LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11716 06.11.2020 Datum des Originals: 06.11.2020/Ausgegeben: 12.11.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4426 vom 23. September 2020 der Abgeordneten Frank Sundermann, Karl Schultheis, Jochen Ott, Stefan Kämmerling und Eva-Maria Voigt-Küppers SPD Drucksache 17/11107 Was unternimmt die Landesregierung, um den Elektromobilitätscluster Aachen/Düren zu fördern? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Transformation unserer Automobilindustrie hin zur Elektromobilität und des autonomen Fahrens stellt die Unternehmen und ihre Beschäftigten in Deutschland und NRW vor große Herausforderungen. Mit klaren und förderlichen Rahmenbedingungen für die Elektromobilität muss die Politik die Planungssicherheit für die Hersteller erhöhen, damit gerade in der derzeitigen Krisensituation Zukunftsinvestitionen und Innovationen vorangebracht werden. Mit dem Konjunkturpaket der Bundesregierung sind wichtige Schritte in diese Richtung unternommen worden. In dieser Phase zeigt sich einmal mehr, dass es auf eine aktive Industriepolitik ankommt, damit sich Zukunftsbranchen und -Technologien wie die Elektromobilität entwickeln können. Die Automotive-Industrie ist eine Schlüsselindustrie als Technologieträger, Wertschöpfungsanker und Jobmotor und muss daher gemeinsam von Sozialpartnern und Staat mit Blick auf die Anforderungen von Klimaschutz, Digitalisierung und veränderten Mobilitätsverhalten modernisiert werden. In diesem neuen Leitmarkt der Zukunft kommt es neben der Transformation bestehender Unternehmen auch darauf an, neue innovative Ansätze und Unternehmensgründungen zu fördern, die moderne Produktionsverfahren, neue Kundenwünsche und technologische Neuerungen in industrielle Wertschöpfung zu überführen. Hier hat sich in der Region Aachen/Düren in den vergangenen Jahren rund um die RWTH Aachen ein ansehnlicher Elektromobilitätscluster gebildet. Hier spielen vor allem die beiden RWTH-Ausgründungen Streetscooter GmbH und der Next.eGO Mobile SE mit ihren neu entwickelten E-Fahrzeugen eine zentrale Rolle. Hinzu kommen Zulieferer wie die NEAPCO Europe GmbH, die am Standort in Düren im Auftrag der Streetscooter GmbH deren Fahrzeuge fertigt. Weitere Unternehmen wie die eGO-Moover GmbH als Tochter der Next.eGO SE und weitere Startups spielen im Umfeld des Clusters eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Elektromobilität made in NRW. Aufgrund der wirtschaftlichen Probleme, die sowohl die eGo Mobile AG als auch die Streetscooter GmbH in den letzten Monaten beschäftigt haben, ist allerdings die Entwicklung des Elektromobilitätscluster permanent bedroht. Auch Zulieferer wie die NEAPCO Europe GmbH leiden unter diesen Problemen. Allen drei Unternehmen und ihren Beschäftigten ist gemein, dass sie sich aktiv um eigene innovative Ansätze und Lösungen für ihre Situation bemühen. Es stellt sich die Frage, ob die Landespolitik in NRW das Erforderliche LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11716 2 tut, um diesen für den Industriestandort NRW so wichtigen Cluster, seine Unternehmen und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angemessen zu unterstützen, damit diese eine Perspektive haben. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4426 mit Schreiben vom 6. November 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. 1. Im Bericht der Landesregierung an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung (Vorlage 17/3819) spricht die Landesregierung davon, „(…) unter maximaler Ausnutzung aller beihilferechtlichen Spielräume Hilfsangebote für die E.Go Mobile AG bzw. mögliche Folgegesellschaften gemacht (…)“ zu haben. Welche konkreten Hilfsangebote waren das (bitte Rechtsgrundlage/Förderrichtlinien, Haushaltstitel und mögliches finanzielles Volumen angeben)? Aus Gründen der Vertraulichkeit und auch weil daraus möglicherweise Rückschlüsse auf die zukünftige Strategie von E.Go gezogen werden könnten, wird zum konkreten Inhalt der Gespräche keine Auskunft gegeben. 