datum des Originals: 29.09.2020/Ausgegeben: 05.10.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4293 vom 7. September 2020 des Abgeordneten Frank Börner SPD Drucksache 17/10910 Unendliche Geschichte des Pharmafilters geht weiter – Fachabteilungen blockieren sich gegenseitig! Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit einigen Jahren sind sich alle Beteiligten im Bundesumweltministerium und Landesumweltministerium einig, dass ein Pilotprojekt einer vierten Reinigungsstufe – direkt am Verursacher – am Evangelischen Klinikum Niederrhein im Duisburger Norden förderungswürdig und begrüßenswert ist. Immer wieder werden neue bürokratische Hürden aufgebaut, die den Start in die Umsetzungsphase verschieben. Aktuell wird dem Projekt die Genehmigung der Einleitung des geklärten Wassers in das Oberflächengewässer der kleinen Emscher verwehrt. Es sollen nun alle Aspekte, die in einem eigens für das Projekt aufgesetzten, vom Landesumweltministerium finanzierten Begleitforschungsvorhaben über zwei Jahre überprüft und bewertet werden, bereits vor Inbetriebnahme der Anlage beantwortet sein. Eine auf nur wenige Jahre begrenzte Einleitgenehmigung würde im negativen Fall das Projekt schon nach kurzer Zeit beenden. Für den Maßnahmenträger würde dies bedeuten, dass die Fördergelder zurück zu erstatten sind. Da dieses Projekt wissenschaftlich begleitet werden soll, ist es jederzeit möglich, bei ungünstigen Werten im Abwasser die Technik der Filterstufe zu verbessern und Abhilfe zu schaffen oder das gereinigte Wasser unmittelbar in den Emscher Kanal einzuleiten und der Großkläranlage zuzuführen. Wenn eine Umsetzung bis Ende des Jahres nicht realisiert wird, ist ein Fördermittelabruf auch in diesem Jahr nicht mehr möglich. Eine Übertragung der Mittel in das nächste Haushaltsjahr ist zumindest auf Seiten des Bundes fraglich. Dies würde das finanzielle KO für das Projekt bedeuten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11185 2 Die Minister für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4293 mit Schreiben vom 29. September 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. 1. Ist die Landesregierung noch an der Weiterführung des Projektes Pharmafilter am Evangelischen Klinikum Niederrhein GmbH interessiert? Die Landesregierung hat ein hohes Interesse an der Erprobung neuer und innovativer Verfahren der Abwasserbehandlung und damit auch an der Weiterführung des Projektes Pharmafilter am Evangelischen Klinikum Niederrhein GmbH (EKN GmbH). Dieses Interesse ist durch den im letzten Jahr ergangenen Zuwendungsbescheid dokumentiert. Das Vorhaben ist insbesondere im Hinblick auf die vorgesehene Abwasserbehandlung von Interesse, da es zur Weiterentwicklung des Standes der Abwassertechnik dienen kann. Zudem könnte es zu den im Koalitionsvertrag genannten Eintragsvermeidungsstrategien hinsichtlich des Medikamenteneintrags beitragen. Die wasserwirtschaftliche Relevanz des Vorhabens steht außer Frage. Aktuell bestehen noch nicht geklärte abfall- und wasserrechtliche Fragestellungen, die vor Projektbeginn geklärt werden müssen. Sonst ist die Zulassung der Anlage und ihrer Abwassereinleitung und damit eine Förderung des Vorhabens nicht möglich (vgl. Antwort zu Frage 2). 2. Wie bewertet die Landesregierung den Stand der Überprüfung der Einleitgenehmigung? Der von der EKN GmbH mit Datum vom 08.05.2020 gestellte Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zur Einleitung von Abwasser aus dem Pharmafilter in die Kleine Emscher und ein Antrag für die Errichtung und den Betrieb des Pharmafilters als Abwasserbehandlungsanlage befinden sich in der Prüfung durch die Untere Wasserbehörde der Stadt Duisburg (UWB). Bisher konnten noch nicht alle essentiellen Fragestellungen abschließend positiv geklärt werden. Der Antrag ist insofern gegenwärtig noch nicht genehmigungsreif. In Gesprächen zwischen EKN GmbH und UWB, zuletzt am 28.08.2020, hat