LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11817 11.11.2020 Datum des Originals: 11.11.2020/Ausgegeben: 18.11.2020 (17.11.2020) Neudruck Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4546 vom 9. Oktober 2020 der Abgeordneten Jochen Ott und Eva-Maria Voigt-Küppers SPD Drucksache 17/11443 Dringend benötigte Fachkräfte, aber (sachgrundlos) befristet eingestellt? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Angesichts des Fachkräftemangels im Schulbereich gibt es zunehmend Kritik bezüglich einer verstärkten Ausschreibung von befristeten Arbeitsverhältnissen. Befristungen sind nicht nur mit deutlichen Nachteilen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbunden, sondern oft auch für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Eine sachgrundlose Befristung hat beispielsweise zur Folge, dass mit demselben Arbeitgeber später ein weiteres befristetes oder gar ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nicht zustande kommen kann. Auf den vorherigen Inhalt des Arbeitsvertrags oder die Dauer der Befristung kommt es dabei dem Wortlaut nach nicht an. Dies führt dazu, dass Fachkräfte nicht mehr in der selben Kommune oder über das Land eingestellt werden können – und dies obwohl sie jahrelang im System waren, dementsprechend erfahren sind und sie dringend benötigt werden. Schulleiterinnen und Schulleitern, die in Bewerbungsgesprächen passende Lehrkräfte oder sonderpädagogische Kräfte auswählen, fehlt oft das Wissen um diesen rechtlichen Hintergrund und sie werden später negativ von einem ablehnenden Bescheid seitens der Bezirksregierung überrascht. Bewerbungsprozesse verzögern sich hierdurch erheblich und geeignete Fachkräfte stehen dem Arbeitsmarkt Schule nicht mehr zur Verfügung, obwohl oftmals und vielerorts akuter Bedarf besteht. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 4546 mit Schreiben vom 11. November 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11817 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die Aussage im Einleitungstext der Kleinen Anfrage „Eine sachgrundlose Befristung hat beispielsweise zur Folge, dass mit demselben Arbeitgeber später ein weiteres befristetes oder gar unbefristetes Arbeitsverhältnis nicht zustande kommen kann“ entspricht nicht der Rechtslage des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG), so dass die daraus abgeleiteten Folgewirkungen für Lehrkräfte und Schulen unzutreffend sind. Nach § 14 Absatz 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrages zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund, zum Beispiel zur Vertretung einer Stelleninhaberin oder eines Stelleninhabers, gerechtfertigt ist. Darüber hinaus sind unter den engen Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Absatz 2 TzBfG auch befristete Arbeitsverhältnisse ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber nicht bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch eine befristete Beschäftigung ohne Sachgrund entstehen daher für Betroffene keine Nachteile hinsichtlich einer möglichen Anschlussbeschäftigung in einem unbefristeten oder mit Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber. Zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist lediglich eine erneute sachgrundlos befristete Beschäftigung zwischen den Arbeitsvertragsparteien in der Regel ausgeschlossen. 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu einer möglichen Steigerung von befristeten Arbeitsverhältnissen im Schulbereich in dieser Legislaturperiode und während der Pandemie vor? 2. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, sofern die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse in der aktuellen Legislatur prozentual gestiegen sind, um diesen Trend aufzuhalten? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Zurzeit sind ca. 79 Prozent der Lehrkräfte verbeamtet und ca. 13 Prozent in unbefristeten Tarifbeschäftigungsverhältnissen tätig. Demgegenüber beträgt der Anteil von Lehrkräften in befristeten Beschäftigungsverhältnissen ca. 8 Prozent (Quelle: PersNRW/EMiL, Stand 22.10.2020). Lehrkräfte an öffentlichen Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen sind in der Regel Beamtinnen und Beamte, wenn sie die für ihre Laufbahn entsprechende Befähigung besitzen und die sonstigen beamtenrechtlichen Voraussetzungen für eine Ernennung erfüllen. Lehrkräfte mit Lehramtsbefähigung, die die Voraussetzungen für eine Verbeamtung nicht erfüllen, werden in ein unbefristetes Tarifbeschäftigungsverhältnis eingestellt. Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger werden während der Qualifizierung zum Erwerb einer Lehramtsbefähigung oder während der Pädagogischen Einführung befristet beschäftigt. Nach erfolgreichem Abschluss der Qualifizierung werden sie in Dauerbeschäftigungen übernommen (antizipiertes Dauerbeschäftigungsverhältnis). