LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11696 05.11.2020 Datum des Originals: 05.11.2020/Ausgegeben: 11.11.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4450 vom 30. September 2020 der Abgeordneten Gabriele Hammelrath, Jochen Ott und Eva-Maria Voigt-Küppers SPD Drucksache 17/11214 Grundschullehramt: Ausgestaltung und Inhalte des Studiums Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die momentane Lage an Grundschulen in Nordrhein-Westfalen sieht dramatisch aus: überall fehlen grundstämmig ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, insbesondere für diese Schulform. Der Bertelsmann-Studie von 2019 zufolge fehlen bis 2025 insgesamt 26.300 Absolventen für das Grundschullehramt. Umso bedeutender erscheint es, die genauen Studieninhalte zu betrachten – auch in Hinblick auf aktuelle Herausforderungen, denen sich zukünftige Lehrerinnen und Lehrer stellen müssen. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 4450 mit Schreiben vom 5. November 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kultur und Wissenschaft beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die in der Kleinen Anfrage 4450 aus der Bertelsmann-Studie zitierte Zahl der fehlenden Absolventinnen und Absolventen für das Grundschullehramt bezieht sich auf den Gesamtbedarf in allen Ländern, nicht auf den spezifischen nordrhein-westfälischen Bedarf. Aufgrund des auch in Nordrhein-Westfalen bestehenden Lehrkräftebedarfs insbesondere an Grundschulen hat die Landesregierung gemeinsam mit den Universitäten seit Beginn der Legislaturperiode zahlreiche neue Bachelor-Studienanfängerplätze mit den entsprechenden Masterstudienplätzen für das Lehramt an Grundschulen geschaffen. Ab dem kommenden Wintersemester können insgesamt 2.530 Studieninteressierte ein Studium im Lehramt Grundschule in Nordrhein-Westfalen aufnehmen. Seit Beginn der Legislaturperiode ist dies ein Plus von rund 35 Prozent und damit eine wichtige Weichenstellung, künftig mehr Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen einstellen zu können. Die Universitäten und die Landesregierung leisten hiermit einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung des Lehrkräftemangels in Nordrhein- Westfalen sowie zur Versorgung unserer Schulen mit qualifizierten Lehrkräften. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11696 2 Die Ausgestaltung und Inhalte der lehramtsbezogenen Studiengänge beruhen im Interesse der Mobilität von Studierenden und Hochschulabsolventinnen und -absolventen sowie letztlich im Interesse der Qualität und Vergleichbarkeit bundesdeutscher Lehramtsabschlüsse im Wesentlichen auf in der Kultusministerkonferenz geschlossenen Verabredungen zwischen den Ländern (ein Beispiel ist der Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16. Oktober 2008 i. d. F. vom 16. Mai 2019 über „ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung“; die sog. „Fachstandards“ sind für die Hochschulen nach § 11 Absatz 1 des Lehrerausbildungsgesetzes unmittelbar geltendes Landesrecht). Diese Beschlüsse werden in landesrechtliche Regelungen überführt und zum Teil konkretisiert; in Nordrhein-Westfalen geschieht dies insbesondere durch das Lehrerausbildungsgesetz (LABG) und die Lehramtszugangsverordnung (LZV). Die Hochschulen füllen diesen Rahmen standortspezifisch und in Wahrnehmung ihrer verfassungsrechtlich garantierten Wissenschaftsfreiheit unter eigener Schwerpunktsetzung näher aus. Die Einhaltung der Vorgaben ist gemäß § 11 Absatz 1 LABG ein Gegenstand der regelmäßigen Akkreditierungs- und Reakkreditierungsverfahren für die Studiengänge. Eine (Re)Akkreditierung ist an die Mitwirkung des Ministeriums für Schule und Bildung gebunden, das durch eine Vertreterin oder einen Vertreter an diesen Verfahren mitwirkt. 1. Inwieweit entsprechen aus Sicht der Landesregierung die Studieninhalte in den Fächern Mathematik und Musikwissenschaft der Hochschulen in NRW, die in den verschiedenen Studien- und Prüfungsordnungen festgelegt sind, den Curricula der Schülerinnen und Schüler in der Primarstufe? Das Studium für das Lehramt an Grundschulen gliedert sich gemäß § 2 Absatz 1 LZV im Umfang von jeweils 55 LP u.a. in drei Lernbereiche (Sprachliche Grundbildung, Mathematische Grundbildung und ein weiteres Fach, z.B. Musik). Der Mindestumfang der fachdidaktischen Anteile ergibt sich seit 2009 aus § 1 Absatz 2 der LZV. In den (Re)Akkreditierungsverfahren werden die von den Universitäten ausgewählten fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Inhalte insbesondere am Maßstab der entsprechenden Fachprofile in den oben bezeichneten „Fachstandards“ gemessen und damit auf das Berufsbild Lehrer orientiert. Auch die spätere Tätigkeit in der Primarstufe bedarf der fachlichen Grundlegung auf universitärem Niveau. 