LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11499 13.10.2020 Datum des Originals: 13.10.2020/Ausgegeben: 19.10.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4412 vom 17. September 2020 des Abgeordneten Alexander Langguth FRAKTIONSLOS Drucksache 17/11089 Besetzung der Tierversuchskommissionen nach § 15 Tierschutzgesetz Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das Tierschutzgesetz sieht vor, dass Behörden bei der Entscheidung über die Genehmigung von Versuchsvorhaben zu ihrer Unterstützung eine Kommission berufen. Diese Tierschutzkommission besteht aus Veterinärmedizinern, Medizinern und anderen Naturwissenschaftlern sowie zu einem Drittel aus von Tierschutzorganisationen vorgeschlagenen Sachkundigen. Ihre Arbeit erfolgt ehrenamtlich. 2014 berichtete das Deutsche Tierärzteblatt, dass es zunehmend schwieriger geworden sei, Mitglieder für die Kommissionen nach § 15 TierSchG zu gewinnen.1 Als Gründe für die Entwicklung nennen die Autoren ein gestiegenes Arbeitsaufkommen und die Erfordernis von immer mehr speziellem Fachwissen. Im WDR 5 Stadtgespräch vom 6. Februar 2020 äußerte ein Mitarbeiter der Abteilung 81 Tierversuchsangelegenheiten des Landesamts für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz NRW, dass er in der Not sei, die Kommissionen teilweise nicht ausreichend vor allem mit Tierschützern besetzen zu können.2 Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4412 mit Schreiben vom 13. Oktober 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Nach § 15 Abs. 1 Tierschutzgesetz (TierSchG) ist die nach Landesrecht zuständige Behörde verpflichtet, eine oder mehrere Kommissionen zur Unterstützung der zuständigen Behörden bei der Entscheidung über die Genehmigung von Versuchsvorhaben und der Bewertung angezeigter Änderungen genehmigter Versuchsvorhaben zu berufen. 1 Vgl. G. v. D. und R. N., Kommissionsarbeit nach § 15 Tierschutzgesetz, Deutsches Tierärzteblatt 3/2014, 324ff. 2 Vgl. Wortbeitrag von S. T. in WDR 5 Stadtgespräch „Leiden für die Forschung - Wie lange sind Tierversuche noch nötig?“ vom 06.02.2020, abrufbar unter https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/stadtgespraech/leiden-fuer-forschung-100.html. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11499 2 Die Kommissionen setzen sich in der Regel aus sechs Mitgliedern zusammen, wovon die einfache Mehrheit, also mindestens vier Mitglieder, einen (veterinär-)medizinischen oder naturwissenschaftlichen Hintergrund aufweisen müssen. Ein Drittel, folglich mindestens zwei Mitglieder, sind aus Vorschlagslisten von Tierschutzorganisationen zu bestimmen (§ 42 Abs. 1, 2 Tierschutz-Versuchstierverordnung (TierSchVersV); Nr. 14.1.4.2 und 14.1.4.3 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes (AVV)). Die genaue Anzahl der Mitglieder bestimmt sich nach dem zuständigen Landesrecht und kann von § 42 TierSchVersV abweichen, solange die Mehrheitsverhältnisse eingehalten werden und mindestens ein Drittel der Mitglieder aus Tierschutzorganisationen bestimmt werden. Die Berufung der einzelnen Mitglieder erfolgt durch die zuständige Behörde für drei Jahre und kann verlängert werden (Nr. 14.1.2 AVV). Die Tätigkeit in der Tierversuchskommission ist ehrenamtlich. In NRW unterstützen derzeit acht Kommissionen, zusammengesetzt aus mindestens sechs ordentlichen und sechs stellvertretenden Mitgliedern, das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz, als für die Genehmigung von Tierversuchsanträgen zuständige Behörde. Insgesamt handelt es sich um 109 Mitglieder bzw. stellvertretende Mitglieder, davon 36 auf Vorschlag von Tierschutzverbänden berufen. Jede Kommission tagt im Durchschnitt zehnmal pro Jahr und ist räumlich einer der folgenden Städte zugeordnet: Köln (zwei Kommissionen), Bonn, Duisburg, Essen, Bochum, Münster und Aachen. Ausscheidende Mitglieder werden so schnell wie möglich durch neue Mitglieder ersetzt, wodurch sich ein kontinuierlicher Prozess der Akquise neuer Mitglieder ergibt. Mit Änderung des Tierschutzgesetzes und dem Inkrafttreten der Tierschutz- Versuchstierverordnung im Jahr 2014 wurden einige Tierversuche, die vor 2014 nur der Anzeigepflicht unterlagen, genehmigungspflichtig. Darüber hinaus wurden die Generierung und die Zucht sogenannter potentiell belasteter Tierlinien der Genehmigungspflicht unterworfen. Die Folge war ein deutlicher Anstieg der Tierversuchsantragszahlen und es entstand ein Mehrbedarf an Kommissionen. Zur Deckung dieses