LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11857 17.11.2020 Datum des Originals: 17.11.2020/Ausgegeben: 23.11.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4612 vom 20. Oktober 2020 des Abgeordneten Sebastian Watermeier SPD Drucksache 17/11567 „Mikrochip-Krieg“ zwischen den USA und China: Braucht es eine nordrheinwestfälische Chipstrategie? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit nunmehr einem Monat (15. September 2020) dürfen Unternehmen auf der ganzen Welt Bauteile, die mit US-Amerikanischen Geräten oder Computerprogrammen fabriziert wurden, nicht mehr an das chinesische Unternehmen Huawei verkaufen. Hintergrund ist die Befürchtung der USA, China spioniere das Land mittels solcher Unternehmen aus. Die USA treffen China damit an einem seiner wenigen technologischen Schwachpunkte: Chipherstellung ist pro Land stark spezialisiert und international verteilt, kein Land produziert völlig autark. Auch wenn ein Großteil der Fertigung in asiatischen Ländern vollzogen wird, gehen Chipdesign und -architektur auf diverse andere Regionen zurück. China importiert Mikrochips im Wert von 300 Milliarden Dollar. Die USA treffen mit ihrem Vorgehen die gesamte Welt. Mikrochips gelten als „Herzstück moderner Industrien“. Neben ihrem aktuellen Stellenwert gelten sie als Grundlage für neue weitreichendere Technologien, wie beispielsweise Künstliche Intelligenz oder auch selbstfahrende Autos. In der WirtschaftsWoche Nr. 41 vom 2.10.2020 warnen Experten zum einen vor einer „Zweiteilung der Welt“ und resümieren, dass die Ära der Globalisierung im Technologiebereich vorbei sein könnte. Das beträfe auch Deutschland, denn eine Kettenreaktion in zwei Richtungen sei durchaus denkbar: Der deutsche Industriechip-Hersteller Infineon erwirtschaftet eigenen Angaben zufolge nur einen geringen einstelligen Prozentsatz durch Huawei, auf ganze Märkte verzichten könne er allerdings nicht. Auch könne die deutsche Automobilbranche betroffen werden, denn Innovationen hier würden zu rund 95 Prozent durch Halbleitertechnologie getrieben werden. Führende Automobilhersteller, u.a. Audi und Mercedes, beziehen Chips von Huawei. Thierry Breton, EU-Kommissar Binnenmarkt, wird in dem Artikel zitiert: „Wir müssen jetzt massiv investieren, um Hochleistungsprozessoren in Europa zu produzieren.“ Der Zeitpunkt sei kein schlechter, heißt es. An der Implementierung und Entwicklung so genannter neuromorpher Computer, der „Zukunftstechnik“, in welchen Speicher und Prozessor in einem LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11857 2 einzigen Chip verbunden sind, sind u.a. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der RWTH Aachen beteiligt. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4612 mit Schreiben vom 17. November 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Kultur und Wissenschaft und dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales beantwortet. 1. Woher beziehen nordrhein-westfälische Firmen ihre Mikrochips? 2. Inwiefern ist der Zugang nordrhein-westfälischer Firmen zu Mikrochips gesichert? Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet. Die Bezugsquellen von Vorprodukten und Materialien, insbesondere von sensiblen Bauteilen wie Chips, sind Teil der internen Geschäftsausrichtung der Unternehmen und werden der Landesregierung nicht offengelegt. Entsprechend liegen der Landesregierung hierzu keine validen Informationen vor. Darüber hinaus liegen der Landesregierung keine Information dahingehend vor, dass aktuell ein Zugang der nordrhein-westfälischen Unternehmen zum internationalen Markt nicht gesichert wäre. 3. Braucht es eine deutsche bzw. nordrhein-westfälische Chipstrategie oder eine europäische Initiative, um etwaigen Engpässen zuvorzukommen? 4. Falls ja: Wie sähe eine derartige Chipstrategie aus Sicht der Landesregierung aus? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Computerchips und weitere Komponenten der elektronischen Datenverarbeitung sind sehr komplexe Schlüsselelemente für die künftige technologische Innovation. Angesichts der Komplexität der Technologien werden nur gesamteuropäische Lösungen global wettbewerbsfähig sein. Es ist daher Bestreben der EU, des Bundes und der Länder einschließlich Nordrhein-Westfalens, gemeinsam Europa in diesem Feld fundiert und zukunftsfähig in der globalen Innovations- und Technologieentwicklung zu platzieren. Die Europäische Kommission sowie die Regierungschefs der Mitgliedsstaaten verfolgen bereits seit längerem das Ziel der Bildung europäischer Forschungs- und Industrieallianzen zur Entwicklung der nächsten Generation von Mikroprozessoren in der Europäischen Union. Bereits im November 2018 haben Frankreich, Deutschland, Italien und das Vereinigte Königreich der Europäischen Kommission daher gemeinsam ein wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse („IPCEI“) zur Förderung von Forschung und Innovation im Bereich der Mikroelektronik notifiziert. In Dresden wird derzeit im Rahmen des IPCEI Mikroelektronik der Bau einer 5G-fähigen „Zukunftsfabrik“ von Bosch gefördert, in welcher ab Ende 2021 Chips für den Bereich Internet der Dinge (IoT) und mobile Anwendungen produziert werden sollen. Auch Akteure aus Nordrhein-Westfalen sind in mehreren Technologiebereichen (Energieeffiziente Chips, Leistungshalbleiter, Intelligente Sensoren) an IPCEI-Projekten beteiligt. Darüber hinaus wirken nordrhein-westfälische Fachleute in wichtigen Gremien der Europäischen Kommission mit, wie beispielsweise in der Expertengruppe für Quantentechnologie. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11857 3 Das Forschungsinstitut für Diskrete Mathematik der Universität Bonn ist weltweit führend in der Entwicklung von Algorithmen für Mikrochips. Es unterhält unter anderem eine Kooperation mit IBM und berät das Unternehmen beim Layout von Computerchips. 5. Was unternimmt die Landesregierung, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in diesem Gebiet, exemplarisch der RWTH Aachen, zu unterstützen? Neben der genannten Unterstützung der Integration in die Strategien auf Bundes- und EU- Ebene unterstützt das Land Nordrhein-Westfalen die Entwicklung von Schlüsseltechnologien für die elektronische Datenverarbeitung durch gezielte F&E-Projekte von Wissenschaft und Wirtschaft sowie durch den gezielten Auf- und Ausbau der Infrastruktur, die für Forschung und den Transfer der Erkenntnisse in die wirtschaftliche Nutzung erforderlich ist. Aufbauend auf der Grundfinanzierung der Hochschulen und der institutionellen Förderung von außeruniversitären Forschungseinrichtungen kommen verschiedene weitere Förderinstrumente, wie z.B. die Clusterpolitik für Leitmarktwettbewerbe und Einzelprojekte zum Einsatz. Im Rheinischen Revier bestehen Pläne für einen „Digital Hardware Hub“ als zentrale Infrastruktur für Nanotechnologie. Das Projekt hat am 2. Oktober 2020 einen zweiten Stern im Drei-Sterne-Evaluierungsverfahren des Programms “SofortprogrammPLUS” der Zukunftsagentur Rheinisches Revier erhalten.