2. Gibt es unterschiedliche bzw. den Lehrämtern (Grundschule, Gymnasium, Gesamt- / Real- / Haupt- / Förderschule) angepasste Eignungsfeststellungsprüfungen für die Fächer Mathematik und Musikwissenschaften an den Hochschulen in NRW? (Bitte ggf. aufschlüsseln nach Lehrämtern und den Hochschulstandorten) § 11 Absatz 10 Lehrerausbildungsgesetz (LABG) regelt, dass im Unterrichtsfach Musik der Zugang zum Studium auf dem Nachweis der Eignung für den Studiengang Musik beruht und die Zugangsvoraussetzungen nach Lehrämtern zu unterscheiden sind. Entsprechend ist an allen Standorten, die das Fach Musik für ein Lehramt anbieten, vorab im Rahmen eines Eignungsfeststellungsverfahrens (EFV) nachzuweisen, dass die für ein Studium notwendigen Grundlagen vorhanden sind. Die Ausgestaltung solcher Verfahren planen und erledigen die Hochschulen in eigener Verantwortung. Die Details finden sich in den Prüfungsordnungen der Lehrkräfte ausbildenden Hochschulen und Universitäten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11696 3 Die Eignungsprüfungen sind schulformbezogen, zumeist werden nur zwei Stufen unterschieden, nämlich einerseits die Lehrämter mit einer Fakultas für die Sekundarstufe II, also Gymnasium, Gesamtschule und Berufskolleg, andererseits die übrigen Lehrämter. Die Anforderungen an diese fachliche Eignungsfeststellung variieren demnach in Abhängigkeit vom Lehramt. Für das Fach Mathematik sind dagegen keine Verfahren zur Eignungs-feststellung vorgeschrieben und würden wohl auch verfassungs- und hochschulrechtlichen Bedenken begegnen, da keine mit den Fächern Kunst, Musik und Sport vergleichbare fachliche Eignung erkennbar ist, die nicht bereits durch die Hochschulzugangsberechtigung grundsätzlich nachgewiesen werden kann. 3. Wird aus Sicht der Landesregierung das Thema Inklusion in den Grundschullehramtsstudiengängen an den Hochschulen NRWs ausreichend berücksichtigt, sodass die Studieninhalte auch mit den aktuellen Herausforderungen in diesem Bereich korrespondieren? Der Themenbereich Inklusion findet im Lehramt an Grundschulen gemäß § 1 Absatz 2 Satz 2 LZV in allen Lernbereichen (mindestens je 5 Leistungspunkte LP) sowie im Bereich der Bildungswissenschaften (mindestens 4 LP) explizite Berücksichtigung. Die von den Universitäten hierzu aufgegriffenen inklusionsorientierten Fragestellungen erfahren in den Akkreditierungs- und Reakkreditierungsverfahren besondere Aufmerksamkeit. Die oben bezeichneten „Fachstandards“ der KMK wurden (2016) unter den Aspekten der Inklusion überarbeitet. Wo dies aus Sicht der Gutachterinnen und Gutachter erforderlich war, sind die Studieninhalte der Universitäten präzisiert oder ausgebaut worden. 4. Wie ist das Verhältnis allgemeindidaktischer zu fachdidaktischen Fragestellungen in den Grundschullehramtsgängen an den Hochschulen NRWs? Wie eingangs bereits dargelegt, gliedert sich das Studium für das Lehramt an Grundschulen u.a. in drei Lernbereiche im Umfang von jeweils 55 LP. Von diesen 55 LP entfallen gemäß § 1 Absatz 2 Satz 1 LZV jeweils mindestens 15 LP auf fachdidaktische Leistungen. Allgemeindidaktische Studienanteile sind essentielle Bestandteile der Bildungswissenschaften, die mit mindestens 64 LP mehr als 20 Prozent des Gesamtstudienvolumens von 300 LP ausmachen; sie haben im Lehramt an Grundschulen insofern auch im Verhältnis zu anderen Lehrämtern besonderes Gewicht. 5. Wie viel Wert wird aus Sicht der Landesregierung auf Methodik z.B. bei Störungen und Problemen des Sprach- und Schriftsprachenerwerbs und bei Dyskalkulie in den Studiengängen zum Erwerb des Lehramts der Primarstufe gesetzt? Alle angehenden Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen erwerben in den lehramtsbezogenen Bachelor- und Master-Studiengängen grundlegende Kompetenzen zum professionellen Umgang mit Heterogenität und Vielfalt bzw. Kompetenzen zur individuellen Förderung. Diese inhaltlichen Anforderungen für das Fachstudium werden durch Beschlüsse der Kultusministerkonferenz festgelegt. Die inhaltlichen Anforderungen an das fachwissenschaftliche und fachdidaktische Studium sind so ausgerichtet, dass Studienabsolventinnen und -absolventen über fundierte Kenntnisse LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11696 4 über Merkmale von Schülerinnen und Schülern verfügen, die den Lernerfolg fördern oder hemmen können, und darüber, wie daraus folgernd Lernumgebungen differenziert zu gestalten sind. Die Universitäten konkretisieren diese spezifischen Anforderungen hinsichtlich der Stärken und Schwächen der Schülerinnen und Schüler, die von der KMK vorgeben sind, in eigener Verantwortung. Mathematische Grundbildung und Sprachliche Grundbildung in der Lehrerausbildung insgesamt hat die Landesregierung zuletzt erheblich aufgewertet, indem sie beide zu Pflichtbestandteilen der Ausbildung im Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Grundschulen gemacht hat.