LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11213 01.10.2020 Datum des Originals: 01.10.2020/Ausgegeben: 07.10.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4271 vom 28. August 2020 des Abgeordneten Rainer Bischoff SPD Drucksache 17/10786 Unübersichtliche und nachgereichte Bedingungen der Soforthilfe durch das Land NRW Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das Land NRW hat bedingt durch die Corona-Pandemie im März Soforthilfen für Unternehmen und Selbstständige erlassen. Durch eine Begegnung mit einer Antragstellerin aus meinem Wahlkreis kamen einige Fragen auf. Frau Müller (Name geändert) hat einige Problempunkte der Soforthilfe aufgezeigt, die sie trotz Versprechen der Landesregierung, dass jedem geholfen wird, in schwere finanzielle Not einbrachte. Das Antragsverfahren und die Auszahlung der Soforthilfe für Frau Müller ging ohne Komplikationen von statten ab. Erst nach dem Bescheid für die Berechnung der Soforthilfe für Frau Müller traten die Probleme auf. Als Solo-Selbständige würde ihr nur ein kleiner Betrag der Soforthilfe übrig bleiben, der eigentlich ihre Lebenshaltungskosten nicht tragen kann. Die Berechnung des Liquiditätsengpasses ergab eine starke Benachteiligung für Solo-Selbstständige wie Frau Müller. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4271 mit Schreiben vom 1. Oktober 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister der Finanzen beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Um den Schaden für Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen in Folge der Corona-Krise abzufedern, hat der Bund im März 2020 ein Soforthilfeprogramm Corona aufgelegt. Die Landesregierung hat beschlossen, das Angebot des Bundes 1:1 an die Zielgruppen weiterzureichen und dabei zusätzlich den Kreis der angesprochenen Unternehmen noch um die Gruppe der Betriebe mit bis zu 50 Beschäftigten zu erweitern. Insgesamt wurden in Nordrhein-Westfalen 426.000 Anträge bewilligt und 4,5 Milliarden Euro an Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen ausgezahlt. Mit dem Ende des Förderzeitraums hat das Land ab Anfang Juli gemäß den Bundesvorgaben das angekündigte Abrechnungsverfahren gestartet und bislang rund 100.000 der insgesamt 426.000 Hilfeempfänger um Rückmeldung ihres tatsächlichen Finanzierungsengpasses gebeten. Dabei haben sich einige der Abrechnungsvorgaben als problematisch erwiesen. Nordrhein- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11213 2 Westfalen hat sich daraufhin beim Bund intensiv und erfolgreich für weitreichende Verbesserungen im Berechnungsverfahren eingesetzt. Ich habe in der Pressekonferenz vom 19. August 2020 umfassend über die erzielten Verbesserungen im Abrechnungsverfahren informiert. 1. Im Gespräch ergab sich die Angabe, dass der Bereich der Lebenshaltungskosten durch den Zuschuss nicht abzudecken ist, diese Angaben hätten die Antragstellerin am 01.04. erreicht. Antrag und Zuschuss wurden allerdings im März bewilligt. Welche Erklärung gibt es aus Sicht der Landesregierung für diese Zeitabfolge? Auf der Website des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen wurde in den FAQ zur Corona-Soforthilfe vom 29. März 2020 bis zum 1. April 2020 kommuniziert, dass Lebenshaltungskosten des Unternehmers bzw. Solo- Selbstständigen von der Soforthilfe des Bundes umfasst sind. Nach dem Willen der Bundesregierung darf die Soforthilfe allerdings nur für laufende betriebliche Sach- und Finanzaufwendungen verwendet werden und nicht für den Lebensunterhalt. Nach Bekanntwerden dieser strengen Auslegung des Bundes, wurden die FAQ am 1. April 2020 umgehend angepasst. Damit die NRW-Soforthilfe 2020 allen Kleinunternehmen in der Corona- Krise die erhoffte Unterstützung bringt, hat die Landesregierung eine schnelle, faire Lösung entwickelt, mit der Nordrhein-Westfalen den vielen Solo-Selbstständigen Vertrauensschutz gewährt, die auf Grund der o.g. Ausführungen in den FAQ im März und April 2020 darauf vertraut haben, dass die NRW-Soforthilfe ihre Lebenshaltungskosten abdeckt und deshalb im März und April darauf verzichtet haben, Grundsicherung zu beantragen. Die Vertrauensschutzlösung ermöglicht es Solo-Selbstständigen, Freiberuflern und im Unternehmen tätigen Inhabern von Einzelunternehmen und Personengesellschaften, einmalig für die Monate März und April einen pauschalen Betrag von insgesamt 2.000 Euro für Lebenshaltungskosten oder einen (fiktiven) Unternehmerlohn anzusetzen. 