LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11755 10.11.2020 Datum des Originals: 09.11.2020/Ausgegeben: 16.11.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4502 vom 6. Oktober 2020 der Abgeordneten Norwich Rüße und Johannes Remmel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/11284 Bergehalde Brinkfortsheide (Marl) – Wann wird endlich der bergrechtliche Abschluss durchgesetzt und wie können Gefährdungen für Natur und Umwelt sowie Anwohnerinnen und Anwohner sicher ausgeschlossen werden? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Für künftig benötigte Deponien sollten nach Möglichkeit bereits genutzte Flächen verwendet werden. Hinsichtlich der geplanten Deponie der Klasse DK I auf dem Gelände der Berghalde Brinkfortsheide in Marl ist der zukünftige Bedarf an weiteren Kapazitäten fraglich. Nach Nutzung der rechtlich maximal 10-jährigen Beeinträchtigungszeit der Anwohnerinnen und Anwohner durch die Bergeschüttung (Bergehaldenrichtlinie), sollen diese nach Vorstellung der RAG AG nun die maximale Zeit von 15 Jahren zusätzlich erdulden (Deponieverordnung). Die Schüttung und Rekultivierung der Bergehalde Brinkfortsheide Erweiterung (BE) sollte gemäß des Planfeststellungsbeschlusses (PFBS) vom 18.05.2004 der Abt. Bergbau und Energie in NRW, Bezirksregierung Arnsberg, erfolgen. Anwohnerinnen und Anwohner, sowie Vertreterinnen und Vertreter der Kommunalpolitik haben vorausgesetzt, dass der Betreiber der RAG AG diese Vorgaben einhält. Im Planfeststellungsverfahren wird die Nutzungsfolge der Halde mit Bergeschüttung, Renaturierung und Naherholung klar festgelegt. Sollte die Schüttung der Berge nicht über das Jahr 2015 hinausgehen (damalig geplantes Ende des Bergwerks Auguste Viktoria), so war vorgesehen, dass die südliche, nicht aufgeschüttete Teilfläche für die Erweiterung eines Gewerbebereichs genutzt werden kann. Die jetzt diskutierte Aufsattelung einer Deponie ist allein deswegen nicht vorgesehen gewesen, weil der geforderte Mindestabstand von 300 Metern gemäß der damals gültigen Technische Anweisung Siedlungsabfall (TaSi) nicht eingehalten wurde. Zudem fand die schon 1994 von der AV-Wohnungsbaugesellschaft geplante und Anfang des Jahrtausends erfolgte Bebauung von Wohnhäusern in 110 Metern und Handwerkergebäuden in 60 Metern Entfernung zum Haldenrand keinerlei Berücksichtigung in der Planfeststellung 2004 (Bebauungsplan Nr. 190a der Stadt Marl vom 24.9.2001). Auch nach heute gültigen Sicherheitsabständen würde eine Deponie auf dem Gelände zu nah an den Siedlungsgebieten errichtet werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11755 2 Trotz der auf Berge und Renaturierungsböden begrenzten Genehmigung zur Schüttung hat die RAG AG 10.000 Tonnen schwach radioaktiven Schwerspat unter der 50 cm starken Basisabdichtung gelagert. Weder im Standsicherheits-Nachweis noch als Faktor, der strahlenphysikalisch-chemisch unmittelbar auf die Basisabdichtung einwirkt, ist Radiobaryt im PFBS oder in einem Sonderbetriebsplan betrachtet worden. Obwohl der Planfeststellungsbeschluss vorschreibt, die fertigen Haldenoberflächen möglichst schnell zu renaturieren und das Ergebnis der Wasseroberflächenmonitorings in 2016 aufgrund des „bedenklich hohen Schwermetallaustrages“ dringend empfohlen hat, die Halde zu übererden, ist dies auch vier Jahre nach Beendigung der Bergeschüttung bis dato nicht geschehen. Mit der Haldenschüttung sollte durch die dortige Abdeckung der alten Kokerei die Ausbreitung von kokereispezifischen Gefahrstoffen über das Grundwasser unterbunden werden. Mit der Erstellung eines Konzeptes durch eine Ingenieurgesellschaft für das GWM 2019 wurden im Bereich der Klär- und Rückhaltebecken der Halde Eisen- und Manganwerte nachgewiesen, die um das 100- bis 150-fache über den Grenzwerten der Trinkwasserverordnung liegen, somit scheinen die Becken offensichtlich undicht zu sein. Noch schwerwiegender aber sind die Analysen von Benzol und Polycyclischen Aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) im Grundwasser-Abstrom der Kokerei. Dort sind von 2012 bis 2018 stetig ansteigende PAK- und Benzolgehalte festgestellt worden. Nur 20 Meter vor den Grenzen der Wohnbebauung sind 2018 PAK-Werte analysiert worden, die mit 138 und 507 mg/l um das 700- bis 2.500-fache über dem Geringfügigkeitsschwellenwert der BBodSchV liegen. Dennoch wurde die Halde bislang nicht abgeschlossen. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4502 mit Schreiben vom 9. November 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Im Dezember 2013 wurde eine Bedarfsanalyse für DK I-Deponien vorgelegt, die das damalige Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen beauftragt hatte. Diese Analyse zeigt, dass entgegen der Ausführung in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage der Bau weiterer Deponien der Klasse I erforderlich ist, um die notwendige Entsorgungssicherheit für gering belastete mineralische Abfälle, wie z. B. Bau- und Abbruchabfälle, die auf Deponien der Klasse I abgelagert werden, zu gewährleisten. Die in der Vorbemerkung genannten Richtlinien für die Zulassung von Bergehalden im Bereich der Bergaufsicht wurden von der Bergbehörde erlassen und treffen entgegen der Ausführung in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage keine Festlegung einer maximal zulässigen 10- jährigen „Beeinträchtigungszeit“. Die Errichtung und der Betrieb einer Deponie der Klasse DK I werden nicht von der RAG AG angestrebt, sondern von der DAH1 GmbH. Der Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2004 für die Errichtung und den Betrieb der Bergehalde Brinkfortsheide-Erweiterung, auf den in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage hinsichtlich zu erfüllender Wiedernutzbarmachungsverpflichtungen Bezug genommen wird, war bis zum 31. Dezember 2015 befristet. Zum Zeitpunkt der Zulassung des Planfeststellungsbeschlusses wurde von einer Fertigstellung der Halde bis zum Ende des Jahres 2015 ausgegangen. Auf der Grundlage der 2007 gefassten kohlepolitischen Beschlüsse zur sozialverträglichen Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus bis zum Jahr 2018 beschloss die RAG AG die vorzeitige Stilllegung des Bergwerks Auguste LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11755 3 Victoria. Infolgedessen fiel weniger Bergematerial an als ursprünglich prognostiziert und die Berghalde konnte nicht entsprechend der dem Planfeststellungsbeschluss zugrundeliegenden Konzeption fertiggestellt und endgestaltet werden. Für die sich jetzt anschließende Phase der Einstellung des Betriebes der Bergehalde erfolgt die Wiedernutzbarmachung auf Grundlage eines zugelassenen Abschlussbetriebsplans. Die darin getroffenen Festlegungen werden nach Auskunft der Aufsicht führenden Bergbehörde vom Betreiber eingehalten. Von einer angeblichen Ablagerung von 10.000 Tonnen schwachradioaktivem Schwerspat unter der Basisabdichtung ist der Aufsicht führenden Bergbehörde nichts bekannt. Nach Angaben der Bergbehörde wurden vor Beginn der Bergehaldenschüttung auf Grundlage eines unter Beachtung gutachtlicher Empfehlungen und unter Beteiligung des Kreises Recklinghausen und der Stadt Marl zugelassenen Sonderbetriebsplans 1.000 m³ radiumhaltiger Sedimente unterhalb der Basisabdichtung eingebaut. Aufgrund der Örtlichkeit des Einbaus und der Eigenschaften des eingebrachten Materials sei eine Beeinflussung des Grundwassers ausgeschlossen. Zum letzten Absatz der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage ist anzumerken, dass die Übererdung von Teilflächen der Bergehalde Brinkfortsheide-Erweiterung im Rahmen der Umsetzung des zugelassenen Abschlussbetriebsplans am 15. Mai 2019 zugelassen wurde. In einem ersten Schritt soll das