2. Die Deutsche Post/DHL plant dem Vernehmen nach, ein Joint Venture mit der chinesischen Firma Chery zu gründen und das StreetScooter-Lieferfahrzeug ab 2023 aus China zu beziehen. Was unternimmt die Landesregierung vor dem Hintergrund dieser Pläne, damit mit diesem Leuchtturmprojekt auch weiterhin Arbeitsplätze in Deutschland erhalten bleiben? Es ist keine Absicht der Deutschen Post/DHL bekannt, StreetScooter-Fahrzeuge ab 2023 aus China zu beziehen. Das chinesische Unternehmen Chery und StreetScooter hatten im September 2019 angekündigt, ein Joint Venture in China gründen zu wollen. In Zusammenhang mit der Entscheidung der Deutschen Post/DHL zur Einstellung der Produktion des StreetScooters erklärte das Unternehmen, dass eine geplante Kooperation mit Chery nicht fortgeführt werde. Chery war laut Pressberichten auch als Käufer von StreetScooter im Gespräch, ein Kauf wurde jedoch nicht vollzogen. Die Gründe hierfür sind nicht bekannt. Bis zum angekündigten Produktionsende plant Deutsche Post/DHL nach eigener Aussage im Jahr 2020 ca. 5000 Fahrzeuge zu produzieren, deren Auslieferung bis in das kommende Jahr hineingeht. Das Unternehmen StreetScooter wird laut Aussage der Deutschen Post/DHL zum Betreiber der Bestandsflotte. 3. Bei vielen Projektideen zum Strukturwandel „Rheinisches Revier“, die u.a. aus dem Elektromobilitätscluster heraus entwickelt wurden und die zeitnah konkrete Industriearbeitsplätze erhalten oder schaffen könnten, stoßen die Beteiligten auf beihilferechtliche Bedenken. Wie bzw. wann will die Landesregierung zur Überwindung dieser Hürde bei der Förderung von Industrieunternehmen im Rheinischen Revier Lösungen anbieten? Die Landesregierung prüft für ihr vorgestellte Projektideen zum Strukturwandel „Rheinisches Revier“ alle Möglichkeiten, die der europäische Beihilfenrechtsrahmen bietet und erarbeitet ggf. gemeinsam mit der Europäischen Kommission eine Lösung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11716 3 Die Landesregierung setzt sich zudem kontinuierlich dafür ein, den beihilferechtlichen Rahmen für die Förderung von Industrieunternehmen im Rheinischen Revier zu erweitern, um so die bestehenden und zukünftigen Projektideen zum Strukturwandel „Rheinisches Revier“ bestmöglich unterstützen zu können. Im Zusammenhang mit der NRW-Bundesratsinitiative zum Bürokratieabbau (Entfesselungspaket VI) setzt sich die Landesregierung unter anderem dafür ein, dass für IPCEI-Vorhaben (Important Projects of Common European Interest – IPCEI) die beihilferechtlichen Rahmenbedingungen vereinfacht werden, damit Notifizierungsverfahren in diesem sehr innovativen Bereich schneller erfolgreich zum Abschluss gebracht werden können. 4. Über die RWTH Aachen soll ein Cluster „low carbon industries“ entstehen. Wie wird sichergestellt, dass auch Industrieunternehmen aus dem Bereich Automotive/e-Mobilität ihre Ideen zur Energieerzeugung sowie Produkt- und Produktionstechnologien in die Förderlandschaft einbringen? Im Rahmen des Projektes „Low Carbon Industry im Rheinischen Revier“ soll eine Plattform geschaffen werden, auf der Unternehmen aus der Energieerzeugung, der energieintensiven Grundstoffproduktion und der weiterverarbeitenden Fertigung gemeinsam mit der Wissenschaft sektor- und branchenübergreifende technologische Innovationen für eine Low Carbon Industry erforschen und erproben können. Neben den Zukunftsfeldern Energie & Industrie sowie Innovation & Bildung wird darin auch das Zukunftsfeld Infrastruktur & Mobilität adressiert. Dass auch Industrieunternehmen aus dem Bereich Automotive/e-Mobilität ihre Ideen einbringen, wird wie folgt sichergestellt: • Das Gebäude zum Reallabor „Low Carbon Industry” soll auf dem Campus Melaten in direkter Nähe zur RWTH Aachen und deren Forschungsinstituten im Bereich Mobilität, sowie dem genannten „Elektromobilitätscluster“ in der Region errichtet werden. • Die Entwicklung, Etablierung und Verstetigung von neuen innovativen Geschäftsmodellen in Bezug auf Sharing Mobility und Sharing Economy sind als elementare Bestandteile des Vorhabens angelegt. • Durch die Integration weiterer Partner (z. B. EnergieAgentur.NRW, Zukunftsnetz Mobilität NRW) im Bereich nachhaltiger Mobilität wird ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, der eine hohe Lebens- und Aufenthaltsqualität im Rheinischen Revier ermöglicht. 