LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11859 17.11.2020 Datum des Originals: 17.11.2020/Ausgegeben: 23.11.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4599 vom 12. Oktober 2020 der Abgeordneten Sarah Philipp, Ralf Jäger, Frank Börner, Rainer Bischoff und Frank Sundermann SPD Drucksache 17/11505 Was tut die Landesregierung, damit Duisburg als größter Stahlstandort Europas zukunftsfähig bleibt? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Stahl ist systemrelevant. Das hat die Landesregierung nochmals bestätigt (LT-Drs. 17/9493). Die Stahlindustrie in NRW befindet sich in einer existenziell bedrohlichen Lage. Die Coronabedingte Absatzschwäche hat die Strukturkrise der Stahlindustrie noch einmal verschärft und trifft die Branche zu einem Zeitpunkt, an dem sie aus unterschiedlichen Richtungen unter massivem Wettbewerbsdruck steht. Hohe Energiekosten und strenge Klimaschutzauflagen kommen erschwerend hinzu. Als größter Stahlstandort Europas ist Duisburg davon besonders betroffen. Mit rund 18.500 direkt Beschäftigten ist sie der größte Arbeitgeber. Hinzu kommen die Beschäftigten bei Zulieferbetrieben, im Logistiksektor und bei Abnehmern. Am 11. Dezember 2020 soll daher in Duisburg der zweite Nationale Stahlgipfel stattfinden. Zur Vorbereitung unterzeichneten Stadt, Unternehmen, Betriebsräte, IG Metall und IHK am 17. Juli 2020 bereits einen gemeinsamen Aufruf, die „Duisburger Erklärung“, in dem die notwendigen Ziele zur Bewältigung der Zukunft der Stahlindustrie beschrieben sind1. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4599 mit Schreiben vom 17. November 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. 1. Welche konkreten Maßnahmen will die Landesregierung zum Erhalt der Stahlindustrie am Standort Duisburg ergreifen? Die Landesregierung hat ein hohes Interesse am Erhalt der nordrhein-westfälischen Stahlindustrie und insbesondere auch am Standort Duisburg, dem größten Stahlstandort 1 https://www.duisburg.de/guiapplications/newsdesk/publications/Stadt_Duisburg/102010100000103237 .php LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11859 2 Europas. In Abstimmung mit der Bundesregierung und den in der Nationalen Stahlallianz vertretenen Bundesländern arbeitet sie kontinuierlich an der Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen für diese wichtige Grundstoffindustrie. Hierüber hat sie dem Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung aber auch dem Plenum in den letzten Monaten verschiedentlich berichtet. Was den derzeit vor enormen wirtschaftlichen Herausforderungen stehenden Industriekonzern thyssenkrupp betrifft, steht die Landesregierung in engem Kontakt mit der Unternehmensleitung, den Gewerkschaften und der Bundesregierung um Handlungsoptionen auszuloten und Unterstützungsmöglichkeiten zu beraten. Über die weitere Entwicklung wird sie die Mitglieder des Landtages weiterhin informieren. 2. Wer sind die Teilnehmer des Nationalen Stahlgipfels am 11. Dezember 2020 in Duisburg (Bitte aufschlüsseln nach Namen und Position bzw. Amt) Auf Wunsch der Stahlindustrie und der Gewerkschaften war der Nationale Stahlgipfel in Duisburg als Präsenzveranstaltung geplant, um eine möglichst hohe Öffentlichkeitswirksamkeit zu erreichen. Hieran sollten neben dem Bundeswirtschaftsminister und dem Ministerpräsidenten die Wirtschaftsminister der Länder mit Stahlbezug, Abgeordnete aus dem EU-Parlament, dem Deutschen Bundestag und den Länderparlamenten, die IG Metall sowie Unternehmensvertreter aus der Stahlindustrie teilnehmen. Im Hinblick auf die Vorgaben der Corona-Schutzverordnung war ein Teilnehmerkreis von maximal ca. 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorgesehen. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen durch die Corona-Pandemie mit einer zweiten Welle muss mit Blick auf das hohe Infektionsrisiko, welches in den anstehenden Wintermonaten aller Wahrscheinlichkeit noch weiter ansteigen wird, der für den 11. Dezember 2020 geplante Nationale Stahlgipfel aber in das Jahr 2021 verschoben werden. Um den Dialog mit den Akteuren nicht abreißen zu lassen, plane ich derzeit für den 11. Dezember 2020 die Ausrichtung eines „High-Level Forums“ in hybrider Form, um - gemeinsam mit Ministerpräsident Armin Laschet - mit dem Bundeswirtschaftsminister, Vertretern der wichtigsten deutschen Stahlunternehmen, der IG Metall, der Wirtschaftsvereinigung Stahl und den beteiligten Länderministern die ersten Umsetzungsschritte des „Handlungskonzepts Stahl“ zu erörtern und den nächsten Nationalen Stahlgipfel 2021 vorzubereiten. 