LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11278 05.10.2020 Datum des Originals: 05.10.2020/Ausgegeben: 09.10.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4299 vom 8. September 2020 der Abgeordneten Jürgen Berghahn und André Stinka SPD Drucksache 17/10924 Wie will die Landesregierung ihre angekündigte Brachflächenentwicklung vorantreiben? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage CDU und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag die Aufbereitung von industriell vorbelasteten Brachflächen durch Flächenrecycling als Zukunftsaufgabe definiert. Die Vermeidung des Flächenverbrauchs soll mit der Vorsorge vor Risiken für Böden und Grundwasser Hand in Hand gehen. Zudem soll die Flächenreaktivierung einen Beitrag zur Kompensation leisten. Der Altlastenaufbereitungsverband Nordrhein-Westfalen (AAV) stellt laut CDU und FDP ein international anerkanntes, erfolgreiches Instrument des Flächenrecyclings dar. Die Organisation des AAV sei überzeugend, die finanzielle Beteiligung der Industrie in Nordrhein- Westfalen jedoch nicht. Eine spürbar stärkere Beteiligung am AAV sei auch ein Prüfstein, ob der kooperative Ansatz in der Umweltpolitik nicht nur anhaltend gefordert, sondern selbst aktiv gelebt wird. Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4299 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Aufbereitung von industriell vorbelasteten Brachflächen durch Flächenrecycling ist eine Zukunftsaufgabe in Nordrhein-Westfalen. Sie trägt dazu bei, den Flächenverbrauch weiter einzudämmen. Die Landesregierung hat daher am 15. September 2020 ein Maßnahmenpaket zur intelligenten und effizienten Flächenentwicklung beschlossen1, das mehrere neue Bausteine zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme enthält. Ein konkretes Ziel dieses 1 https://www.umwelt.nrw.de/presse/detail/platzsparend-intelligente-und-effiziente-flaechenentwicklung-1600241653 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11278 2 Maßnahmenpakets ist die verstärkte Aufbereitung von Brachflächen für die Ansiedlung von Unternehmen oder neuer Wohngebiete. Die Entwicklung industriell vorbelasteter Brachflächen geht in vielen Fällen mit einer systematischen Altlastenbearbeitung einher. Über den Stand der Altlastenbearbeitung in Nordrhein-Westfalen (Berichtsjahr 2019) wurde dem Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz am 13.11.2019 mit Vorlage 17/2686 und am 05.06.2020 mit Vorlage 17/3457 berichtet. 1. Welche Erhebungen, Studien oder Gutachten hat die Landesregierung bislang veranlasst oder sind in Planung, um den Flächenumfang der in der Vorlage 17/3457 aufgeführten Flächen NRW-weit zu erfassen? 3. Welche Flächenpotenziale (in Hektar) sieht die Landesregierung für die Reaktivierung von Brachflächen und Altstandorten bei den in der Vorlage 17/3457 aufgeführten Flächen? Die Fragen 1 und 3 werden gemeinsam beantwortet. In der Vorlage 17/3457 ist dargestellt, dass von den zuständigen Bodenschutzbehörden bislang ca. 97.000 Altablagerungen und Altstandorte unabhängig vom aktuellen Bearbeitungsstand erhoben wurden. Darin sind kleine Flächen von wenigen hundert Quadratmetern Flächengröße bis hin zu viele Hektar große ehemalige Zechen- und Kokereigelände enthalten. Da Informationen zu altlastverdächtigen Flächen und Altlasten von den zuständigen Bodenschutzbehörden als punktförmige Angaben bezogen auf das jeweilige Grundstück in die Landesdatenbank übertragen werden, liegen der Landesregierung keine landesweiten Informationen über den Flächenumfang von altlastverdächtigen Flächen und Altlasten vor. Eine Teilmenge der altlastverdächtigen Flächen und Altlasten eignet sich für eine Folgenutzung und somit für ein Flächenrecycling. Daher ist die Kenntnis über den Flächenumfang im Sinne der Flächengrößen der Summe aller Altlasten für die Frage der Brachflächenentwicklung nicht aussagekräftig. Von Bedeutung für die Brachflächenentwicklung ist vielmehr, alle Brachflächenpotenziale einer Kommune zu ermitteln und anschließend so aufzubereiten, dass für alle Beteiligten die erforderlichen Angaben zur Lage und Art der Flächen verfügbar gemacht werden. Zu diesem Zweck hat die Landesregierung einen Leitfaden2 erarbeitet und veröffentlicht, in dem die für die Erfassung aller Brachflächen notwendigen Datengrundlagen und Arbeitsschritte beschrieben und Identifizierungsmerkmale solcher Flächen an Beispielen vorgestellt werden. In diesem Leitfaden werden zudem Hinweise zur Datenhaltung, Fortschreibung und Erweiterung zum Beispiel für kommunale Brachflächenkataster gegeben. Da es über das bestehende Siedlungsflächenmonitoring hinaus keine gesetzliche Pflicht zur Erfassung von Brachflächen gibt, handelt es sich um ein Angebot an die Kommunen. Dazu hat die Landesregierung über die Altlasten- und Bodenschutz-Förderrichtlinie ein Förderinstrument in Höhe von 80% eingerichtet. 