LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11745 09.11.2020 Datum des Originals: 09.11.2020/Ausgegeben: 13.11.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4628 vom 23. Oktober 2020 des Abgeordneten Norwich Rüße BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/11601 Wie unterstützt die Landesregierung die Schaf- und Ziegenhalterinnen und -halter in Nordrhein-Westfalen bei der Tierkennzeichnung? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Um den Weg der Tiere von der Aufzucht bis zur Schlachtung nachvollziehen und den Schutz vor Seuchen gewährleisten zu können, müssen alle Schafe und Ziegen in Deutschland bei den zuständigen Behörden angemeldet und elektronisch gekennzeichnet sein. Rechtliche Grundlage für die Kennzeichnung von Schafen und Ziegen ist die Verordnung (EG) Nr. 21/2004. Mit § 34 der Viehverkehrsverordnung (ViehVerkV) sind im nationalen Recht entsprechende Durchführungsregelungen getroffen worden. Die Kennzeichnung nach Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 21/2004 muss bei Schafen und Ziegen, die nach dem 31. Dezember 2009 im Inland geboren worden sind, durch die Tierhalterin bzw. den Tierhalter innerhalb von neun Monaten nach der Geburt, spätestens jedoch vor dem Verbringen aus dem Ursprungsbetrieb, erfolgen (§ 34 Absatz 1 Satz 1 ViehVerkV). In der Praxis erfolgt die Kennzeichnung von Schafen und Ziegen am häufigsten mittels Ohrmarken. Allerdings besteht bei dieser Methode der Tierkennzeichnung, insbesondere bei extensiver Haltung, die Gefahr, dass sich die Tiere die Ohrmarken im Gelände ausreißen und sich verletzen. Durch die Verwendung von Boli, insbesondere in Kombination mit einer Fußfessel, kann dies vermieden werden. Ein Bolus muss von einer sachkundigen Person mittels einer passenden Schlucksonde eingegeben werden, denn bei unsachgemäßer Eingabe kann es zu Verletzungen bis hin zu Tierverlusten kommen.1 Boli können erst bei Tieren ab einem Gewicht von 35 kg Lebendmasse eingesetzt werden, weil der Pansen vorher noch nicht vollständig entwickelt ist.2 In Kombination mit einem Bolus-Transponder oder einem Ohrmarken-Transponder ist auch die Tätowierung eines Ohres zulässig, sofern das gekennzeichnete Tier nicht für den innergemeinschaftlichen Handel bestimmt ist (s. Anhang A Nummer 4 Buchstabe a Unterbuchstabe iii Verordnung (EG) Nr. 21/2004). In diesem Fall ist auch die elektronische Kennzeichnung mittels eines injizierbaren Transponders in Kombination mit einer Ohrmarke möglich (s. Anhang A Nummer 4 Buchstabe b Unterbuchstabe ii Verordnung (EG) Nr. 21/2004). 1 http://www.lkv-nrw.de/fileadmin/redaktion/TKZ/Kennzeichnung_SchafZiege.pdf. 2 https://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/tierproduktion/schafhaltung/haltung/einstiegziegenhaltung .htm. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11745 2 In NRW sind Ohrmarken und Boli beim Landeskontrollverband Nordrhein-Westfalen (LKV NRW) zu beziehen. Die Zuteilung von elektronischen Boli kann jedoch nur erfolgen, wenn dem LKV eine gültige Bescheinigung des zuständigen Veterinäramtes vorliegt, aus der hervorgeht, dass die Kennzeichnung mittels Bolus erforderlich ist.3 Die Tierseuchenkasse NRW trägt nur die Kosten für zugeteilte elektronische Ohrmarken.4 Die Differenzkosten zur Ohrmarke müssen Halterinnen bzw. Halter bei Bestellung eines Bolus selbst tragen und die erforderlichen Schlucksonden eigenverantwortlich anschaffen.5 Die Kosten zur Kennzeichnung mittels Fußfessel können bei dem LKV NRW erfragt werden.6 Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4628 mit Schreiben vom 9. November 2020 