2. Bei der Anrechnung der Betriebskosten können weder die private Kranken-, noch Rentenversicherung der Antragstellerin abgerechnet werden, diese sind bei Freiberuflern besonders hoch. Wie begründet/berechnet die LR die Höhe von 2000 EUR fiktivem Unternehmerlohn im Rahmen der Soforthilfe bzw. inwiefern sieht sie die für Soloselbstständige besonders relevanten Versicherungskosten darin abgedeckt. Die Bundesländer haben sich beim Bund nachdrücklich dafür eingesetzt, dass die von der Krise hart getroffenen Solo-Selbstständigen Teile der Soforthilfe auch zur Sicherung ihres Lebensunterhalts einsetzen können. Die Bundesregierung ist dieser parteiübergreifenden Forderung der Länder bedauerlicherweise nicht gefolgt. Mit der NRW-Vertrauensschutz- Lösung ist den Solo-Selbstständigen geholfen worden, die Folgen der Krise abzumildern. Die Zahlung von 2.000 Euro ist angelehnt an ähnliche Ergänzungsprogramme anderer Bundesländer und verhindert eine Besserstellung im Verhältnis zum Bezug von Grundsicherung. Diese ist vom Bundesfinanzminister ausdrücklich zur Deckung der Lebenshaltungskosten vorgesehen und kann seit April 2020 unter vereinfachten Voraussetzungen beantragt werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11213 3 3. Die Berechnungshilfen für die Soforthilfe wurden laut Angaben der Gesprächspartnerin erst Anfang Juli nachgereicht. Wie erklärt die Landesregierung, dass diese Berechnungsgrundlagen nicht schon im März bei Antragsstellung den Antragsstellern bekannt gemacht wurden? Die NRW-Soforthilfe 2020 dient dem Ausgleich eines Liquiditätsengpasses. Ein Liquiditätsengpass liegt vor, wenn die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand (bspw. gewerbliche Mieten, Pachten, Leasingraten) zu zahlen. Diese Zweckbestimmung der Corona- Soforthilfe wurde sowohl im Antrag als auch im Bewilligungsbescheid deutlich kommuniziert. Die mit dem Start des Rückmeldeverfahrens versendete Berechnungshilfe konkretisiert diesen Förderzweck zur Erleichterung und Vereinheitlichung der Berechnung des Liquiditätsengpasses. 4. Das genannte Verfahren wurde unserer Kenntnisnahme durch die Landesregierung NRW gestoppt und zwischenzeitlich wurden weitere Änderungen bei den anrechenbaren Kostenpositionen zwischen dem Bund und den Ländern vereinbart. Auch wurde die Rückmelde-Frist einheitlich auf den 30. November 2020 verlängert. Wann bzw. in welcher Form werden die einschlägigen Änderungen bei den Förderbedingungen bzw. den Fristen den Betroffenen mitgeteilt? Ich habe die Öffentlichkeit in einer Pressekonferenz am 19. August 2020 über die Verbesserungen bei der Abrechnung der NRW-Soforthilfe informiert. Das Rückmeldeverfahren wird noch vor den Herbstferien in Nordrhein-Westfalen wiederaufgenommen. Alle Soforthilfeempfängerinnen und -empfänger erhalten in einer Übersendungsmail einen Vordruck mit einer Berechnungshilfe, die an die neuesten Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern angepasst sein wird. Die Übersendungsmail wird ebenfalls die aktualisierten Fristen beinhalten. Die Rückmelde-Frist ist einheitlich auf den 30. November 2020 verlängert. Eventuelle Rückzahlungen müssen bis zum 31. März 2021 erfolgen. Bereits in der ersten Welle angeschriebene Soforthilfeempfängerinnen und -empfänger werden erneut eine Mail erhalten und über die geänderten Bedingungen informiert. Ihnen wird durch die nachträglichen Verbesserungen kein Nachteil entstehen. 5. Wie sind die bis zum 31. März 2021 eventuell überschüssigen bzw. zurückzuzahlenden Zuschüsse aus der Soforthilfe bei der Versteuerung der Einkommen für das Jahr 2020 durch die Empfänger zu berücksichtigen bzw. inwiefern sind die Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen hierauf vorbereitet? Billigkeitsleistungen des Bundes und der Länder anlässlich der Corona-Krise, die noch im Jahr 2020 zurückgezahlt werden, mindern - jedenfalls bei nicht vom Kalenderjahr abweichendem Wirtschaftsjahr - die Betriebseinnahmen für den Veranlagungszeitraum 2020. Soweit eine Rückzahlung erst in 2021 erfolgt, hängt es von der Gewinnermittlungsart ab, ob sich die Rückzahlung in 2020 oder in 2021 steuerlich auswirkt. Nach dem derzeitigen Stand der Beratungen sollen die auszahlenden Stellen verpflichtet werden, elektronische Mitteilungen über die gezahlten und zurückgezahlten Billigkeitsleistungen des Bundes und der Länder anlässlich der Corona-Krise an die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11213 4 Finanzverwaltung zu übermitteln. Die Abarbeitung dieser Mitteilungen soll in einem automationsunterstützten Verfahren erfolgen.