LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11714 06.11.2020 Datum des Originals: 05.11.2020/Ausgegeben: 12.11.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4448 vom 29. September 2020 des Abgeordneten Stefan Kämmerling SPD Drucksache 17/11204 Fragen der Trinkwassersicherheit im Aachener Steinkohlerevier sind unbeantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der Sitzung des Unterausschusses Bergbausicherheit am 25.09.2020 wurde unter dem Tagesordnungspunkt 3 „PCB-Gehalte im Grubenwasser des Aachener Steinkohlereviers“ auch die Trinkwassersicherheit in der betroffenen Region thematisiert. Der Bericht der Landesregierung hierzu trägt die Drucksachennummer 17/1458. Auf Seite drei unter III. „Zur Frage etwaiger Auswirkungen auf Grundwasserleiter und Oberflächenwässer“ führt der Bericht aus: „Nach Sichtung des vom Unternehmen vorgelegten Monitoring-Berichts ist von einer akut zu besorgenden Gefährdung für wasserwirtschaftlich relevante Grundwasserleiter nicht auszugehen. […]“. Mit „Unternehmen“ ist die EBV GmbH gemeint. Auf diese und deren Erkenntnisse und Aussagen nimmt die Landesregierung an mehreren Stellen des Berichts Bezug. Aussagen zu einem Auslauf der Grubenwasserkörper zur Tagesoberfläche werden gemacht. Aussagen zu nach Erkenntnissen der EBV GmbH nicht vorhandenen hydraulischen Kontakten zwischen Grubenwasser und Deckgebirgsaquiferen werden getroffen. Die zur Trinkwassersicherheit gemachten Aussagen im Bericht sind nach Wertung des Unterzeichners (dieser Kleinen Anfrage) interpretationsfähig. Insbesondere die von der Landesregierung für den Bericht gewählte Formulierung, dass „…von einer akut zu besorgenden Gefährdung […]“ von relevanten Grundwasserleitern nicht auszugehen sei, bewog den Unterzeichner in der Unterausschusssitzung die Frage zu stellen, ob die Landesregierung eine Gefährdung durch PCB in der Aachener Region ausschließe. Ein Mitarbeiter der Bezirksregierung Köln antwortete für die Landesregierung dergestalt, dass die Antwort auf die Frage aus dem Bericht hervorginge. Der Unterzeichner stellte daraufhin in einer folgenden Wortmeldung fest, dass für ihn eine Aussage der Landesregierung wichtig sei, ob diese eine aktuelle Gefährdung des Trinkwassers in der Aachener Region ausschließe, oder nicht. Herr StS Dammermann kommentierte dies so, dass auch eine „sprachliche Raffinesse“ des Fragestellers die Landesregierung nicht zu einer Antwort auf diese Frage zu bewegen vermöge. Diese Kleine Anfrage versucht deshalb ganz ohne vermeintlich sprachliche Raffinessen auszukommen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11714 2 Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4448 mit Schreiben vom 5. November 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung unterrichtete den Unterausschuss Bergbausicherheit des Landtags Nordrhein-Westfalen erstmals mit den Vorlagen 16/2631 vom 21. Januar 2015 und 16/2791 vom 23. März 2015 über den Einsatz PCB-haltiger Betriebsstoffe im Steinkohlenbergbau in Nordrhein-Westfalen und die Erkenntnisse zur Belastung der Grubenwässer u. a. im Aachener Revier. Über aktuelle Erkenntnisse zu PCB-Gehalten im Grubenwasser des Aachener Steinkohlenreviers hat das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie den Unterausschuss Bergbausicherheit mit Schreiben vom 31. August 2020 und mit Vorlage 17/3891 vom 22. September 2020 informiert. Die in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage 4448 und in den Fragen 3 und 4 in Bezug genommene Drucksache 17/1458 befasst sich nicht mit dem Thema PCB-Gehalte im Grubenwasser des Aachener Steinkohlenreviers. Bei der Beantwortung der Fragen wird auf die vorgenannte Vorlage 17/3891 Bezug genommen. 1. Schließt die Landesregierung eine Gefährdung des Trinkwassers durch PCB im Aachener Steinkohlerevier aus? Wie in der Vorlage 17/3891 und der Sitzung des Unterausschusses Bergbausicherheit am 25. September 2020 dargelegt, geht die Landesregierung derzeit nicht von einer Gefährdung für wasserwirtschaftlich relevante Grundwasserleiter aus, sieht aber weiteren Untersuchungsbedarf. Die Ergebnisse der in der Vorlage unter Punkt V. genannten Detailuntersuchungen liegen noch nicht vor. Sie werden in die weitere Prüfung zur Frage einer etwaigen Gefährdung einbezogen. 