vorhandene Bergematerial so umprofiliert werden, dass eine Entwässerung in Richtung der Außenböschungen, bzw. der Haldenrandgräben hergestellt wird. Die vorbereitenden Planungen sind inzwischen abgeschlossen. Mit der Umsetzung soll im Oktober 2020 begonnen werden. Zu den weiteren Ausführungen in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage ist festzuhalten, dass Ziel des Planfeststellungsbeschlusses vom 18. Mai 2004 nicht die Unterbindung der Ausbreitung kokereispezifischer Gefahrstoffe über das Grundwasser war, sondern der Betrieb der Bergehalde Brinkfortsheide-Erweiterung. Bei der Bewertung der Umweltauswirkungen des geplanten Vorhabens wurde davon ausgegangen, dass die Überschüttung des Geländes der ehemaligen Kokerei bereits aufgrund der erforderlichen Basisabdichtung der Halde zu einer Verbesserung der Altlastensituation führen wird, da weitere Versickerungen von Niederschlagswässern im Bereich der ehemaligen Kokerei unterbunden werden. 1. Wann setzt die Landesregierung die im Planfeststellungsbeschluss vom 18.05.2004 der Abteilung Bergbau und Energie vorgesehene Schüttung und Rekultivierung der Halde Brinkfortsheide durch? Auf die Ausführungen in der Vorbemerkung zum Sachstand der Wiedernutzbarmachung wird verwiesen. Die Rekultivierung der Halde hatte entsprechend dem o. a. Planfeststellungsbeschluss sukzessive nach der Fertigstellung einzelner Bauabschnitte zu erfolgen. Die im Planfeststellungsbeschluss angegebenen Bestimmungen zur Rekultivierung bezogen sich auf den Zeitraum der Betriebsphase der Bergehalde, welche Ende des Jahres 2015 endete. Die noch nicht abgeschlossene Rekultivierung der Bergehalde Brinkfortsheide wird im Abschlussbetriebsplanverfahren zur Einstellung des Betriebes Bergehalde Brinkfortsheide- Erweiterung fortgeführt. Nachdem zwischenzeitlich die vorbereitenden Planungen abgeschlossen wurden, soll mit dem ersten Umsetzungsschritt im Oktober 2020 begonnen werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11755 4 2. Warum wurde und wird keine Randwallbepflanzung von mindestens 25 m Breite zwischen Halde und Wohnbebauung Marl-Hüls gesetzt? Im Planfeststellungsbeschluss für die Halde Brinkfortsheide-Erweiterung war festgelegt, dass am Haldenfuß der west- und südwest-exponierten Hanglage dichtbesetzte Bäume und Sträucher zu pflanzen sind. Die weitere Rekultivierung wird im Rahmen des Abschlussbetriebsplanverfahrens umgesetzt. 3. Wie lange hält die Basisabdichtung der Bergehalde der Ortsdosisleistung von 21 μSv/h des dort eingebrachten strahlenden Radiobaryt stand, bevor diese von der hohen Salz-, Säuren-/Laugen- und Metallkonzentration im Inneren der Halde durchdrungen wird? Der Bergbehörde liegen keine Anhaltspunkte für ein Durchdringen der Basisabdichtung infolge der o. a. Stoffe vor. Auf die Ausführungen in der Vorbemerkung zu der unterhalb der Basisabdichtung eingebrachten Stoffe wird verwiesen. Der angegebene Wert der Ortsdosisleistung von 21 μSv/h kann anhand der der Bergbehörde vorliegenden Unterlagen und Messergebnisse nicht nachvollzogen werden. 4. Wann wird die Halde zur Staubminimierung von gesundheitsbeeinträchtigendem Aluminium und Mangan der Berge und der Reduzierung des Schwermetallaustrags von Nickel, Zink, Cadmium usw. in die Gewässer überdeckt? Aussagen zur Übererdung von Flächen der Bergehalde Brinkfortsheide-Erweiterung sind der Vorbemerkung zu entnehmen. 5. Warum wird der RAG AG in Marl keine Grundwasseraufbereitung des Kokereiabstroms vorgeschrieben, wie an vielen anderen ehemaligen Kokereistandorten in NRW? Nach Fertigstellung von zwölf weiteren Grundwassermessstellen wird seit Anfang 2020 das Grundwassermonitoring im Rahmen des Abschlussbetriebsplanverfahrens durchgeführt. Auf Grundlage dieser und vorangegangener Messungen wird zu bewerten sein, ob und ggf. in welchem Umfang Sanierungsmaßnahmen durchzuführen sein werden.