2 Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV): Arbeitsblatt 26 „Leitfaden zur Erfassung von Brachflächen in Nordrhein-Westfalen“ (https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/4_arbeitsblaetter/40026.pdf) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11278 3 2. Welche Erhebungen, Studien oder Gutachten hat die Landesregierung bislang veranlasst oder sind in Planung, um den finanziellen Bedarf zur Beseitigung der Altlasten in NRW zu ermitteln? Wie in der Vorlage 17/3457 dargestellt, kann eine Finanzsumme zur Bewältigung der Problematik für ganz Nordrhein-Westfalen nicht seriös angegeben werden, weil die Bearbeitung altlastverdächtiger Flächen stufenweise und einzelfallspezifisch erfolgt. Von den erfassten altlastenverdächtigen Flächen hat sich bislang eine Teilmenge als sanierungsbedürftig erwiesen. Daher kann von der Anzahl der erfassten Flächen nicht auf Gesamtsanierungskosten geschlossen werden. Aufgrund der Vielzahl noch unbewerteter Flächen besteht auch in Zukunft weiterhin großer Handlungs- und damit verbundener Finanzbedarf zur Bewältigung der Altlastenproblematik. Für die Erfassung, Bewertung und Sanierung in Fällen, in denen Kommunen selbst Pflichtige sind oder in Ersatzvornahme handeln müssen, stellt das Land Fördermittel bereit. Zudem fördert der Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung (AAV) die Altlastensanierung und das Flächenrecycling auf Grundlage der im AAV-Gesetz geregelten Beiträge. Zusätzlich hat die Landesregierung dem AAV zur Finanzierung der direkten und indirekten Folgen der Corona-Krise Mittel in Höhe von 7 Mio. € zur Verfügung gestellt. Dieses Geld soll zur Förderung der Altlastensanierung und der Aufbereitung industriell vorbelasteter Brachflächen in integrierter städtebaulicher Lage zur Ansiedelung von neuen Nutzungen im städtebaulichen Kontext verwendet werden. Ziel ist die Stärkung der Bauwirtschaft, des Handwerks und der Planungs- und Gutachterbüros. 4. Wie hoch soll die finanzielle Beteiligung der Industrie am AAV sein, um den im Koalitionsvertrag postulierten kooperativen Ansatz in der Umweltpolitik zu stärken? Die finanzielle Beteiligung der Industrie am AAV soll soweit wie möglich ausgebaut werden. Ein Sollbetrag ist daher nicht formuliert. An dem Prinzip der Freiwilligkeit soll unverändert festgehalten werden. Eine stärkere Beteiligung der Wirtschaft an der Finanzierung der Aufgaben des AAV ist unverändertes Bestreben der Landesregierung, um das Flächenrecycling zu intensivieren. Daher wirbt der AAV weiterhin dafür, einen größeren Kreis von Wirtschaftsunternehmen zu gewinnen. Dazu werden umfangreiche PR- und Kommunikationsmaßnahmen beispielsweise in Form von Fachtagungen eingesetzt. Der Landtag wurde hierüber regelmäßig jährlich, zuletzt mit der Vorlage 17/2687 unterrichtet. 5. Welche Instrumente will die Landesregierung in Zukunft nutzen, um die vorhandenen Brachflächen zu entwickeln? Die bestehenden Fördermöglichkeiten der Aufbereitung vorgenutzter und vorbelasteter Flächen sowie die Förderung der Erfassung von Brachflächenpotenzialen über das bestehende Siedlungsflächenmonitoring hinaus werden weiter genutzt und intensiviert. Darüber hinaus hat die Landesregierung am 15. September 2020 das „Maßnahmenpaket intelligente Flächennutzung“ beschlossen3.Dieses Maßnahmenpaket enthält neue Aspekte, 3 https://www.umwelt.nrw.de/presse/detail/platzsparend-intelligente-und-effiziente-flaechenentwicklung-1600241653 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11278 4 um dem Flächenverbrauch entgegen zu wirken. So soll u. a. auf Basis des o. g. Leitfadens zur Erfassung von Brachflächen ein landesweites Brachflächeninformationssystem aufgebaut werden, um mehr Potenziale der Innenentwicklung zu nutzen. Den Kommunen soll hiermit eine Grundversion des kommunalen Brachflächenbestandes flächendeckend zur Verfügung gestellt werden. Hierauf aufbauend bleibt den Kommunen die Möglichkeit offen, das Förderinstrument zur Erfassung von Brachflächen in Höhe von 80 % über die Altlasten- und Bodenschutz-Förderrichtlinie in Anspruch zu nehmen, um die erhobenen kommunalen Brachflächen weiter zu qualifizieren. Zudem werden weitere Möglichkeiten geprüft, wie Brachflächenreaktivierungen durch weitere Fördermaßnahmen oder die Stärkung der entsprechenden Instrumente zur Flächenentwicklung intensiviert werden können. Außerdem hat das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung im Sommer 2019 die Landesinitiative “Bau.Land.Leben“4 gestartet: Gegenstand dieser Initiative sind fünf Instrumente, die sich an Kommunen, Investoren und Eigentümerinnen und Eigentümer von ungenutzten und untergenutzten Flächen richten. Dabei wurden neben neuen Instrumenten auch vorhandene Instrumente auf Weiterentwicklungsbedarfe hin untersucht und neu ausgerichtet, um flexibler agieren zu können. 4 https://www.baulandleben.nrw/