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kleineAnfragen
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Datum des Originals:
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.11.2020
Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage
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31
vom
23
.
Oktob
er
2020
der Abgeordneten Markus Wagner und Nic Vogel AfD
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Linksextreme Musik in
Nordrhein
-
Westfalen
Vorbemerkung der Kleinen Anfrage
Im Kapitel „Subkulturell geprägter Rechtsextremismus“ berichtet der Verfassungsschutz NRW
im Jahresbericht 2019 ausführlich über rechtsextreme Musikgenres, eine entsprechende
Musikindustrie, Konzertve
ranstaltungen und deren Bedeutung für Subkulturen und
Lebensstile.
1
Im Kapitel „Autonome Linksextremisten“ ist bezüglich der Szenefinanzierung
zwar dokumentiert, dass dies unter anderem durch „Solidaritätskonzerte“ erfolge
2
, von der
konkreten Gestalt einer
linksextremen Musikszene erfährt man hingegen nichts.
Vor diesem Hintergrund hat die AfD
-
Landtagsfraktion am 9. September 2020 einen
entsprechenden Tagesordnungspunkt mit der Bitte um einen schriftlichen Bericht der
Landesregierung für die 66. Sitzung
des Innenausschusses beantragt. Die Beantragung
beinhaltete Fragen nach linksextremen und nicht als linksextrem eingestuften Musikgruppen,
die auf den erwähnten Solidaritätskonzerten auftreten und damit die Szenefinanzierung
unterstützen, nach einer Auflis
tung der Konzerte der vergangenen Jahre und schließlich auch
nach den Plattenlabels im Hintergrund.
Die Antwort der Landesregierung in Vorlage 17/3874 A09 gestaltete sich allerdings wie folgt:
„Eine spezifische Musikszene, wie sie aus dem Rechtsextremism
us bekannt ist, existiert im
Linksextremismus nicht. Musik kommt im Linksextremismus weder für den Einstieg in die
Szene noch für die Radikalisierung eine Bedeutung zu.
Musikgruppen, die nicht dem extremistischen Spektrum zugehörig sind, unterliegen nich
t dem
Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes“ (S. 2).
Bereits aus dem unmittelbaren Vergleich der amtlichen Mitteilungen in der Vorlage 17/3874
A09 auf Seite 2 und in dem Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein
-
Westfalen über
das Jahr 2019 auf
Seite 171 ergeben sich zahlreiche Anschlussfragen: Es erscheint skurril,
dass die Verfassungsschutzbehörde zu einem feststellt, dass sich die Szene der autonomen
Linksextremisten auch durch „Solidaritätskonzerte“ finanziert, zum anderen jedoch
1
Vgl. Ministerium des Innern des Landes Nordrhein
-
Westfalen (Hrsg.) (2020):
Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein
-
Westfalen über das Jahr 2019, Düsseldorf, S. 126ff..
2
Vgl. ebd., S. 171.
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behauptete,
es gäbe keine Musikszene. Wie sollen Konzerte, die laut Aussage der
Landesregierung einen Finanzierungspfeiler darstellen, ohne Veranstalter, Lokalitäten,
Musikgruppen mit Szeneakzeptanz, Hörer der Musik, Liedtexte, beabsichtigte und organisierte
Spendenfl
üsse in die Szene hinein, Musikproduktionsstrukturen oder Absatzwege von Alben
und Singles geplant und durchgeführt werden? Auch die Aussage, wonach Musikgruppen, die
nicht dem extremistischen Spektrum zugehörig sind, nicht dem Beobachtungsauftrag des
Verf
assungsschutzes unterlägen, ist hochgradig problematisch. Die AfD
-
Landtagsfraktion
fragte nämlich konkret nach jenen nicht
-
linksextremen Musikgruppen, die sich für etwaige
„Solidaritätskonzerte“ der linksextremen Szene haben gewinnen lassen. Dadurch finanz
ierten
diese
-
isoliert betrachtet womöglich nicht
-
linksextremen
-
Musikgruppen immerhin diejenige
Teilmenge der nordrhein
-
westfälischen Linksextremisten, der laut Jahresbericht 2019 „der
ganz überwiegende Teil der Gewaltstraftaten im Linksextremismus“ zuz
urechnen ist.
3
Eine solche Finanzierungsfunktion linksextremer Musik sieht auch die Extremismusforscherin
U. M. in einem Aufsatz für die Hanns
-
Seidel
-
Stiftung:
„Im Jahre 2011 geschah dies zum Beispiel für die linksextremistische
Gefangenenhilfsorganisati
on „Rote Hilfe“. Der Erlös aus einem CD
-
Sampler kam laut eigener
Aussage zu 100 % der „Roten Hilfe“ zugute. Wenn keine konkreten Organisationen und
Projekte mit dem Erlös durch den Musikverkauf unterstützt werden sollen, lehnen Musiker mit
Bezügen zum Link
sextremismus in der Regel den kommerziellen Handel ab. Aufgrund ihrer
antikapitalistischen Haltung stellen sie ihre Musik zumeist kostenlos im Internet zur Verfügung
oder sie bieten den Erwerb ihrer CD für einen geringen Preis an.“
4
Allerdings erkennt M.
auch die Funktionen der Ideologievermittlung, der Rekrutierung neuer
Anhänger und auch der Mobilisierung von Personenpotenzial:
Darüber hinaus eignet sich linksextremistische Musik auch dazu, die eigenen Anhänger zu
mobilisieren, wie zum Beispiel vor ein
em Neonazi
-
Aufmarsch (Mobilisierungsfunktion). Dafür
werden im Vorfeld nicht selten auch sogenannte „Mobi
-
Clips“ für Videoplattformen im Internet
angefertigt, die zumeist mit einem entsprechenden Lied unterlegt sind.
