LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11191 30.09.2020 Datum des Originals: 28.09.2020/Ausgegeben: 06.10.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4260 vom 24. August 2020 des Abgeordneten Stefan Kämmerling SPD Drucksache 17/10772 Absage der Karnevalssession 2020/2021? Was sind die Folgen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage „Draußen, Straßenkarneval, Infektionsübertragungszeit, Alkohol, Enge – das passt nicht in diese Zeit“ 1, gab der NRW-Ministerpräsident im Juni bekannt. Am 18. August äußert schließlich auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn seine Bedenken gegenüber dem Karneval in der kommenden Session: „Ich kann mir Karneval in diesem Winter, mitten in der Pandemie schlicht nicht vorstellen. Das ist bitter, aber so ist es."2 Ministerpräsident Laschet wiederum ist sich nun, Stand August, nicht mehr sicher, ob es zu früh sei, den Karneval für die kommende Session aufgrund der Corona-Pandemie abzusagen. Man müsse das Infektionsgeschehen abwarten, betont Laschet. Im WDR-Sommerinterview verweist der Ministerpräsident auf die laufenden Vorbereitungen der zahlreichen Karnevalsgesellschaften in NRW. Zuvor hatte ihn der CDU-Landrat des Rhein-Sieg-Kreises um eine Absage des Karnevals gebeten. Vor allem der Sitzungskarneval mit verringerter Gästezahl bei gleichbleibenden Kosten treibe viele Gesellschaften in den wirtschaftlichen Ruin. Damit liegen innerhalb kürzester Zeit sehr unterschiedliche Aussagen exponierter CDU- Akteure aus Nordrhein-Westfalen vor. Und diese Widersprüchlichkeit ist geeignet, die in den vom Karneval maßgeblich abhängenden Branchen in unserem Bundesland, noch weiter zu verunsichern. Der Karneval ist nicht ausschließlich ein Brauchtum, in dem allein in NRW tausende ehrenamtlich mit Herzblut wirken, sondern auch ein wirtschaftliches Schwergewicht für die karnevalistisch geprägten Regionen im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands. Kostümierungen, besonders hohe Einnahmen in den Schankwirtschaften und Hotelübernachtungen sind nur einige der finanziellen Gesichtspunkte des Karnevals. Allein die Stadt Köln erwartete für die gesamte Session 2019/2020 einen karnevalsbedingten Umsatz 1 Der Spiegel (2020): „Laschet spricht sich gegen Straßenkarneval im November aus“, 30.06.2020, https://www.spiegel.de/panorama/corona-krise-armin-laschet-spricht-sich-gegen-strassenkarneval-im-november-aus-a- 55fc0657-9ddf-4648-98ae-d369ff8c1e82 [Zugriff 20.08.2020]. 2 N-TV: „Spahn kann sich Karneval nicht vorstellen“, 18.09.2020, https://www.n-tv.de/panorama/Spahn-kann-sich-Karnevalnicht -vorstellen-article21980310.html [Zugriff 20.08.2020]. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11191 2 von rund 631 Millionen Euro. In Köln seien laut einer Untersuchung in der Session 2017/2018 rund 6.500 Arbeitsplätze vom Brauchtum Karneval abhängig gewesen.3 In der Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 19.08.2020 konnte die Landesregierung Fragen des Unterzeichners dieser Kleinen Anfrage zu karnevalsgenerierten Umsätzen in ganz Nordrhein- Westfalen nicht beantworten. Diese Kleine Anfrage soll darum auch dem Anliegen dienen, einen Überblick darüber zu erhalten, welche wirtschaftlichen Folgen eine „Absage“ des Karnevals in unserem Bundesland hätte. Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4260 mit Schreiben vom 28. September 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten, dem Minister der Finanzen, dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung wie folgt: 1. Wann wird die Landesregierung final bekanntgeben, ob die Karnevalssession 2020/2021 stattfinden wird? 2. Wird die Landesregierung für den Zeitraum der Karnevalssession 2020/2021 eine Art Versammlungsverbot für karnevalistische Aktivitäten in NRW aussprechen? 3. Hat die Landesregierung bereits ein Konzept entwickelt, nach dem die verschieden geprägten Aktivitäten (ländlich/städtisch) des Brauchtums Karneval in der Session 2020/2021 ausgeübt werden können? Die Fragen 1 bis 3 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Landesregierung und Vertreter des Karnevals haben sich am Freitag, 18.09.2020, auf einen Fahrplan für die Session 2020/2021 verständigt. So werden für karnevalistische Aktivitäten die bereits in der Coronaschutzverordnung festgeschriebenen Vorgaben des Infektionsschutzes gelten, sodass insbesondere Karnevalsbälle, Karnevalsumzüge, Partyformate und gesellige Karnevalsveranstaltungen ohne Beachtung des Abstandsgebotes nicht in Betracht kommen. So werden nach den bereits in der Coronaschutzverordnung festgeschriebenen Vorgaben des Infektionsschutzes insbesondere Karnevalsbälle, Karnevalsumzüge, Partyformate und gesellige Karnevalsveranstaltungen ohne Beachtung des Abstandsgebotes nicht in Betracht kommen. Die Abreden