3. Mit welchen Beschlüssen rechnet die Landesregierung auf dem zweiten Nationalen Stahlgipfel? Es wird auf die Beantwortung der Frage 2 verwiesen. 4. Für die klimaneutrale Stahlproduktion benötigt die Stahlindustrie enorme Mengen an grünem Wasserstoff. Mit welchen konkreten Maßnahmen will die Landesregierung die Stahlindustrie unterstützen, um die erforderlichen Rahmenbedingungen für eine CO2-neutrale Stahlproduktion am Standort Duisburg auf den Weg zu bringen? Die Landesregierung wird den Markthochlauf für grünen Wasserstoff zielgerichtet unterstützen. Dafür habe ich am 9. November 2020 ein umfangreiches strategisches Handlungskonzept – die Wasserstoff Roadmap Nordrhein-Westfalen – vorgelegt. Neben der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11859 3 Schaffung allgemeiner Rahmenbedingungen, wie der notwendigen Infrastruktur und (internationaler) Partnerschaften / Importstrategien, um den notwendigen Bedarf an grünem Wassersoff zu decken, dienen auch branchenspezifische Zielmarken der Umsetzung dieser Strategie. Entsprechend wird die Landesregierung das Vorhaben thyssenkrupps zur Inbetriebnahme der ersten großtechnischen Direktreduktionsanlage zur Erzeugung von Stahl auf Basis von Wasserstoff am Standort Duisburg bis 2025 im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen. Vorbereitend fördert die Landesregierung bereits die Erprobung der Wasserstoffeinspeisung in die Hochofenroute. Der Förderbescheid für die erste Projektphase i.H.v.1,6 Millionen Euro wurde im April 2019 an thyssenkrupp Steel, Air Liquide und das Stahlforschungsinstitut BFI überreicht. Die Landesregierung bereitet ferner eine Beteiligung an der Förderung des sich daran anschließenden, im Zuge des 7. Energieforschungsprogramms seitens des BMWi ausgewählten Reallabors H2 Stahl vor, in dem, aufbauend auf der ersten Projektphase, alle 28 Blasformen an einem Hochofen umgerüstet werden sollen, so dass Wasserstoff Kohlenstoff anteilig ersetzen kann. Diese Umrüstung bedeutet einen ersten, wichtigen Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität, da hierdurch kurzfristig Emissionen verhindert werden. Gegenüber der Bundesregierung setzt sich die Landesregierung für die Schaffung der notwendigen regulatorischen Rahmenbedingungen hinsichtlich Nutzung und Transport von Wasserstoff sowie für den Aufbau und die Bereitstellung der Infrastruktur ein. Hierzu wurde am 6. November 2020 ein Beschluss des Bundesrats zur Unterstützung dieser notwendigen Vorhaben sowie am 5. November 2020 ein entsprechender Beschluss des Energieministertreffens gefasst. Im Rahmen der Landesinitiative IN4climate NRW unterstützt die Landesregierung Unternehmen aus der nordrhein-westfälischen Stahlbranche sowie aus anderen Industriebranchen dabei, die Transformation in eine treibhausgasneutrale Wirtschaftsweise bei gleichzeitigem Erhalt bzw. Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit zu meistern. Dazu gehört auch die Unterstützung bei der Kommunikation mit dem Bund und der EU zu relevanten Fördervorhaben, beispielsweise im Rahmen des H2 IPCEI oder des EU-Innovationsfonds. 5. Der Investitionsbedarf für den grünen Transformationsprozess der Stahlindustrie ist enorm, allein die thyssenkrupp Steel Europe AG schätzt diesen auf rund 10 Milliarden Euro. In welcher Höhe wird die Landesregierung Landesmittel für die notwendigen Transformationskosten bereitstellen? Unternehmen der Stahlindustrie zählen zur Zielgruppe der NRW-Förderprogramme in den Bereichen Klimaschutz, Innovation und Energieforschung. Fördermittel für die Stahlindustrie finden sich u.a. im Bereich des Strukturwandels Rheinisches Revier sowie der Regionalen Strukturförderprogramme und dem EFRE-Programm. Die im Rahmen der industriellen Transformation benötigten Fördermittel überschreiten aber die finanziellen Möglichkeiten der Landesregierung bei Weitem. Daher sind bei Vorhaben dieser Größenordnung insbesondere die Fördermittel auf Bundesebene und der Ebene der EU interessant. Die Unternehmen werden seitens der Landesregierung nach ihren Möglichkeiten in Richtung europäische Mittel und Mittel des Bundes unterstützt.