LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11883 20.11.2020 Datum des Originals: 20.11.2020/Ausgegeben: 26.11.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4632 vom 23. Oktober 2020 der Abgeordneten Andreas Bialas und Jochen Ott SPD Drucksache 17/11606 Was ist unter dem Vorantreiben der Flexibilisierung des offenen Ganztages zu verstehen? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Landesregierung hat mit Drucksache 17/10475 auf eine Kleine Anfrage mitgeteilt, dass das Land seit 2017 die Quantität, Qualität und Flexibilisierung vorangetrieben habe (siehe Antwort zu Frage 1 und 2). Gleichzeitig wird von Trägern auf eine exakte Einhaltung von durch Erlasse festgesetzten Zeiten (siehe RdErl. des MSW i.d.F. vom 16.02.2018 (12-63 Nr.2)) verwiesen und eine Flexibilisierung der Abholzeiten des Offenen Ganztages de facto nicht ermöglicht. Insbesondere wird darauf verwiesen, dass die Erlasslage hier keinerlei Spielraum einräumt, sondern vielmehr exakte Zeitvorgaben vorsieht. Gerade in der jetzigen Pandemie-Zeit ist eine flexible Anfangs- und Endzeit des Unterrichts, bzw. des Offen Ganztagsangebotes wünschenswert, da dies eine geeignete Form darstellt, sowohl einen „Massenauflauf“ zu Schulbeginn und Schulschluss zu vermeiden und die Kontaktbeschränkungen besser durchzusetzen und zu überwachen. Die Ministerin für Schule und Bildung hat die Kleine Anfrage 4632 mit Schreiben vom 20. November 2020 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung beantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung hat sich drei Ziele für die Weiterentwicklung des Offenen Ganztags gesetzt: Ausbau der Plätze, Stärkung der Qualität und Flexibilisierung der Teilnahmeregelungen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11883 2 Aktuell werden in NRW rund 69 Prozent aller Grundschulkinder in institutioneller Betreuung (Ganztagsschule, Übermittagsbetreuung o.ä.) betreut, knapp 50 Prozent im Offenen Ganztag (OGS). Im Schuljahr 2020/2021 stehen rund 330.000 Plätze zur Verfügung. In Nordrhein-Westfalen obliegt die konkrete Ausgestaltung der Ganztagsangebote den Kommunen. Die Ergänzung des Grundlagenerlasses vom 16. Februar 2018 (BASS 12-63 Nr. 2) war ein wichtiger Schritt, um Klarheit und Rechtssicherheit für Eltern, Schulen, Kommunen und Träger bezüglich der Teilnahmepflichten und der Möglichkeiten flexibler Ausgestaltungen zu schaffen. Für die OGS als Bildungs- und Betreuungsangebot ist im Grundsatz eine möglichst regelmäßige Teilnahme anzustreben. Gleichwohl sollen Kinder an regelmäßig stattfindenden außerschulischen Bildungsangeboten (z.B. im Sportverein, in der Musikschule, beim Erlernen eines Musikinstruments, am herkunftssprachlichen Unterricht), an ehrenamtlichen Tätigkeiten (z.B. in Kirchen und Religionsgemeinschaften, Vereinen und Jugendgruppen) sowie an Therapien und familiären Ereignissen teilnehmen können. Welche Ausnahmen grundsätzlich möglich sind, wird vor Ort entschieden. Grundsätzlich sollen offene und gebundene Ganztagsangebote im laufenden Schuljahr 2020/2021 wieder regulär aufgenommen werden, was auch die regelmäßige und tägliche Teilnahme der Schülerinnen und Schüler an diesen Angeboten beinhaltet. Dies geschieht unter Beachtung der schulischen Hygienekonzepte im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten. Die Abstimmung/Regelung dazu erfolgt vor Ort. Ebenso verhält es sich mit den Teilnahmebefreiungen von der OGS in der aktuellen Situation. Falls Abweichungen vom regulären zeitlichen Umfang aufgrund räumlicher oder personeller Engpässe nötig werden, besteht das Land in diesen Fällen selbstverständlich nicht auf einer Teilnahmepflicht. Auch vor dem Hintergrund der besonderen und zusätzlichen Belastungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ganztags- und Betreuungseinrichtungen empfiehlt sich aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie im Einzelfall ein angepasster Umgang mit den Teilnahmepflichten. Auch dies sollte vor Ort zwischen den Verantwortlichen geregelt werden, da vertragliche Beziehungen zwischen den Eltern, den Schulträgern und den Trägern der Ganztags- und Betreuungsangebote bestehen. Mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW als zentrale Vertretung der Träger der Ganztagsangebote war und ist die Landesregierung in kontinuierlichen Abstimmungsprozessen, um Regelungsbedarfe zu erörtern und eine transparente Kommunikation zu gewährleisten. 