LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11267 02.10.2020 Datum des Originals: 02.10.2020/Ausgegeben: 08.10.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4262 vom 27. August 2020 der Abgeordneten Ina Spanier-Oppermann SPD Drucksache 17/10774 Photovoltaik-Überdachung und -Lärmschutzwände für Autobahnen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit mehr als 13.000 Kilometer Autobahn in Deutschland, verfügen wir über das viertlängste Netz auf der ganzen Welt. Unsere Autobahnen spielen eine große Rolle für die Mobilität unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft. Dieses vorhandene Flächenpotenzial soll nun in Verbindung mit Photovoltaik-Anlagen zur Stromerzeugung nutzbar gemacht werden. Unter der Leitung des Austrian Institute of Technology (AIT) ist nun ein Pilotprojekt gestartet, welches erforschen soll, in welchem Rahmen an und über Autobahnen Photovoltaikanlagen installiert werden können. Die Forscher planen dabei einen Prototyp einer Photovoltaik- Straßenüberdachung, die den vielfältigen Ansprüchen (Lichtdurchlässigkeit, Wind- und Schneelasten, Verkehrssicherheit bei Unfällen und Entwässerung) gerecht wird. In Neuötting (Landkreis Altötting/ Bayern) ist eine Photovoltaik-Lärmschutzwand bereits im Betrieb und erzeugt pro Jahr bei einer Länge von 234 Metern und 5 Metern Höhe durchschnittlich 51.500 Kilowattstunden Strom. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4262 mit Schreiben vom 2. Oktober 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Verkehr und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung steht dem Einsatz von Photovoltaikanlagen an Bundesfern- und Landesstraßen im Zuständigkeitsbereich des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein- Westfalen grundsätzlich positiv gegenüber. In den vergangenen Jahren gab es bundesweit und auch in Nordrhein-Westfalen vermehrt Bestrebungen, Photovoltaikanlagen auf Lärmschutzanlagen (Lärmschutzwände, Lärmschutzwälle) an Straßen zu bauen oder in diese zu integrieren. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11267 2 Die Realisierung von Photovoltaikanlagen auf Lärmschutzanlagen ist jedoch an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft, die es zu erfüllen gilt. Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen, die zu klären sind, müssen auch die straßenbetrieblichen, naturschutzfachlichen und lärmtechnischen Rahmenbedingungen bei derartigen Anlagen erfüllt sein. Vor diesem Hintergrund können sich bei der Errichtung von Photovoltaikanlagen auf Lärmschutzanlagen erhebliche Mehraufwendungen gegenüber herkömmlichen Photovoltaikanlagen auf Dächern oder Freiflächen ergeben, sodass sich in der Summe ein (deutlich) schlechteres Nutzen/Kosten-Verhältnis ergibt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass obwohl die Integration von Photovoltaikanlagen in Lärmschutzanlagen an Verkehrswegen technisch weitestgehend gelöst ist, die verschiedenen technischen, rechtlichen und straßenbetrieblichen Anforderungen (wie Ausrichtung der Lärmschutzanlage, Absorptionseigenschaften, Reflexionseffekte, statische und konstruktive Besonderheiten und vieles mehr) zumeist Einzellösungen erforderlich machen. Daher konnten die bisherigen Initiativen zur Photovoltaiknutzung an Lärmschutzanlagen in Nordrhein-Westfalen nicht realisiert werden, weil sich letztendlich die Wirtschaftlichkeit der Anlagen nicht darstellen ließ. Auch bundesweit gibt es aus diesem Grund kaum Lärmschutzanlagen mit Photovoltaiknutzung. 1. Sind der Landesregierung die beiden Projekte bekannt? Der Landesregierung sind beide Projekte bekannt. 2. Wie schätzt die Landesregierung das Potenzial und die Umsetzbarkeit von Photovoltaik-Überdachungen über Autobahnen ein? Die Abschätzung des Potenzials von Dachflächen zur Nutzung von Photovoltaikanlagen wurde vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in einer Potenzialstudie ermittelt und im Solarkataster veröffentlicht. Diese Berechnungen enthalten jedoch kein Potenzial von Dächern oder baulichen Anlagen, die noch nicht existieren. Von daher ist es nicht möglich, das Potenzial von Photovoltaik-Überdachungen über Autobahnen zu quantifizieren. Für die Umsetzbarkeit derartiger Anlagen über der Autobahn müssen Standsicherheit und Verkehrssicherheit jederzeit gewährleistet sein. Bei einer Überbauung der Autobahn von mehr als 80 m Länge müssen gegebenenfalls besondere Sicherheitsanforderungen nach der EU- Tunnelrichtlinie erfüllt sein, beispielsweise hinsichtlich des Brandschutzes. Vor diesem Hintergrund bleiben die Ergebnisse des Pilotprojektes zu Photovoltaik-Straßenüberdachungen abzuwarten. Unter Berücksichtigung dieser Sicherheitsvorkehrungen hängen die zu realisierenden Potenziale stets auch von der Wirtschaftlichkeit entsprechender Projekte ab. Für diese Art des Ausbaus der Photovoltaik sind spezielle Unterkonstruktionen für die Überdachung notwendig, die sich deutlich auf die Höhe der Investitionskosten der Projekte auswirken. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11267 3 3. Plant die Landesregierung den Einsatz von Photovoltaik-Lärmschutzwänden entlang der Autobahnen in NRW? 4. Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, um in NRW Photovoltaik- Lärmschutzwände zu installieren oder Lärmschutzwände mit Photovoltaikanlagen nachzurüsten? Die Fragen 3 und 4 werden zusammen beantwortet. Da es dem gesetzlichen Auftrag des Landesbetriebes Straßenbau Nordrhein-Westfalen als Straßenbauverwaltung des Landes für die Bundesfern- und Landesstraßen widerspricht, kann die Straßenbauverwaltung nicht selbst als Energieversorger tätig werden. Sie plant somit auch nicht selbständig den Einsatz von Photovoltaikanlagen an Lärmschutzeinrichtungen entlang der Autobahnen in Nordrhein-Westfalen, zumal das Land ab dem 01.01.2021 die Zuständigkeit für die Bundesautobahnen an die Autobahn GmbH des Bundes abgeben wird. Es müssen also Investoren bzw. Betreiber gefunden werden, mit denen privatrechtliche Nutzungsverträge über die Nutzung der Lärmschutzeinrichtungen durch Photovoltaikanlagen geschlossen werden können. Soweit diese bereit sind, in Abstimmung mit dem Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen alle notwendigen Kriterien hinsichtlich Standsicherheit, Verkehrssicherheit , Anprallsicherheit, Wartungs- und Unterhaltungsmöglichkeiten zu erfüllen und zugleich die lärmtechnische Wirkung der Lärmschutzeinrichtungen nicht beeinträchtigt wird, steht einem derartigen Nutzungsvertrag nichts entgegen. Wie im Entfesselungspaket V dargelegt, wird das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie in Abstimmung mit dem Ministerium für Verkehr ein Erschließungskonzept für die Nutzung der Randstreifen entlang von Autobahnen und überregionalen Schienenwegen für die Photovoltaik erarbeiten. In diesem werden insbesondere die neuen Rahmenbedingungen berücksichtigt, die sich durch die Novellierung des EEGs ergeben. So sieht der am 23.09.2020 beschlossene Gesetzesentwurf des Bundeskabinetts u.a. vor, die Gebietskulisse für Freiflächen-PV von 110 m auf 200 m (Seitenrandstreifen) an Autobahnen und überregionalen Schienenwegen auszudehnen.