sehen u.a. vor: • Karnevalsbälle, Partyformate und gesellige Karnevalssitzungen ohne Beachtung des Abstandgebotes können nicht stattfinden. Die Corona-Schutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen untersagt in ihrer aktuellen Fassung Veranstaltungen, die nicht die strengen Vorgaben des Infektionsschutzes erfüllen und lässt gesellige Veranstaltungen nur aus herausragendem Anlass (z.B. Hochzeiten oder Beerdigungen) mit einer festen Personenobergrenze zu. Eine Veränderung dieser Regelungen wird es voraussichtlich bis Ende Februar nicht geben können. • Dafür treten an die Stelle der bekannten Formate – insbesondere kleinere – karnevalistische Kulturveranstaltungen, wie etwa Konzerte, die den auch allgemein geltenden Vorgaben der Coronaschutzverordnung sowie den gebilligten 3 Westdeutsche Zeitung: „Karneval wird als Wirtschaftsfaktor wichtiger“, 10.11.2019, https://www.wz.de/nrw/deutlich-mehrausgaben -karneval-wird-als-wirtschaftsfaktor-wichtiger_aid-47076451 [Zugriff 20.08.2020]. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11191 3 Hygienekonzepten entsprechen. Dazu zählen auch Besuchstermine der Tollitäten bei Veranstaltungen oder Einrichtungen. • Karnevalsumzüge, die in ihrer üblichen Ausgestaltung unter das geltende Verbot von Straßenfesten fallen, werden nicht möglich sein. Andere Veranstaltungen in der Session unter freiem Himmel müssen gemäß den Vorgaben der Coronaschutzverordnung konzipiert sein und werden sich dadurch in ihren Grundzügen von den Veranstaltungen der letzten Sessionen unterscheiden. • Die Landesregierung empfiehlt, dass die kommunalen Ordnungsbehörden am 11.11.2020 ein Alkohol- sowie gegebenenfalls ein Verweilverbot an neuralgischen Stellen im öffentlichen Raum aussprechen. Die Kommunalen Spitzenverbände unterstützen diese Empfehlung. 4. Wie hoch beziffert die Landesregierung zu befürchtende Umsatzeinbrüche für die nordrhein-westfälische Wirtschaft, würde die Karnevalssession 2020/2021 nicht stattfinden? Der Landesregierung liegen keine belastbaren Informationen vor, um diese sehr global gefasste Frage beantworten zu können. 5. In welchem Umfang wird die Landesregierung die finanziellen Ausfälle in der Karnevalssession 2020/2021, bedingt durch die Gesundheitsauflagen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, der in Nordrhein-Westfalen vom Wirtschaftsfaktor Karneval abhängigen Betriebe abfedern? Seitens der Bundesregierung wurde am 12.06.2020 die Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit im Zuge der Corona-Pandemie ganz oder teilweise einstellen müssen, mit dem Ziel beschlossen, die wirtschaftliche Existenz der Unternehmen, der Solo-Selbstständigen und Angehörigen der freien Berufe zu sichern. Als Unternehmen gilt dabei jede rechtlich selbstständige Einheit mit eigener Rechtspersönlichkeit unabhängig von ihrer Rechtsform, die wirtschaftlich am Markt tätig ist und zum Stichtag 29.02.2020 zumindest einen Beschäftigten unabhängig von der Stundenanzahl hatte, inklusive gemeinnützigen Unternehmen beziehungsweise Sozialunternehmen, Organisationen und Vereinen. Die Überbrückungshilfe ist branchenübergreifend angelegt, wobei den besonders betroffenen Branchen wie Unternehmen der Veranstaltungsbranche Rechnung getragen wird. Zusätzlich zu den Förderbeträgen des Bundes stellt das Land im Rahmen des Verfahrens der Überbrückungshilfe einen fiktiven Unternehmerlohn für Solo-Selbstständige, Freiberufler und im Unternehmen tätige Inhaber von Einzelunternehmen und Personengesellschaften in Höhe von maximal 1.000 Euro pro Monat bereit. Das Ziel des Zusatzprogrammes ist die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz dieser wichtigen Wirtschaftsakteure. Die Überbrückungshilfe wurde ursprünglich für die Laufzeit 01.06.2020 bis 31.08.2020 konzipiert und von der Bundesregierung zwischenzeitlich bis zum 31.12.2020 verlängert. Für eine solche Verlängerung hat sich Nordrhein-Westfalen bereits frühzeitig eingesetzt. Dabei ist der Bund der von Nordrhein-Westfalen und zwei anderen Ländern gestarteten Initiative auch dahingehend gefolgt, die Zugangsvoraussetzungen abzusenken und die maximalen Förderbeträge zu erhöhen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11191 4 Die Landesregierung wird bestehende Förderprogramme des Landes verlängern und anpassen, um die karnevalistische Kulturszene für die Zukunft erhalten zu können. Des Weiteren können die Betriebe in der Regel auch auf die öffentlichen Finanzierungsprogramme zugreifen, beispielsweise auf die Darlehensprogramme der NRW.BANK oder auf die Bürgschaftsbank NRW. Seit dem 24.08.2020 bietet die NRW.BANK befristet bis zum 30.12.2020 das neue Förderprogramm „NRW.BANK.Gemeinnützige Organisationen“ mit einer Haftungsfreistellung von 100 % an. Förderfähig sind sowohl Betriebsmittel als auch Investitionen.