LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11873 18.11.2020 Datum des Originals: 18.11.2020/Ausgegeben: 24.11.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4605 vom 16. Oktober 2020 der Abgeordneten Wibke Brems und Horst Becker BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/11514 Wie genau findet die Partizipation der Zivilgesellschaft am Strukturwandel im Rheinischen Revier statt? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Parallel zu den Entscheidungen im Aufsichtsrat der Zukunftsagentur Rheinisches Revier über konkrete Strukturwandel-Projekte finden aktuell unterschiedliche Formate zur Beteiligung der Zivilgesellschaft im Rheinischen Revier statt. Während in bestimmten Formaten wie „Revierwerkstätten“ konkrete Ideen für den Strukturwandel gesucht werden, die in eine Überarbeitung des Wirtschafts- und Strukturprogramms (WSP 1.0) fließen sollen, werden in Gremien wie der „Spurgruppe“ die Anforderungen an die langfristige Gestaltung der Beteiligungsprozesse am Strukturwandel diskutiert. Die „Beteiligungs-Charta“ soll diese Wünsche zur Partizipation festhalten, während die inhaltlichen Anmerkungen zum WSP 1.0 in einem „Bürgergutachten“ gebündelt werden sollen. Unklar ist in diesem Zusammenhang wie genau mit dem Input der Zivilgesellschaft umgegangen wird und wie transparent dieser Umgang dokumentiert wird. Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie hat die Kleine Anfrage 4605 mit Schreiben vom 18. November 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet. 1. Welche Gremien bzw. Formate unter Beteiligung der Zivilgesellschaft werden seit Beginn des Jahres 2020 eingesetzt bzw. durchgeführt? (Bitte jeweils den absoluten und prozentualen Anteil von Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft und anderer Akteursgruppen an den Mitgliedern bzw. Teilnehmerinnen und Teilnehmern der unterschiedlichen Gremien und Formate nennen) Zu unterscheiden ist zwischen Beteiligungsformaten der Zukunftsagentur Rheinisches Revier sowie Beteiligungsformaten der Landesregierung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11873 2 Beteiligungsformate der Zukunftsagentur Rheinisches Revier: Im Rahmen des durch die Zukunftsagentur Rheinisches Revier durchgeführten Bürgerbeteiligungsprozesses zum Wirtschafts- und Strukturprogramm wurden seit Beginn des Jahres 2020 bislang (Stand: 29. Oktober 2020) nach Aussage der Zukunftsagentur folgende Formate mit den folgenden Teilnehmerzahlen umgesetzt: 1. Digitales Revierforum: 12. Mai 2020 (rund 280 Teilnehmerinnen und Teilnehmer). 2. Online Dialog: 21. April bis 2. Juni 2020 (fast 4.000 Besuche der Informations- und Beteiligungsseite www.unser-zukunftsrevier.de, 166 Beiträge, 56 Kommentare). 3. Reviertour (Juli bis September 2020 in den Anrainerkommunen, Teilnehmerzahl wurde nicht erfasst). 4. Reviergespräch „Online“ für Junge Erwachsene (Schwerpunkt Thema Bildung und Ernährung) mit 5 Jugendlichen aus dem Revier: 18. August 2020. 5. Reviergespräch „Online“ für Beschäftigte aus Branchen im Revier, die besonders vom Strukturwandel betroffen sind (Schwerpunkt Energie und Industrie): 27. August 2020 (Teilnehmerinnen und Teilnehmer: 16 Beschäftigte aus dem Revier) 6. Revier-Werkstätten: 5. September 2020: Inden (27 Teilnehmerinnen und Teilnehmer); 26. September 2020: Bergheim (42 Teilnehmerinnen und Teilnehmer) Soziodemografische Daten wurden bei den oben genannten Formaten nicht erfasst. Der Bürgerbeteiligungsprozess wird darüber hinaus von der sogenannten Spurgruppe begleitet. Nach Aussage der Zukunftsagentur besteht sie aus 24 Personen. 20 Plätze wurden per Losverfahren an Bürgerinnen und Bürger aus dem Rheinischen Revier vergeben. Vier Plätze wurden an Personen aus der Region vergeben, die bereits im Vorfeld in einer „Vor- Spurgruppe“ von der Zukunftsagentur zu Rate gezogen wurden. Beteiligungsformate der Landesregierung: Der Entwurf der „Leitentscheidung für das Rheinische Braunkohlerevier“ wird der allgemeinen Öffentlichkeit in einem Online-Beteiligungsverfahren vom 8. Oktober bis zum 1. Dezember 2020 zur Kommentierung zur Verfügung gestellt, um eigene Anregungen zur Leitentscheidung digital einzubringen. Außerdem wurde die Leitentscheidung in zwei Dialogveranstaltungen vor