Mehrbedarfes wurden und werden in NRW neue Kommissionen etabliert. Ihre Anzahl stieg so von ursprünglich fünf Kommissionen auf acht an. Derzeit wird an der Einsetzung einer weiteren Kommission gearbeitet, so dass kurzfristig die Gesamtzahl der Kommissionen nach § 15 TierSchG auf neun ansteigen wird. Dessen ungeachtet war eine Gerichtsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für viele Tierschutzverbände ausschlaggebend, ihre Mitarbeit in Tierversuchskommissionen einzustellen. Nachdem ein auf Genehmigung eines Tierversuchsvorhabens klagender Wissenschaftler vor einem Verwaltungsgericht weitgehend und dem Oberverwaltungsgericht vollständig obsiegt hat, ist die beklagte Genehmigungsbehörde mit ihrer Beschwerde auf Zulassung der Revision gescheitert (Beschl. v 20.01.2014, Az. 3 B 29.13). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen hatte im Dezember 2012 festgestellt, dass die Stadt Bremen verpflichtet war, der Universität die Genehmigung eines beantragten Tierversuches zu erteilen. Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen (Urt. v. 11.12.2012, Az. 1 A 367/10). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11499 3 Als Reaktion auf diese Gerichtsentscheidung haben viele Tierschutzverbände die von ihnen vorgeschlagenen Mitglieder in Kommissionen nach § 15 Tierschutzgesetz aufgefordert, die Mitarbeit zu beenden. In einigen Bundesländern führte diese Verweigerung einiger Tierschutzorganisationen zu Engpässen in der Kommissionsbesetzung. In NRW konnten jedoch alle Sitzungen rechtskonform von den Kommissionen durchgeführt werden. Es konnten sogar seit 2014 die ursprünglich fünf Kommissionen um drei weitere Kommissionen erweitert werden. Eine neunte Kommission befindet sich, wie oben bereits dargestellt im Aufbau. 1. In wie vielen Fällen konnte in den vergangenen zehn Jahren eine Kommission nach § 15 TierSchG nicht ausreichend besetzt werden? In den vergangenen zehn Jahren musste keine geplante Kommissionssitzung wegen nicht ausreichender Besetzung der Kommission abgesagt werden. Unvorhersehbare Ausfälle in laufender Amtsperiode konnten zeitnah nachbesetzt werden. Alle Kommissionssitzungen konnten den gesetzlichen Anforderungen entsprechend durchgeführt werden. 2. Waren Kommissionen nach § 15 TierSchG mit nicht ausreichender Besetzung in den vergangenen zehn Jahren in Genehmigungsprozessen beratend tätig? In den vergangenen zehn Jahren wurde keine Kommissionssitzung in nicht ausreichender Besetzung in Genehmigungsprozessen einbezogen. 3. Falls nicht ausreichend besetzte Kommissionen in Genehmigungsprozessen beratend tätig waren: Wie hat sich nach Kenntnis der Landesregierung die nicht ausreichende Besetzung auf die Qualität der Beratung ausgewirkt? Da jede Kommissionssitzung den rechtlichen Vorgaben entsprechend durchgeführt werden konnte, ist diese Situation bisher nicht eingetreten. 4. Aus welchen Gründen entstehen aus Sicht der Landesregierung die Schwierigkeiten, die Kommissionen nach § 15 TierSchG zu besetzen? Grundsätzlich handelt es sich bei der Kommissionsarbeit um eine anspruchsvolle Tätigkeit, die, unabhängig vom eigentlichen Sitzungs-bzw. Beratungstermin auch in der Vorbereitung der zu beratenden Anträge einen nicht unerheblichen Zeitaufwand für die Kommissionsmitglieder bedeutet. Dieses gilt für alle Mitglieder, sowohl die Vertreter der Wissenschaft, wie auch die Vertreter des Tierschutzes. Da die Tätigkeit ehrenamtlich ausgeübt wird, ist der zeitliche Faktor oftmals entscheidend bei der Entscheidung für oder gegen eine Mitgliedschaft. Daneben erschwerte auch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts die Besetzung der Kommissionen mit aus Tierschutzverbänden entsandten Mitgliedern (siehe Vorbemerkung). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11499 4 5. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung unternommen, um die Schwierigkeiten, die Kommissionen nach § 15 TierSchG zu besetzen, zu reduzieren? Durch permanente Akquise (auf Tierschutztagungen, bei anderen öffentlichen Besprechungen, durch das in der Kleinen Anfrage zitierte Interview, die in der Kleinen Anfrage erwähnte Publikation, etc.) ist es bislang immer noch gelungen, ausreichend Mitglieder zu gewinnen. Die gute Kommunikation zwischen der Genehmigungsbehörde und den Kommissionen, die konstruktive Zusammenarbeit auf Augenhöhe aller Kommissionsmitglieder in der Diskussion der Anträge sind Gründe für die zum Teil langjährige Mitgliedschaft vieler Mitglieder.