LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11291 07.10.2020 Datum des Originals: 07.10.2020/Ausgegeben: 13.10.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4318 vom 11. September 2020 des Abgeordneten Alexander Langguth FRAKTIONSLOS Drucksache 17/10963 Falsche Medikamente mit fatalen Folgen Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Klinikum Bielefeld wurde einem 26-jährigen Mann ein Medikament verabreicht, das nicht für ihn, sondern für seinen krebskranken Zimmernachbarn bestimmt gewesen sei. In Folge des fälschlich gegebenen Medikaments seien bei dem Patienten Nebenwirkungen aufgetreten. Daraufhin habe man ihn laut Krankenhaussprecher zunächst auf die Intensivstation verlegt, danach in die Neurologische Fachabteilung der Evangelischen Klinik in Bielefeld. Am 20. August 2020 sei er dort gestorben.1 Die konkreten Todesumstände seien noch ungeklärt und würden von der Klinik derzeit „intensiv untersucht“2. Der 26-jährige habe im August ursprünglich wegen einer Routine- Operation im Krankenhaus gelegen und sollte nach einigen Tagen wieder entlassen werden.3 Bei dem fälschlicherweise verabreichten Mittel habe es sich um Methadon gehandelt. Zwecks Ermittlung der Todesumstände sei auch die Bielefelder Polizei eingeschaltet worden.4 Laut WDR-Bericht vom 4. September 2020 habe die Staatsanwaltschaft Bielefeld inzwischen mehrere rechtsmedizinische Gutachten in Auftrag gegeben, um die genaue Todesursache des Patienten zu klären. Das Klinikum wolle sich außergerichtlich mit den Angehörigen des Verstorbenen einigen.5 Laut dem Vorstand von Deutsche Stiftung Patientenschutz sei die Falschvergabe von Medikamenten in Krankenhäusern nicht selten. Die Stiftung spricht sich für eine digitale Kontrolle aus: Entnahme, Zusammensetzung und Zuteilung der Medikamente an die Patienten sollen digital erfasst und überprüft werden. Der Stiftungsvorstand erklärt: 1 Vgl. https://rp-online.de/nrw/panorama/bielefeld-falsches-medikament-verabreicht-26-jaehrigerstirbt -im-krankenhaus_aid-52972997 (abgerufen am 09.09.2020) 2 Vgl. RP ONLINE (ebd.) 3 Vgl. https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/tragischer-todesfall-im-klinikum-bielefeld- 100.html (abgerufen am 09.09.2020) 4 Vgl. WDR Online (ebd.) 5 Vgl. WDR Online (ebd.) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11291 2 „Etwa mithilfe eines Barcodes kann festgestellt werden, ob das richtige Medikament beim richtigen Patienten landet“6. Geschehe ein Fehler, so schlage „das System sofort Alarm“7. In Nordrhein-Westfalen wurden in den letzten Jahren ferner einige Fälle bekannt, in denen Personen zu Schaden gekommen waren, nachdem durch Apotheken falsche Medikation ausgehändigt oder über die korrekte Anwendung der Präparate nicht hinreichend informiert wurde. Eine Auswahl: − 2014 sei einer Dialysepatientin das falsche Präparat gebracht worden – mit tödlichen Folgen.8 − Ebenfalls 2014 wurden zwei Klinikapothekerinnen aus Nordrhein-Westfalen zu jeweils 6.000 Euro Strafe verurteilt, weil sie falsche Dosierungsangaben für eine Rezeptur nicht bemerkt hatten. Bei drei Säuglingen sei es in Folge der unbemerkten Falschangaben zu Sehbehinderungen gekommen, zwei seien auf jeweils einem Auge erblindet.9 − 2011 sprach das Landgericht Bochum den Eltern eines Kinds ein Schmerzensgeld von 7.500 Euro zu, da eine Apotheken-Mitarbeiterin sie nicht ausreichend über die korrekte Anwendung von Kaliumpermanganat aufgeklärt habe und es durch die Falschanwendung zu Verätzungen beim Kind gekommen sei.10 Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat die Kleine Anfrage 4318 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Abgabe eines Arzneimittels an den Endverbraucher ist von der Arzneimittelanwendung zu unterscheiden. Die Anwendung von Arzneimitteln ist arzneimittelrechtlich bis auf das Anwendungsverbot bedenklicher Arzneimittel (§ 5 Arzneimittelgesetz) nicht geregelt und unterliegt damit auch nicht der Überwachung durch die zuständigen Behörden. Hinsichtlich der Abgabe ist festzuhalten: Nach den bundesrechtlichen Vorschriften dürfen Arzneimittel grundsätzlich berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken in den