LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11858 17.11.2020 Datum des Originals: 17.11.2020/Ausgegeben: 23.11.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4620 vom 22. Oktober 2020 des Abgeordneten Thomas Röckemann AfD Drucksache 17/11589 „Leons Identität“ – wie zielführend sind Computerspiele gegen Extremismus? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Auftrag der Staatskanzlei und des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein- Westfalen wurde ein Computerspiel gegen Rechtsextremismus mit dem Titel „Leons Identität“ entwickelt. Dieses Spiel wurde am 21. August 2020 veröffentlicht. Das Gesamtbudget für die Entwicklung des Spiels betrug 220.000 € 1. Unter der Rubrik „Realitätsabgleich“ des offiziellen Internetauftritts werden Vergleiche zwischen Spielinhalten und der Realität gezogen. So wird im Spiel beispielsweise durch die Zeitschrift „Popoli“ Kritik an den Aussagen und Darstellungen des Gender Mainstreamings als grundsätzlich rechte Ideologie dargestellt 2. Alle Varianten des Extremismus sind abzulehnen, und entsprechende Präventionsmaßnahmen sind daher angezeigt. Der Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2019 beschreibt verschiedene Parteien und Bewegungen, die dem Linksextremismus und dem Islamismus zuzuordnen sind3. Innenminister Herbert Reul wurde im September 2020 Opfer von linksextremer Bedrohung in Form eines Briefes, der eine Patronenhülse enthielt 4. Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4620 mit Schreiben vom 17. November 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten sowie dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration beantwortet. 1 https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/neues-videospiel-gegen-extremismus (zuletzt abgerufen am 22.10.2020) 2 https://leon.nrw.de/realitaetsabgleich.html (zuletzt abgerufen am 22.10.2020) 3 https://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/publikationen/verfassungsschutzberichte/p ublikationen-landesbehoerden-verfassungsschutzbericht/vsbericht-nw-2019 (zuletzt abgerufen am 22.10.2020) 4 https://www.ksta.de/politik/linksextremer-terror-nrw-innenminister-reul-erhielt-drohbrief-mitpatronenhuelse -37325986 (zuletzt abgerufen am 22.10.2020) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11858 2 1. Welche Downloadzahlen für das Spiel „Leons Identität“ liegen der Landesregierung vor? Das Spiel Leons Identität ist seit der Veröffentlichung am 21.08.2020 auf der zentralen Plattform www.leon.nrw.de verfügbar und verzeichnet seitdem rund 40.000 Besuche alleine auf dieser Adresse. Über die Spieleplattform „Steam“ ist das Spiel seit dem 04.09.2020 verfügbar und hat dort bis heute über 50.000 Aufrufe und über 1,5 Millionen sogenannter Impressions (Erscheinung auf „Steam“ an unterschiedlichen Orten wie Community, Feeds etc.). Bislang wurde „Leons Identität“ von insgesamt rund 13.000 Spielern heruntergeladen und gespielt. 2. Welche weiteren Kosten (Pressekonferenzen, Veröffentlichung des Spiels auf der Plattform „Steam“, Werbung, Entwicklung der Browser-Version etc.) sind im Zuge der Vermarktung neben den 220.000 € Entwicklungsbudget entstanden? Aufgrund der unvorhergesehenen Entwicklung durch COVID-19 und den daraus resultierenden Auswirkungen in 2020 musste die ursprünglich geplante realweltliche Veröffentlichung am Stand des Verfassungsschutzes auf der Videospielmesse Gamescom 2020 den Corona-Maßnahmen entsprechend virtuell angepasst und der Öffentlichkeit nachhaltig bekannt gemacht werden. Insgesamt wurden so knapp 35.000 Euro aufgewendet für zwei vollumfänglich ausproduzierte, mehrfach verwertbare Videoproduktionen, die Präsentation im Rahmen einer Pressekonferenz, die Verbreitung (unter anderem auf „Steam“) sowie die Beteiligung als Aussteller auf der digitalen Gamescom 2020 einschließlich dortiger Ausstrahlung von Werbespots zu „Leons Identität“. 3. Wie bewertet die Landesregierung Darstellungen des Spiels wie etwa die, dass Kritik am Gender Mainstreaming als Zeichen von Rechtsextremismus zu werten ist? In den dem extremistischen Umfeld zuzurechnenden Medien ist u. a. Kritik am Gender Mainstreaming ein Thema. Große Teile des Rechtsextremismus gehen von ideologisch fundierten Rollenbildern der Geschlechter und der Vorstellung aus, diese seien unabänderlich und naturgegeben. Sie werden im Rechtsextremismus gegen das Ziel der Gleichberechtigung von Mann und Frau in Stellung gebracht. Die Ablehnung oder Verhöhnung des Gender Mainstreaming begründet nicht für sich genommen einen Verdacht auf verfassungsfeindliche Bestrebungen. 4. Plant die Landesregierung eine Entwicklung von weiteren Computerspielen, die jeweils dazu dienen sollen, die Indoktrination von jungen Menschen durch andere Extremismusformen zu verhindern? Die Landesregierung nutzt und prüft fortlaufend unterschiedliche Formate, um Zielgruppen mit den für sie relevanten Themen passgenau zu erreichen. Ein Videospiel ist dabei ein konkretes Format. „Leons Identität“ erfährt bis heute breite mediale Beachtung und ausführliche Berichterstattung und stößt sogar international auf Interesse und Verbreitung. Insofern kann es als Blaupause für weitere Angebote dienen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11858 3 5. Wie bewertet die Landesregierung in Zeiten latenter Computerspielsucht i.H. von 15,4 Prozent, in denen Kinder ihren Eltern immer mehr in die virtuelle Welt zu entgleiten drohen, den Einsatz und die Nutzung eines staatlich geförderten Computerspiels? Die Landesregierung engagiert sich stark für die Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen, der (medien-)pädagogischen Fachkräfte und der Eltern. Sie adressiert in vielen Projekten und Initiativen insbesondere auch die Thematik des exzessiven Spielens. Beispielhaft seien hier die Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NRW (AJS) genannt, aber auch der Spieleratgeber NRW, die Aktivitäten der Landesanstalt für Medien und der Medienkompetenzrahmen NRW (aus dem „Leons Identität“ die Kompetenzbereiche Informieren und Recherchieren, Analysieren und Reflektieren sowie Kommunizieren und Kooperieren abdeckt). Ziel der Landesregierung ist es, Bürgerinnen und Bürger sämtlicher Altersgruppen über medienpädagogische Angebote zu befähigen, sich souverän, sicher und kreativ in ihren digitalisierten Lebenswelten zu bewegen und sie insbesondere hinsichtlich extremistischer Inhalte und Interaktionen zu sensibilisieren und im Umgang damit zu stärken. Gerade digitale Spiele als Leitmedium von Kindern und Jugendlichen bieten hier einen zielgruppenorientierten und niedrigschwelligen Zugang für eine kritische Reflexion.