1. In wie weit kann eine flexible Abholung, insbesondere innerhalb der letzten 30 Minuten des Ganztages gestaltet werden, bzw. in wie weit ist eine flexible Handhabung durch den Träger und die Schule vor Ort innerhalb der letzten 30 Minuten rechtskonform zu gestalten? 2. Ist eine Flexibilisierung der Abholzeiten durch Erlasslage definitiv verboten bzw. muss durch den Träger oder die Schulleitung unterbunden werden? Frage 1 und 2 werden zusammen beantwortet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11883 3 Der Zeitrahmen offener Ganztagsschulen im Primarbereich erstreckt sich unter Einschluss der allgemeinen Unterrichtszeit in der Regel an allen Unterrichtstagen von spätestens 8 Uhr bis 16 Uhr, bei Bedarf auch länger, mindestens aber bis 15 Uhr. Vereinbarungen zu den Abholzeiten ab 15 Uhr werden vor Ort getroffen und sind ggfs. Teil des Ganztagskonzepts bzw. der Betreuungsverträge, die zwischen Eltern und Schulträgern geschlossen werden. 3. Welche Mitbestimmungsrechte bestehen für Eltern bzw. kann insbesondere eine Flexibilisierung der Abholzeiten in der Schulkonferenz beschlossen werden? Jede Ganztagsschule entwickelt, auch unter Beteiligung der außerschulischen Kooperationspartner, ein Ganztagskonzept, das regelmäßig fortgeschrieben wird. Dieses Konzept ist Teil des Schulprogramms. Über das Konzept entscheidet die Schulkonferenz, in der auf der Grundlage § 66 SchulG auch Eltern vertreten sind. 4. Gibt es aufgrund der Pandemie weitere Ausnahmeregelungen bzw. sind welche angedacht? 5. Inwieweit ist in Pandemiezeiten zu berücksichtigen, dass es sinnvoll sein kann, Kontakte zu minimieren und gerade auch bei anderweitigen Erkrankungen der Kinder ausgedehntere Genesungszeiten einzuplanen sind? Fragen 4 und 5 werden zusammen beantwortet: Grundsätzlich sollen offene und gebundene Ganztagsangebote im laufenden Schuljahr wieder regulär aufgenommen werden, was auch die regelmäßige und tägliche Teilnahme der Schülerinnen und Schüler an diesen Angeboten beinhaltet. Die OGS ist ein wichtiges Bildungs- und Betreuungsangebot, das gerade auch in Pandemiezeiten die Vereinbarkeit von Familie und Berufsleben, die Rhythmisierung des Tagesablaufs und die Rückkehr zur Normalität von Austausch und Begegnung für Schülerinnen und Schüler ermöglicht. Auch in Pandemiezeiten und gerade nach den Schulschließungen zu Jahresbeginn sind viele Eltern aktuell auf eine verlässliche und vollumfängliche Beschulung und Betreuung angewiesen. Mit der Schulmail vom 31.8.2020 wurde folgende Regelung mitgeteilt: Bezüglich der Teilnahmepflicht in Angeboten des offenen Ganztags gilt, dass eine möglichst regelmäßige Teilnahme gemäß Erlass anzustreben ist. Abweichungen von der regulären Teilnahmeverpflichtung können (z.B. aufgrund personeller oder räumlicher Einschränkungen in den Einrichtungen oder individueller Gründe) in Einzelfällen vor Ort geregelt werden. Dies schließt entsprechende, individuell (mit dem Schul/-Maßnahmeträger) abgestimmte Abholzeiten ein. Ganz grundsätzlich gilt: Kinder und Jugendliche mit akuten Symptomen sollten sich bis zur Genesung zuhause auskurieren. Das ist medizinisch für die Heilung sinnvoll, auch wenn keine zusätzliche ärztliche Behandlung erforderlich ist. Durch eine Genesungszeit zuhause wird zudem verhindert, dass diese Patienten in vollen Wartezimmern andere Personen oder in der Schule andere Mitschüler anstecken. Dabei sind primär die Eltern in der Verantwortung, den Gesundheitszustand ihres Kindes einzuschätzen. Dies galt vor der Pandemie und es gilt auch in Zeiten der Pandemie.