Verkehr gebracht werden. Im Bereich der ambulanten Versorgung werden Arzneimittel durch die öffentliche Apotheke an Patientinnen und Patienten als Endverbraucher abgegeben. Die Anwendung erfolgt in der Regel durch die Patientinnen und Patienten selbst. Arzneimittel dürfen zudem nur durch pharmazeutisches Personal (u. a. Apothekerinnen und Apotheker) ausgehändigt werden. Der Apothekenleiter muss im Rahmen des Qualitätsmanagementsystems (QM) sicherstellen, dass Patienten und andere Kunden 6https://www.pharmazeutische-zeitung.de/falsches-medikament-war-offenbar-methadon-119861 (abgerufen am 09.09.2020) 7Pharmazeutische Zeitung (ebd.) 8 Vgl. https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/apothekenpraxis/medikationsfehlertoedlicher -abgabefehler-nach-ladenschluss-apotheke/ (abgerufen am 09.09.2020) 9 Vgl. https://www.apotheke-adhoc.de/nc/nachrichten/detail/apothekenpraxis/apotheker-fehlermedikament -haftung-gericht/ (abgerufen am 09.09.2020) 10 Vgl. https://www.apotheke-adhoc.de/nc/nachrichten/detail/apothekenpraxis/apotheker-fehlermedikament -haftung-gericht/ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11291 3 hinreichend über Arzneimittel informiert und beraten werden. Das QM wird im Rahmen der Apothekenüberwachung durch die zuständigen Behörden (Kreise- und kreisfreie Städte) geprüft. Bei der Information und Beratung über Arzneimittel müssen insbesondere Aspekte der Arzneimittelsicherheit berücksichtigt werden. Die Beratung muss die notwendigen Informationen über die sachgerechte Anwendung des Arzneimittels umfassen, soweit erforderlich auch über eventuelle Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen, die sich aus den Angaben auf der Verschreibung sowie den Angaben des Patienten oder Kunden ergeben, und über die sachgerechte Aufbewahrung oder Entsorgung des Arzneimittels. Bei der Abgabe von Arzneimitteln an einen Patienten oder anderen Kunden ist durch Nachfrage auch festzustellen, inwieweit dieser gegebenenfalls weiteren Informations- und Beratungsbedarf hat und eine entsprechende Beratung anzubieten. Im Falle der Selbstmedikation ist auch festzustellen, ob das gewünschte Arzneimittel zur Anwendung bei der vorgesehenen Person geeignet erscheint oder in welchen Fällen anzuraten ist, gegebenenfalls einen Arzt aufzusuchen. Im Krankenhausbereich werden dagegen Arzneimittel durch die Krankenhausapotheke bzw. krankenhausversorgende Apotheke an die Stationen als Endverbraucher abgegeben. Dort werden die Arzneimittel dann in der Regel durch ärztliches bzw. pflegerisches Personal bei den Patientinnen und Patienten angewendet. In der wissenschaftlichen Diskussion wird von „Medikationsfehlern“ gesprochen, das schließt die in der Anfrage genannte Gabe von falschen oder falsch dosierten Medikamenten ein. Nach einer Definition der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) handelt es sich bei einem Medikationsfehler um einen „unintended failure in the drug treatment process that leads to, or has the potential to lead to, harm to the patient“. Eine systematische Erfassung von Nebenwirkungen und Medikationsfehlern findet bundesweit bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) statt, einem Fachausschuss der Bundesärztekammer. Eine Analyse nach Bundesländern ist dort bislang – soweit bekannt - nicht erfolgt. Mit Blick auf Medikationsfehler gesondert ausgewertet wurden insgesamt 7834 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen, die zwischen dem 01.01.2016 und dem 31.12.2017 gemeldet wurden. Insgesamt 130 Berichte wurden als Medikationsfehler codiert. 55 Fallberichte waren mit schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden. 1. Wie viele Fälle von falscher bzw. falsch dosierter Medikamentenvergabe in Krankenhäusern, welche eine medizinische Intensivbetreuung, chronische Folgeschäden oder den Tod des Patienten zur Folge hatten, sind der Landesregierung für NRW bekannt? (Bitte für die letzten fünf Jahre benennen; falls eine Erhebung dieser Daten für Gesamt-NRW im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht möglich ist: Bitte für die Städte Düsseldorf, Köln und Dortmund nennen) Die Anwendung von Arzneimitteln ist nicht arzneimittelrechtlich geregelt und wird daher nicht überwacht (vgl. Vorbemerkung der Landesregierung). Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat zur Beantwortung der vorliegenden Kleinen Anfrage u.a. die Ärztekammer Nordrhein und die Ärztekammer Westfallen-Lippe gebeten, die den Ärztekammern bzw. den Gutachterkommissionen der Ärztekammern vorliegenden Informationen zu der Fragestellung zur Verfügung zu stellen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11291 4 Für die Beantwortung der Frage wurden alle 4.266 durch die Gutachterkommission der Ärztekammer Nordrhein überprüfte Patientenbeschwerden zu Krankenhausbehandlungen der fünf Behandlungsjahre 2014 – 2018 analysiert (eine Auswertung für das Jahr 2019 ist noch nicht möglich). In 12 von 4.266 durch die Gutachterkommission Nordrhein überprüften Krankenhausbehandlungen wurden Medikationsfehler festgestellt, die nachfolgend zu einer medizinischen Intensivbetreuung, chronischen Folgeschäden oder zum Tod geführt haben. Drei dieser Fehler führten zum Tod der Patientin/des Patienten. Von den 9 weiteren Fällen waren bei 4 Patientinnen/ Patienten chronische Folgeschäden zu konstatieren. Bei 5 Patientinnen/Patienten führte der Medikationsfehler weder zum Tod noch zu chronischen Folgeschäden, aber zur Notwendigkeit der Behandlung auf einer Intensivstation. Die Begutachtungen der Gutachterkommission werden anonymisiert unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben in einer Datenbank archiviert, um sie zur Behandlungsfehlerprophylaxe für Fortbildungen und Publikationen zugänglich zu machen. Die Gutachterkommission selbst veröffentlicht regelmäßig entsprechende Beiträge im Rheinischen Ärzteblatt und veranstaltet gemeinsam mit dem Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein eine kontinuierliche Fortbildungsreihe „Aus Fehlern lernen“. Dabei werden immer wieder auch Fragen zur Medikation thematisiert. Nach Analyse der Ärztekammer Westfalen-Lippe wurden im Zeitraum 2014-2018 bis dato in 5 der insgesamt 3.813 durch die Gutachterkommission für Arzthaftpflichtfragen der Ärztekammer Westfalen-Lippe geprüften Krankenhausbehandlungen Medikationsfehler festgestellt. In 2 Fällen mit Todesfolge, in 1 Fall ergab sich eine Intensivpflicht und in 2 Fällen sind chronische Folgeschäden eingetreten. Für 2019 liegt bisher noch kein Fall entsprechend der Fragestellung vor. Des Weiteren wurden für die Beantwortung der Frage die Bezirksregierungen gebeten, die Krankenhäuser in dem jeweiligen Regierungsbezirk zu befragen. Da eine NRW-weite Abfrage in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich war, beziehen sich die Antworten auf die Städte Düsseldorf, Köln und Dortmund (wie gewünscht), wobei schon anhand der in der Kürze der Zeit erhaltenen Zahlen deutlich wird, dass diese Daten kaum bis gar nicht untereinander vergleichbar sind. Stadt Düsseldorf Von der Bezirksregierung Düsseldorf wurden die Beschwerde- und Aufsichtsverfahren in somatischen Krankenhäusern aus den Jahren 2016 (Aug. - Dez.), 2017 (Jan.-Dez.), 2018 (Jan.-Dez.), 2019 (Jan.-Dez.) und 2020 (Jan.-Sept.) bezogen auf die Stadt Düsseldorf gesichtet. Im Sinne der Anfrage ist ein Fall zu nennen: Bei einem Aufsichtsfall aus dem Jahr 2019 läuft ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung nach ästhetischer Korrektur am Gesäß. Die abschließende Todesursache wurde noch nicht geklärt. Bedeutung könnten nach derzeitigem Stand zu hoch bzw. fehldosierte Medikamentengaben in der Narkose durch den behandelnden Arzt haben. Alle Krankenhäuser in Düsseldorf wurden gebeten, die dort bekannten Fälle zu melden. Leider liegen zum Stand 29.09.2020 nicht von allen Krankenhäusern in Düsseldorf Rückmeldungen vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11291 5 Folgende Ergebnisse wurden mitgeteilt: Stadt Düsseldorf Fallzahl (der letzten 5 Jahre) von falscher bzw. falsch dosierter Medikamentenvergabe … 34 davon mit medizinischer Intensivbetreuung 1 davon mit chronischen Folgeschäden 5 davon mit Todesfolge 2* * bei einem Fall läuft das Verfahren noch, daher ist die Todesursache noch nicht abschließend geklärt Stadt Köln Die Bezirksregierung Köln hat die