5
Als Beispiele linksextremer Musiker
nennt M. „Holger Burner“, der mit Liedtexten wie „
Ich will
Uzis verteilen von Hamburg bis München mit dem Aufruf die Chefs aller Banken zu lynchen“
arbeitet, „WIZO“, „Crument“, „Slime“, „Die Zusamm
-
Rottung“ ,„Boykott“, „Kurzer Prozess“ oder
die Punk
-
Band „
SPN
-
X“
6
, von der das nachfolgende Szenario besungen worden ist:
„Mollis und Dynamit nehm ich in meinem Beutel mit und mach mich damit auf zum Revier.
Bullen brennen lichterloh. Alle feiern und sind froh.“
7
Die Bestrebungen von Musikern, wie „Holger Burne
r“ oder „DieVisitor“, alarmierten den
Brandenburgischen Verfassungsschutz bereits vor einem Jahrzehnt. Diese Behörde scheute
sich auch nicht explizit zu benennen, in welchen Einrichtungen linksextreme Musiker auftreten
durften, welche Träger hinter diesen
Einrichtungen stehen und in welchen Städten diese
beheimatet sind.
8
3
Ebd., S. 146.
4
M., U. (2014): Linksextremistische Musik; in: Hirscher, Gerhard (Hrsg.): Linksextremismus in
Deutschland. Bestandsaufnahme und Perspektiven, (Hanns
-
Seidel
-
Stiftung e.V. (Hrsg.): Argumente
und Materialien zum Zeitgeschehen, Band 95), Münch
en, S. 35
-
42, hier: S. 40.
5
Ebd., S. 40f..
6
Ebd., S. 37ff..
7
Ebd., S. 40.
8
Vgl. https://verfassungsschutz.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.206743.de.
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In einer Broschüre des Bundesamts für Verfassungsschutz aus dem Jahr 2016 heißt es zu
linksextremer Musik überdies:
„Im Rahmen ihrer vielfältigen Aktivitäten nutzen Linksextremisten auch
Musik, um über
Liedtexte ihre politischen Vorstellungen zu verbreiten und zugleich Gesinnungsgenossen zu
Unternehmungen zu mobilisieren.
Musik wird aber auch eingesetzt, um Gelder für eigene Aktivitäten zu erwirtschaften und neue
Sympathisanten
anzuwerben, indem z.B. Partys oder Konzertabende in den als „Freiräumen“
genutzten Einrichtungen veranstaltet werden.
Der Einsatz von Musik als Mittel zur Mobilisierung zeigt sich gelegentlich auch vor größeren
Veranstaltungen. In Videos, die über das Int
ernet verbreitet werden, dienen Musik und
gewaltverherrlichende Bilder dazu, z.B. für Angriffe auf rechtsextremistische Demonstranten
zu werben und die eigene Gewaltbereitschaft gegenüber mutmaßlichen „Nazis“ zu schüren.“
9
Diese Einschätzungen bestätigt s
chließlich auch die Bayerische Informationsstelle gegen
Extremismus:
„Auch für die linksextremistische Szene hat Musik eine identitätsstiftende Funktion. Sie trägt
dazu bei, jugendliche Unterstützer zu gewinnen und die Anhänger weiter zu radikalisieren.
H
äufig wird Musik im Rahmen der Vorbereitungen bzw. im Verlauf größerer Demonstrationen
eingesetzt. Musikunterlegte „Mobilisierungsvideos“ im Internet transportieren ideologische
Positionen und sollen damit vor allem jüngere Menschen ansprechen.“
10
Die Verl
autbarungen des NRW
-
Verfassungsschutzes stehen demnach in einem diametralen
Widerspruch zu Forschung und Beobachtungen anderer Sicherheitsbehörden.
D
er Minister
des Innern
hat die Kleine Anfrage 4
6
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mit Schreiben vom
1
8
.
November
2020
namens der Landesregierung
beantwortet.
1.
Welche linksextremen Musikgruppen mit Bezug zu Nordrhein
-
Westfalen werden
vom Verfassungsschutz beobachtet?
2.
Welche Plattenla
bels beziehungsweise Musikproduktionsstrukturen stehen hinter
den unter Ziffer 1. erfragten linksextremen Musikgruppen?
3.
Welche Konzerte sind in den Jahren 2014 bis 2019 in NRW durchgeführt worden,
die auch der Finanzierung der Szene der autonomen Linksextremisten gedient
haben? (Bitte einzeln aufschlüsseln und namentlich benennen.)
4.
Welche nicht
-
linksextremen und linksextr
emen Musikgruppen haben sich in den
Jahren 2014 bis 2019 für die unter Ziffer 3. erfragten „Solidaritätskonzerte“, die
auch der Finanzierung der Szene der autonomen Linksextremisten gedient haben,
gewinnen lassen? (Bitte umfassend und jeweils konkret benen
nen.)
9
Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.) (2016): Linksextremismus. Erscheinungsformen und
Gefährdu
ngspotenziale, Köln, S. 43.
10
Diese Einschätzung bestätigt auch die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (Hrsg.):
Linksextremistische Musik; online im Internet:
https://www.bige.bayern.de/infos_zu_extremismus/linksextremismus/medien/musik/index.
html.
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5.
Welcher Akteur ist jeweils als Organisator der unter Ziffer
3. erfragten Konzerte
aufgetreten?
Die Fragen werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Anders als
im Rechtsextremismus ist eine eingrenz
-
und damit beobachtbare linksex
tremistische
Musikszene nicht existent. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage des Abgeordneten Dr. Anton Friesen und der Fraktion der AfD (Drucksache 19/4281)
zu den Fragen 1 bis 3 verwiesen.