Ort im Revier mit geladenen Gästen und interessierten Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. Aufgrund der geltenden Hygiene- und Abstandsvorschriften musste die Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer leider begrenzt werden. Erste Dialogveranstaltung in Erkelenz 15. Oktober 2020 (73 externe Anwesende) Bürgerinnen & Bürger Politische Vertreter Unternehmen Verwaltung Presse Anzahl 22 34 2 11 4 Anteil (v.H.) 30 47 3 15 5 Zweite Dialogveranstaltung in Kerpen 29. Oktober 2020 (69 externe Anwesende) Bürgerinnen & Bürger Politische Vertreter Unternehmen Verwaltung Presse Anzahl 20 22 4 19 4 Anteil (v.H.) 29 32 6 28 6 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11873 3 2. Welche Anpassungen wurden aufgrund der Coronavirus-Pandemie an den Bürgerbeteiligungsformaten vorgenommen? Aufgrund der Coronavirus-Pandemie wurde beim Bürgerbeteiligungsprozess zum Wirtschaftsund Strukturprogramm verstärkt auf digitale Möglichkeiten zurückgegriffen. Beispiele sind das erste Revier-Forum, das als Videostream mit Live-Chat auf der Plattform www.unserzukunftsrevier .de verfolgt werden konnte, sowie der Online-Dialog. Gleichzeitig hat die Zukunftsagentur kontinuierlich geprüft, ob Vor-Ort-Formate realisiert werden können. So konnte die Revier-Tour im Sommer 2020 in den Anrainerkommunen physisch stattfinden. Nach Aussage der Zukunftsagentur wurden bei den Präsenzveranstaltungen wie der Revier- Tour und den Revier-Werkstätten zusätzlich Hygienekonzepte entwickelt. Durch diese flexible Nutzung von digitalen und analogen Formaten wurde gewährleistet, dass der Bürgerbeteiligungsprozess trotz der Pandemie weiter fortgeführt werden konnte. Die Vor-Ort-Veranstaltungen zur Leitentscheidung konnten gemäß Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) nur mit einer geringen Anzahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern und unter Berücksichtigung eines detaillierten Hygienekonzepts durchgeführt werden. Gleichwohl konnten die Veranstaltungen im Live-Stream digital verfolgt werden. 3. Welchen Grad an Verbindlichkeit wird die in Bearbeitung befindliche Beteiligungscharta für die ZRR bzw. die Landesregierung haben? Die sogenannte Revier-Charta soll als eigenes Kapitel in das überarbeitete Wirtschafts- und Strukturprogramm 1.1 aufgenommen werden, das im Sommer 2021 veröffentlicht werden soll. Das Wirtschafts- und Strukturprogramm dient als Leitschnur für die Förderung im Rheinischen Revier. 4. Nach welchen Kriterien wird die ZRR nach Kenntnis der Landesregierung entscheiden, welche Forderungen der Zivilgesellschaft aus dem „Bürgergutachten“ in die überarbeitete Version des WSP 1.0 übernommen werden? Nach Kenntnis der Landesregierung werden die in das Verfahren eingebrachten Beiträge durch die Zukunftsagentur Rheinisches Revier gesichtet, unter anderem fachlichen Erwägungen gegenübergestellt und dem Aufsichtsrat als Empfehlung vorgelegt. Dieser entscheidet über die Berücksichtigung im Rahmen der Weiterentwicklung des WSP 1.0. 5. Zivilgesellschaftliche Akteure sind im Aufsichtsrat der ZRR weiterhin nicht stimmberechtigt und somit nicht direkt an Entscheidungen über die Bewertung von Strukturwandel-Projekte beteiligt. In welcher Weise hält die Landesregierung dies für angemessen, um die Akzeptanz für den Strukturwandelprozess auch langfristig zu sichern? Aus Sicht der Landesregierung wurden im Rheinischen Revier unter Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure vielfältige Anknüpfungspunkte für Partizipation geschaffen. Zu nennen sind der Aufsichtsrat der Zukunftsagentur, in dem die demokratisch legitimierten Hauptverwaltungsbeamten vertreten sind, der vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie ins Leben gerufene Beirat der Wirtschafts-, Wissenschafts- und Sozialpartner sowie die Revierknoten, die als offene Netzwerkstrukturen die Anregungen und Ideen der Fachöffentlichkeit aufnehmen. Das von der Zukunftsagentur zur Einbeziehung der LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11873 4 Zivilgesellschaft initiierte Beteiligungsverfahren soll darüber hinaus dauerhaft weitergeführt werden. Diese Partizipationsstruktur gewährleistet, dass gute Ideen und Initiativen in den Gesamtprozess eingebracht werden können.