Rückmeldungen der Krankenhäuser in Köln über die untere Gesundheitsbehörde der Stadt Köln zusammengefasst. Demnach wurden in der Stadt Köln von den Krankenhäusern 3 Fälle entsprechend der Fragestellung gemeldet. Bei allen drei Fällen handelte es sich um Fälle, die eine medizinische Intensivbetreuung notwendig gemacht haben. Stadt Dortmund Für Dortmund liegt folgende Rückmeldung der Bezirksregierung Arnsberg vor: • Aus 2 Krankenhäusern wurde mitgeteilt, dass es jeweils einen Fall in dem Zeitraum gab (2 Fälle), • 2 Krankenhäuser hatten einen Fall pro Jahr (10 Fälle), • 1 Krankenhaus hat 3 Ereignisse / Jahr mitgeteilt (15 Fälle). Somit sind für den angefragten Zeitraum (letzte 5 Jahre) in Dortmund insgesamt 27 Fälle zu verzeichnen. Leider können die hier mitgeteilten Zahlen nicht den angefragten Kategorien (Todesfolge, eine medizinische Intensivbetreuung oder chronische Folgeschäden) zugeordnet werden, da die Daten nicht so explizit erfasst wurden. Nur in einem Fall wurde eine Dauerfolge (gesundheitliche Konsequenzen) benannt, jedoch nicht weiter ausgeführt, da auch hierüber keine expliziten Angaben geführt wurden. 2. Wie viele Fälle von falscher bzw. falsch dosierter Medikamentenvergabe durch Apotheker, welche eine medizinische Intensivbetreuung, chronische Folgeschäden oder den Tod des Patienten zur Folge hatten, sind der Landesregierung für NRW bekannt? (Bitte für die letzten fünf Jahre benennen; falls eine Erhebung dieser Daten für Gesamt-NRW im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht möglich ist: Bitte für die Städte Düsseldorf, Köln und Dortmund nennen) Bekannt ist der Landesregierung der Einzelfall eines Apothekers aus Bottrop, der bewusst Medikamente zur Krebsbehandlung zu niedrig dosierte und zu einer mehrjährigen Haftstrafe rechtskräftig verurteilt wurde. Zur Beantwortung der Frage wurden die Bezirksregierungen gebeten, die Krankenhäuser in dem jeweiligen Regierungsbezirk zu befragen. Da eine NRW-weite Abfrage in der Kürze der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11291 6 zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich war, beziehen sich auch diese Antworten auf die Städte Düsseldorf, Köln und Dortmund: Stadt Düsseldorf Der Bezirksregierung Düsseldorf liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Stadt Köln Bekannt ist hier der Fall aus dem vergangenen Jahr. Dabei wurden im September 2019 von einer Kölner Apotheke mit Lidocainhydrochlorid verunreinigte Glucoseabfüllungen, die zur Herstellung von Glucosetoleranztests bei Schwangeren verwendet werden, abgegeben. Eine Schwangere, die nur einen Schluck von der verunreinigten Glucoselösung genommen hatte, wurde in einem Kölner Krankenhaus notaufgenommen und am Folgetag aus der Behandlung entlassen. Eine zweite Schwangere trank die verunreinigte Glucoselösung; sie und ihr ungeborenes Kind verstarben. Der Fall befindet sich derzeit im Stadium der Anklageerhebung. Stadt Dortmund Der Apothekenüberwachung der Stadt Dortmund sind in den letzten 5 Jahren keine Fälle entsprechend der Fragestellung bekannt. 3. Welche Pläne unternimmt die Landesregierung, um der Medikamentenfalschvergabe und -verwechslung in Krankenhäusern präventiv zu begegnen? Gemäß den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches V (SGB V) sind die Leistungserbringer zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der von ihnen erbrachten Leistungen verpflichtet. Zugelassene Krankenhäuser müssen demnach einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einführen und weiterentwickeln (§ 135a SGB V). Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt gemäß § 136 SGB V für die vertragsärztliche Versorgung und für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patienten durch Richtlinien die verpflichtenden Maßnahmen der Qualitätssicherung nach § 135a Absatz 2 SGB V. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in einer Richtlinie die Einzelheiten zu den Kontrollen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, die die Einhaltung dieser Qualitätsanforderungen zum Gegenstand haben (§ 137 Abs. 3 SGB V). Bestandteil des Qualitätsmanagements in den Krankenhäusern ist auch das Medikationsmanagement. 