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Haltung von Schafen und Ziegen ist gemäß § 26 Viehverkehrsverordnung (ViehVerkV) der zuständigen Behörde oder einer von dieser beauftragten Stelle vor Beginn der Tätigkeit anzuzeigen. Die Kennzeichnung von Schafen und Ziegen ist in der Verordnung (EG) Nr. 21/2004 und national in § 34 der ViehVerkV geregelt. Sie ist bei Schafen und Ziegen, die nach dem 31. Dezember 2009 im Inland geboren worden sind, innerhalb der ersten neun Monate nach der Geburt vorzunehmen. Bei einer Verbringung von Tieren aus dem Ursprungsbetrieb ist die Kennzeichnung vorab durchzuführen (§ 34 Absatz 1 Satz 1 ViehVerkV). Je nach Fallkonstellation können verschiedene Kennzeichnungsmethoden zum Einsatz kommen. Die Tierseuchenkasse zahlt seit 2016 keine Beihilfen zur Kennzeichnung von Ziegen oder Schafen, da diese Leistung nach Verordnung(EU) Nr. 702/2014 nicht freigestellt und deshalb die Zahlung einer solchen Beihilfe seitens der EU KOM untersagt ist. Bei Fragen oder Problemen die Kennzeichnung betreffend, stehen die Veterinärbehörden in Nordrhein- Westfalen den Tierhaltern unterstützend zur Seite. 1. Wie viele der Kennzeichnungsplicht des Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 21/2004 unterliegenden Tiere wurden der Tierseuchenkasse NRW am Stichtag (01. Januar eines jeden Jahres) in den vergangenen zehn Jahren gemeldet? (Antwort bitte aufschlüsseln nach Ziegen, Schafen und Jahr) Die Zahlen über die Tiere, welche der Kennzeichnungspflicht des Artikels 4 der Verordnung (EG) Nr. 21/2004 unterliegen, aufgeschlüsselt nach Schafen und Ziegen für die Jahre 2011 bis 2020, sind in Anlage 1 aufgeführt. 3 http://www.lkv-nrw.de/fileadmin/redaktion/TKZ/Kennzeichnung_SchafZiege.pdf. 4 Ebd. 5 Ebd. 6 http://www.lkv-nrw.de/fachbereiche/tierkennzeichnung/bereich-schaf-und-ziege/. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11745 3 2. Wie viele Kennzeichnungsmittel wurden von dem LKV NRW in den vergangenen zehn Jahren für der Kennzeichnungsplicht des Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 21/2004 unterliegende Tiere ausgegeben? (Antwort bitte aufschlüsseln nach Ziegen, Schafen, Jahr, Ohrmarken-Transpondern in Kombination mit Ohrmarke, Ohrmarken-Transpondern in Kombination mit Fußfessel, Bolus-Transpondern in Kombination mit Ohrmarke, Bolus-Transpondern in Kombination mit Fußfessel, Ohrmarken in Kombination mit Fußfessel-Transponder, Ohrmarken in Kombination mit injizierbarem Transponder und Betriebsohrmarken) Die Übersicht über die Kennzeichnungsmittel der vergangen 10 Jahre werden in der Anlage 2 aufgeführt. Eine Aufschlüsselung nach Schafen und Ziegen ist nicht möglich, da bei der Bestellung der Ohrmarken nicht zwischen Ohrmarken für Schafe oder Ziegen unterschieden wird. 3. Welchen Anteil an der Gesamtzahl der der Kennzeichnungsplicht des Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 21/2004 unterliegenden Tiere machten durch Tätowierung gekennzeichnete Tiere in den vergangenen zehn Jahren aus? (Antwort bitte aufschlüsseln nach Ziegen, Schafen und Jahr) Gemäß des Artikel 4 der VO (EG) Nr. 21/2004 bzw. § 34 Absatz 3a der Viehverkehrsverordnung haben alle Kreisordnungsbehörden in NRW Fehlanzeige gemeldet. Somit wurden keine Schafe und Ziegen mittels Tätowierung in den letzten 10 Jahren gekennzeichnet. 4. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die zuständigen Veterinärämter die für die Zuteilung eines Bolus durch den LKV NRW notwendige Erforderlichkeit der Kennzeichnung mittels Bolus bescheinigen? Es besteht zur bestehenden Rechtslage (VO (EG) 21/2004 und ViehVerkV) kein Erlass bzgl. der Voraussetzung der Zuteilung von Boli an den Tierhalter durch das zuständige Veterinäramt. Somit besteht keine „Bescheinigungspflicht“ seitens der zuständigen Behörde gegenüber dem Antragssteller bei der Erteilung eines Bolus durch den LKV NRW. Die geltenden Rechtsvorschriften gemäß der Verordnung (EG) 21/2004 i.V.m. der Viehverkehrsverordnung § 34 Absatz 2 und daraus folgend Absatz 3 bzw. 3a stellt dem Tierhalter frei, wie dieser die erste Kennzeichnung und daraus folgend die zweite Kennzeichnung vornehmen kann. Somit obliegt dem Tierhalter eine Entscheidungsfreiheit, auch für den Einzelfall, eine verhältnismäßige und angemessene Kennzeichnung vorzunehmen. 5. Wie bewertet die Landesregierung die verschiedenen im Text genannten Kennzeichnungsmöglichkeiten – mittels Ohrmarke(n), mittels Bolus, mittels Fußfessel, mittels Tätowierung, mittels injizierbarem Transponder – insbesondere unter tierschutzfachlichen Gesichtspunkten? Grundsätzlich sind Eingriffe am Tier, die mit Schmerzen, Leiden und Schäden verbunden sein können ohne eine Betäubung nicht erlaubt (§ 5 Tierschutzgesetz). Darüber hinaus ist nach § 6 Absatz 1 Tierschutzgesetz das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres verboten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11745 4 Aufgrund der Ausnahmeregelung nach § 6 Absatz 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Absatz 3 Nr. 1 und 7 Tierschutzgesetz ist eine Kennzeichnung von Schafen und Ziegen mittels eines Eingriffes ohne Betäubung (Durchstechen der Ohren, Tätowierung, Einführen eines Bolus) jedoch erlaubt. Ebenso sind Schafe und Ziegen nach Maßgabe von Vorschriften der Europäischen Union zu kennzeichnen. Artikel 4 Absatz 2 Buchstaben a und b Verordnung (EG) Nr. 21/2004 in Verbindung mit Anhang Buchstabe A Nr. 1 bis 6 Verordnung (EG) Nr. 21/2004 legen fest, welche Anforderungen das Erst- und das Zweitkennzeichen zu erfüllen haben. Insbesondere schreiben europäische Normen in diesem Zusammenhang vor, dass Tiere nicht unter dem Kennzeichen leiden dürfen. Es ist aus fachlicher Sicht auch unbedingt notwendig, die Gegebenheiten im einzelnen Haltungsbetrieb in die Bewertung mit einzubeziehen, um die am besten geeignete Kennzeichnungsmethode und somit eine möglichst geringe Belastung der Tiere gewährleisten zu können. Dies liegt im Ermessen und der Verantwortung des Tierhalters. Anlage 1 Stand: 30.10.2020 Tierzahlen NRW hier: Stichtagszahlen Schafe und Ziegen zum 01.01.20 Jahr Schafe Ziegen 2011 197489 22362 2012 192984 22576 2013 191387 23747 2014 195137 24205 2015 199358 24636 2016 202636 25369 2017 203611 25728 2018 201239 25057 2019 208650 26476 2020 206564 25834 Anlage 2 Jahr Ohrmarken-Transponder + Ohrmarke 2010 96.150 2011 70.010 2012 60.970 2013 53.440 2014 71.757 2015 96.750 2016 30.596 2017 43.956 2018 47.084 2019 48.292 2020 (Stand: 10/2020) 35.708 Jahr Ohrmarken-Transponder + Fußfessel 2010 - 2011 - 2012 - 2013 - 2014 - 2015 - 2016 - 2017 - 2018 - 2019 - 2020 (Stand: 10/2020) - Jahr Bolus-Transponder + Ohrmarke 2010 - 2011 - 2012 - 2013 - 2014 - 2015 - 2016 - 2017 1040 2018 910 2019 10 2020 (Stand: 10/2020) 200 Jahr Bolus-Transponder + Fußfessel 2010 - 2011 - 2012 - 2013 - 2014 - 2015 - 2016 - 2017 10 2018 20 2019 - 2020 (Stand: 10/2020) - Jahr Ohrmarke + Fußfesseltransponder 2010 - 2011 - 2012 - 2013 - 2014 - 2015 - 2016 - 2017 - 2018 - 2019 - 2020 (Stand: 10/2020) - Jahr Ohrmarke + Fußfesseltransponder 2010 - 2011 - 2012 - 2013 - 2014 - 2015 - 2016 - 2017 - 2018 - 2019 - 2020 (Stand: 10/2020) - Jahr OM+ injizierbarer Transponder + Betriebsohrmarke 2010 - 2011 - 2012 - 2013 - 2014 - 2015 - 2016 - 2017 - 2018 - 2019 - 2020 (Stand: 10/2020) -