5. Wie sollen Industrieunternehmen aus dem Bereich Automotive/e-Mobilität dabei unterstützt werden, ihr geistiges Eigentum (IP) verlässlich zu sichern? Der Schutz geistigen Eigentums liegt in der Eigenverantwortung eines jeden Unternehmens und kann durch Registrierung eines Schutzrechtes, z. B. Patent, sichergestellt werden. Die Landesregierung unterstützt Wirtschaft und Wissenschaft durch vielfältige Beratungs- und Informationsangebote. Das Cybercrime Kompetenzzentrum des Landeskriminalamts Nord-rhein-Westfalen arbeitet im Rahmen von Kooperationen mit mehreren Verbänden gemeinsam an der Prävention von Cybercrime in der Wirtschaft. Dies sind insbesondere der „Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien“ (bitkom) im „Arbeitskreis öffentliche Sicherheit“ und der „Bundesverband der IT-Anwender e.V.“ (VOICE) in der Special- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11716 4 Interest-Group „Risk-Security-Compliance“. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit werden angefragte Themen diskutiert, gemeinsame Botschaften abgestimmt und in die Firmen transportiert. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert zur Bekämpfung der Wirtschaftsspionage das Projekt „WISKOS“ (Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung). Projektbeteiligte sind das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, das Bundeskriminalamt, das Landeskriminalamt Baden-Württemberg und die Hochschule der Sächsischen Polizei. Im Rahmen des Forschungsprojektes „WISKOS“ soll die systematische Erfassung der Bedrohung durch Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung gewährleistet sowie Präventionsstrategien entwickelt werden. Infolge dessen hat das BMBF einen Flyer sowie die Broschüre „Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung“ entwickelt, um eine Sensibilisierung für Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung zu erreichen und über davon auszugehende Gefahren zu informieren. Das Informationsmaterial ist allen Polizeidienststellen in NRW zugänglich. Darüber hinaus führt der Wirtschaftsschutz im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz Sensibilisierungsvorträge bei Konzernen sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen durch und unterstützt diese auf Anforderung auch durch Initialberatungen in allen Fragen des Know-how-Schutzes. Diese kostenfreien Dienstleistungen können formlos und vertraulich beantragt und mit den Sicherheitsberatern des Verfassungsschutzes individuell vereinbart werden. Ziel ist es, die Geschäftsführungen über die Gefahren durch Spionage, Sabotage und Extremismus zu informieren, um so eine abgewogene Entscheidung im Rahmen der unternehmerischen Eigenverantwortung zu ermöglichen. Der Schwerpunkt der Sensibilisierungsarbeit des Verfassungsschutzes liegt dabei auf der Bedrohung durch Wirtschaftsspionage, also durch staatliche Akteure und Nachrichtendienste (welche mitunter die Informationsbeschaffung auf Wunsch eines ausländischen konkurrierenden Unternehmens betreiben). Des Weiteren arbeiten im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft gegen Wirtschaftsspionage, Sabotage und Wirtschaftskriminalität das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, die Industrie- und Handelskammer, der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft West e.V., das Landeskriminalamt und das Ministerium des Innern des Landes Nordrhein- Westfalen (Abteilungen Polizei und Verfassungsschutz) zusammen, um einen ständigen Austausch zwischen Unternehmen und (Sicherheits-)Behörden zu ermöglichen.