4. In welchen NRW-Krankenhäusern kommt bereits eine Art digitales Kontrollsystem zur Medikamentenvergabe zum Einsatz? (Bitte Entwickler und Hersteller der Systeme nennen) Nach Auffassung der Landesregierung widerspricht eine detaillierte Nennung der Häuser und der jeweiligen Softwareprodukte den schutzwürdigen Interessen der jeweiligen Betreiber und würde Beeinträchtigungen wesentlicher Sicherheitsinteressen zumindest ermöglichen. Die Frage, ob und in welchem Umfang digitale Kontrollsysteme zur Medikamentenvergabe zum Einsatz kommen, muss bezogen auf den Gesamtprozess differenziert beantwortet werden. Die Softwarelösungen unterstützen den Verordner bzw. Arzt, in dem Dosierung, Wechselwirkungen etc. automatisiert geprüft werden und die Verordnung mit den LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11291 7 Patientendaten im KIS (Krankenhausinformationssystem) verknüpft und so die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöht wird. Bislang versorgen lediglich vereinzelte Krankenhäuser - die Tendenz ist jedoch steigend - die Patienten bereits über ein sog. Unit-Dose-System. Hier wird das händische Stellen der Arzneimittel durch einen digitalen, automatisierten Prozess ersetzt, bei dem die Medikation patientenindividuell für den entsprechenden Patienten und für den jeweiligen Einnahmezeitpunkt hergestellt wird. Das Unit-Dose-Behältnis (Schlauchblister bzw. Blisterkarte) ist mit Name des Patienten, Station, Inhalt mit der Bezeichnung des Fertigarzneimittels u.a. beschriftet, so dass Stellfehler vermieden werden. In den NRW-Krankenhäusern werden nachfolgend gelistete digitale Kontrollsysteme, Hersteller in Klammern, eingesetzt (Quelle: Abfrage durch die Bezirksregierungen im September 2020), diese Auflistung erfolgt ohne Anspruch auf Vollständigkeit: • ABDATA (ABDATA Pharma-Daten-Service) • AiDKlinik (Dosing GmbH) • ATCHost (Baxter) • Cato Software (BD Medical) • CONSIS.ATP (Willach Pharmacy Solutions Ruppichteroth) • CONSIS-PI (Willach Pharmacy Solutions Ruppichteroth) • ID DIACOS Pharma (ID Berlin) • ID medics (ID Berlin) • ID Pharma (ID Berlin) • iMedOne (Telekom Healthcare) • MEDITOOL (Meditech) • MEONA (MEONA GmbH) • MMI Pharmindex PLUS (Medizinische Medien Informations GmbH) • MobyDik (Richard Müller GmbH) • Nexus KIS in Ergänzung mit dem in KIS eingebundenen AidKlinik (Dosing GmbH) • ORBIS KURV (DH Healthcare GmbH) • ORBIS medication (Dedalus) • PpDoc Cross Corverage (RpDoc Solutions GmbH Saarbrücken) • Smart medications (Cerner) • ZENZY (Dr. Heni Software GmbH) 5. Wie hoch wäre der finanzielle Aufwand, um die Krankenhäuser in NRW flächendeckend mit einem digitalen Kontrollsystem zur Medikamentenvergabe auszustatten? Das Thema Digitalisierung ist ein wichtiges Thema der jetzigen Landesregierung. Die Aufstockung der pauschalen Krankenhausförderung im Nachtragshaushalt 2017 um 250 Mio. € ist ein erster Schritt gewesen. Mit dem Sonderinvestitionsprogramm Krankenhäuser werden im Jahr 2020 zusätzliche Fördermittel in Höhe von 750 Mio. € zur Verfügung gestellt. Diese Fördermittel können die Krankenhausträger auch in die IT-Infrastruktur und die Digitalisierung der Medikamentenvergabe investieren. Eine weitere gezielte Förderung der IT-Infrastruktur wird aktuell auf Bundesebene mit dem Krankenhauszukunftsgesetz geschaffen. Der Förderschwerpunkt liegt auf modernen Notfallkapazitäten, einer besseren digitalen Infrastruktur, der IT- und Cybersicherheit sowie LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11291 8 der Stärkung der regionalen Versorgungsstrukturen. Insgesamt stellt der Bund 3 Milliarden Euro bereit. Die antragstellenden Länder, die Krankenhausträger oder beide gemeinschaftlich stocken die Fördermittel auf insgesamt 4,3 Milliarden auf. Damit stehen in Nordrhein- Westfalen inklusive der Landes-Kofinanzierung in Höhe von 270 Mio. € insgesamt 900 Mio. € für Krankenhäuser zur Verfügung. Der Gesetzesentwurf sieht unter § 19 Abs. 1 Nr. 5 Krankenhauszukunftsgesetz explizit die Förderung von durchgehend digitalen Medikationsmanagementsystemen zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit vor. Das weitere Gesetzgebungsverfahren bleibt abzuwarten.