2. Welche Kontrollmittel zur Überwachung des Grubenwasseranstiegs im Aachener Steinkohlerevier setzt die Landesregierung neben der Sichtung von Monitoringberichten der EBV GmbH ein? Die EBV GmbH führt im Zusammenhang mit dem Grubenwasseranstieg im Aachener und Südlimburger Steinkohlenrevier ein umfassendes Überwachungsprogramm auf Grundlage der von der Bergbehörde zugelassenen 6. Ergänzung vom 23. Mai. 2012 der Abschlussbetriebsplanzulassung vom 29. Juni 1993 durch. Die der Bergbehörde dazu vorgelegten Berichte der EBV GmbH beinhalten umfangreiche Analysen zum Grubenwasserund Grundwassermonitoring sowie zum Monitoring der Bodenbewegungen. Die hydrochemischen Analysen des Grubenwassers werden von einem akkreditierten unabhängigen Labor durchgeführt. Die Monitoringberichte werden von der Bergbehörde fachlich geprüft und bewertet. Neben der Prüfung der Monitoringberichte finden regelmäßige Vor-Ort-Termine zwischen der Bergbehörde und der EBV GmbH sowie dem von ihr beauftragten Gutachter zur Veranschaulichung bzw. Validierung der Monitoringmaßnahmen und -ergebnisse statt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11714 3 3. Wie reagiert die Landesregierung auf die Tatsache, dass an vier Standorten im Aachener Steinkohlerevier erstmals erhöhte PCB-Gehalte oberhalb der Geringfügigkeitsschwellenwerte gemessen wurden (abgesehen von der in der Drucksache 17/1458 auf Seite vier unter V. dargelegten Punkte)? Zu der in der Frage genannten Drucksache 17/1458 wird auf die Vormerkung verwiesen. Da derzeit nicht von einer Gefährdung wasserwirtschaftlich relevanter Grundwasserleiter ausgegangen wird und das Erfordernis nicht besteht, unmittelbar etwaige gegensteuernde Maßnahmen zu prüfen, sind zunächst die in der Vorlage 17/3891 dargelegten Maßnahmen/Untersuchungsergebnisse abzuwarten. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der weiteren Untersuchungen wird dann unter Hinzuziehung des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz und des Geologischen Dienstes Nordrhein-Westfalen geprüft und entschieden, ob und ggf. welche weiteren Untersuchungen und Maßnahmen erforderlich sind. 4. Auf Seite vier der Drucksache 17/1458 heißt es unter III: im letzten Absatz: „Hinsichtlich einer längerfristigen Entwicklung ist der Ausschluss einer Gefährdung unter Anwendung heutiger Bewertungskriterien und heutiger analytischer Messgenauigkeiten zu prüfen“. Wer wird i.d.S. wann, was genau prüfen? Zu der in der Frage genannten Drucksache 17/1458 wird auf die Vormerkung verwiesen. Zu der Frage sind Angaben in der Vorlage 17/3891 vom 22. September 2020 unter "V - weiteres Vorgehen" enthalten. Die Bergbehörde wird das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz bei der Prüfung hinsichtlich der Beprobung und der Analytik zur Beratung hinzuziehen. Dabei werden auch Erfahrungen aus der Beprobung und Analytik der Grubenwässer im stillgelegten Steinkohlenbergbau im Ruhrrevier und in Ibbenbüren Berücksichtigung finden. Zu den geologischen und hydrogeologischen Aspekten zieht sie den Geologischen Dienst Nordrhein-Westfalen beratend hinzu. Es sind Detailuntersuchungen hinsichtlich der Herkunft der PCB-Belastung und der Handlungsoptionen zur Minimierung einer etwaigen Gefährdung für wasserwirtschaftlich relevante Grundwasserleiter und einer etwaigen Belastung der Umwelt durchzuführen. Diese Prüfungen sind 2021 abzuschließen. 5. Welche Bewertungskriterien und analytischen Messgenauigkeiten, wenn nicht die (wie unter Frage vier dieser Kleinen Anfrage zitiert dargestellt) heutigen, wurden dann angewandt? Die Ausführungen der in Bezug genommenen Vorlage 17/3891 vom 22. September 2020 bezogen sich auf die weitere Beobachtung im Hinblick auf die längerfristige Entwicklung. Hintergrund des in Frage vier zitierten Satzes ist, dass hierbei auch aktuelle Erkenntnisse hinsichtlich Beprobung und Analytik einschließlich erforderlicher und erreichbarer Messgenauigkeiten zu berücksichtigen sind, die aus dem Sondermessprogramm zur PCB- Belastung von Grubenwässern im Ruhrrevier und Ibbenbüren sowie bei den Pilotversuchen der RAG AG zur Elimination von PCB aus dem Grubenwasser gewonnen wurden. Diese aktuellen Erkenntnisse konnten bei den früheren Beprobungen noch nicht berücksichtigt werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11714 4 Die Messgenauigkeit (Nachweisgrenze) ist von verschiedenen Einflussfaktoren abhängig. Neben dem angewandten labortechnischen Verfahren haben die Eigenschaften der zu untersuchenden Probe selbst Einfluss auf die erreichbare Messgenauigkeit (z. B. verfügbare Menge und Konzentration des zu untersuchenden Stoffs in der Probe im Verhältnis zu weiteren Inhaltsstoffen, die je nach Analyseverfahren Störeffekte erzeugen können). Im Gegensatz zum Ruhr- und Ibbenbürener Revier wird im Aachener Revier keine aktive Wasserhaltung mehr betrieben. Die im Ruhr- und Ibbenbürener Revier eingesetzten Verfahren der Probenahme mittels Zentrifuge oder Sammelkasten erfordern ein kontinuierliches Pumpen von Grubenwasser über einen längeren Zeitraum und sind daher nur für Standorte mit aktiver Wasserhaltung geeignet. Im Aachener Revier erfolgt die Probenahme deshalb aus technischen Gründen im Schöpfverfahren mittels einer Winde und eines speziellen Probenahmegefäßes an den Lotungsstandorten. Derzeit wird geprüft, ob ein Analyseverfahren geeignet ist, welches bei den Pilotversuchen der RAG AG zur Elimination von PCB aus dem Grubenwasser zum Einsatz gekommen ist (vgl. Vorlage 17/3189 des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz vom 26. März 2020).