die EKN GmbH eine zeitnahe Überarbeitung der Unterlagen zugesagt. Aktualisierte Antragsunterlagen liegen gegenwärtig aber noch nicht vor. Das Projekt Pharmafilter sieht nicht nur die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur innovativen Behandlung des Krankenhausabwassers vor, sondern auch die Entsorgung von Bettpfannen und Urinbehältern aus Bio-Kunststoff mit Hilfe von Zerkleinerungsmaschinen über das Abwassersystem. Diese sollen auf den Stationen in die Abwasserleitungen eingebracht und so zur Abwasserbehandlungsanlage transportiert werden. Nach einer fest/flüssig- Trennung sollen die nicht-flüssigen Bestandteile in einem Gärbehälter vergoren und anschließend der thermischen Verwertung zugeführt werden. Eine vergleichbare Anlage ist bisher in Deutschland nicht in Betrieb. Die für den Betrieb des Pharma-Filters neu eingeführte Verwendung von Bettpfannen und Urinbehältern als Einmal-Produkte anstelle der sonst in Krankenhäusern üblichen Mehrwegprodukte wirft verschiedene Fragen im Hinblick auf die rechtlichen Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und der Gewerbeabfallverordnung auf. Insbesondere muss geklärt werden, dass die Verwendung von Einwegprodukten den Schutz von Mensch und Umwelt im Gegensatz zu der sonst in Krankenhäusern üblichen Verwendung von Mehrwegprodukten, am besten gewährleistet, und ob eine Ausnahme von der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11185 3 Getrennthaltungspflicht nach der Gewerbeabfallverordnung wegen technischer Unmöglichkeit oder wirtschaftlicher Unzumutbarkeit geboten ist. Sowohl die Einleitungserlaubnis als auch die Anlagengenehmigung sind Voraussetzung für den Betrieb des Pharmafilters. Sie können nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erteilt werden. Dies schließt die o.g. abfallrechtlichen Vorgaben mit ein, da sowohl die Anlagengenehmigung als auch die Erlaubnis für das Einleiten von Abwasser unter dem gesetzlichen Vorbehalt stehen, dass Anforderungen nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfüllt sein müssen. Ob die Anforderungen erfüllt sind, kann nicht erst während des laufenden Anlagenbetriebs im Rahmen des Projektes zur wissenschaftlichen Begleitung der Implementierung des Pharmafilters geklärt werden. Aus Sicht der Landesregierung ist das Vorgehen der UWB nicht zu beanstanden. 3. Wird sich die Landesregierung engagieren, um hier doch noch die notwendigen Schritte einzuleiten, um mit diesem Projekt starten zu können? Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MULNV) steht, wie bisher auch, allen Projektbeteiligten beratend zur Seite. Um die Klärung der noch offenen fachlichen Fragestellungen zu forcieren, steht das MULNV auch mit der EKN GmbH im regelmäßigen Kontakt. Um das Zulassungsverfahren voranzubringen, hat das MULNV außerdem das Umweltbundesamt sowie das Robert-Koch-Institut, Fachgebiet 14 "Angewandte Infektionsund Krankenhaushygiene", um fachliche Unterstützung bei der Beantwortung noch offener Fragestellungen gebeten. 4. Ist die Landesregierung bereit, mit einer Steuerung aus dem Ministerbüro die weiteren Schritte bis zur tatsächlichen Genehmigung dieses Projektes zu betreuen? Die Zuständigkeit für die aktuell laufenden Genehmigungs- und Erlaubnisverfahren obliegt der UWB. Mit der Abwicklung der parallel laufenden Förderverfahren ist das LANUV beauftragt worden. Das gesamte Verfahren wird durch die zuständigen Fachreferate des MULNV fachlich eng begleitet. Eine weitergehende Steuerung der Genehmigungs- und Erlaubnisverfahren durch das Ministerbüro ist nicht erforderlich. 5. Wann wird dieses Projekt endgültig in die Realisierungsphase gehen können? Das MULNV, das LANUV und die UWB arbeiten an einer raschen Klärung der offenen Fragen. Diese ist allerdings abhängig von der Vorlage genehmigungsfähiger Antragsunterlagen. Eine Prognose über die weitere Projektrealisierung ist daher aktuell nicht möglich.