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11817 3 Befristete Beschäftigungen im Schulbereich erfolgen darüber hinaus in der Regel mit dem Sachgrund der Vertretung gemäß § 14 Absatz 1 Nummer 3 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) und § 21 Absatz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Die Beschäftigung erfolgt zur Sicherung der Unterrichtsversorgung, wenn Stelleninhaberinnen und Stelleninhaber wegen einer Erkrankung oder Elternzeit oder für die Dauer eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) vorübergehend keinen Dienst verrichten, aber weiterhin im Schuldienst beschäftigt sind. Die Zahl der befristet beschäftigten Vertretungslehrkräfte unterliegt dabei stets Schwankungen, weil sie von persönlichen Gründen der zu vertretenden Lehrkräfte abhängt. Eine Steuerungsmöglichkeit des Landes besteht insoweit nicht. Zur Sicherung der Unterrichtsversorgung im Regelbetrieb in Corona-Zeiten sind im Rahmen des „Vierten Maßnahmenpakets zur Gewinnung von Lehrkräften“ Schulen weitergehende Möglichkeiten eröffnet worden, Lehrkräftebedarfe befristet auszuschreiben. Neben Dauerbeschäftigungen auf freien Lehrkräftestellen und befristeten Einstellungen mit Sachgrund sind für einen begrenzten Zeitraum auch befristete Beschäftigungen ohne Sachgrund ermöglicht worden (§ 14 Absatz 2 TzBfG). Hierfür sind den Schulen zusätzlich befristet bis zum Ende des Schuljahres 2020/21 400 Stellen zugewiesen worden. Damit sollen insbesondere auch Schulen unterstützt werden, die nicht über freie und besetzbare Planstellen verfügen, gleichwohl aber pandemiebedingt zusätzliche Bedarfe zur Sicherung des Unterrichtsbetriebs haben. Sofern Stammlehrkräfte aufgrund eines Attestes nicht im Präsenzunterricht eingesetzt werden können, kann dies nicht durch befristete Verträge mit dem Sachgrund der Vertretung aufgefangen werden. Diese Lehrkräfte sind weiterhin im Dienst, erteilen Distanzunterricht und erledigen andere schulische Aufgaben. Die deshalb zusätzlich geschaffene Möglichkeit zur befristeten Beschäftigung ohne Sachgrund dient der Sicherung der Unterrichtsversorgung in der besonderen Situation der Pandemie. Wie bereits in der Vorbemerkung dargestellt, entsteht für die betroffenen Lehrkräfte durch die sachgrundlose Befristung hinsichtlich möglicher Anschlussbeschäftigungen kein Nachteil. 3. Wie viele voll ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer sind sachgrundlos oder mit Sachgrund befristet seit dem Schuljahr 2017/2018 eingestellt worden? (Bitte listen nach Schuljahr, Bezirksregierung und der Angabe sachgrundlos / mit Sachgrund befristet eingestellt) 4. Wie viele voll ausgebildete Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen sind sachgrundlos oder mit Sachgrund befristet seit dem Schuljahr 2017/2018 eingestellt worden? (Bitte listen nach Schuljahr, Bezirksregierung und der Angabe sachgrundlos / mit Sachgrund befristet eingestellt) 5. Wie viele Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger sind sachgrundlos oder mit Sachgrund befristet seit dem Schuljahr 2017/2018 eingestellt worden? (Bitte listen nach Schuljahr, Bezirksregierung und der Angabe sachgrundlos / mit Sachgrund befristet eingestellt) Die Fragen 3 bis 5 werden im Zusammenhang beantwortet. Eine differenzierte Auswertung nach Qualifikation und nach Vorliegen oder Nicht-Vorliegen eines Sachgrunds im Sinne des § 14 TzBfG ist nicht möglich, da die vorhandenen aggregierten Daten diese Unterscheidung nicht abbilden. Eine solche Differenzierung könnte nur durch LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11817 4 einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand erfolgen, indem bei den personalverwaltenden Stellen sämtliche Personalakten einzeln gesichtet werden. Die Entwicklung der befristeten Beschäftigungsverhältnisse ist daher in der Anlage als Gesamtzahl dargestellt. Die Darstellung zeigt in der Tendenz in absoluten Zahlen eine steigende Beschäftigung von Lehrkräften, während die prozentuale Verteilung auf verbeamtete, unbefristet und befristet beschäftigte Lehrkräfte sich nur geringfügig verändert hat. Anlage Hinweis: Die Angaben für die Jahre 2017 bis 2019 basieren auf den Amtlichen Schuldaten (jeweils Stand 15.10.). Da für den Stichtag 15.10.2020 noch kein Zahlenmaterial aus den Amtlichen Schuldaten auswertbar ist, wurde für das Jahr 2020 auf Daten des Personalverwaltungsprogramms Pers NRW/EMiL zurückgegriffen (Stand 22.10.2020). Aufgrund der unterschiedlichen Datenquellen sind die Angaben nur bedingt vergleichbar. Durch weiter gefasste Ausschlüsse (z.B. über das gesamte Schuljahr beurlaubte Lehrkräfte) ergibt sich in den Amtlichen Schuldaten ein (etwas) geringerer Personenkreis .