LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11924 23.11.2020 Datum des Originals: 23.11.2020/Ausgegeben: 27.11.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4637 vom 29. Oktober 2020 des Abgeordneten René Schneider SPD Drucksache 17/11625 Der Wolf, das Lamm, Murks: Landesregierung lässt klare Linien beim Umgang mit Wolf GW954f missen! Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit 2016 existiert in NRW ein Wolfsmanagementplan, der sich auf das Auftauchen einzelner Wölfe fokussiert. Schermbeck wurde 2018 als erstes Gebiet in NRW offiziell als Wolfsgebiet ausgewiesen. Mittlerweile gibt es drei Wolfsgebiete in NRW, jedoch weiterhin nur einen Herdenschutzberater für das gesamte Bundesland, dessen Stelle zudem bis zum 31.12.2020 befristet ist. Im Schermbecker Wolfsgebiet hat die Wölfin GW954f bereits für erhebliche Schäden bei den dortigen Tierhaltern gesorgt. Zwar werden Herdenschutzmaßnahmen von der Landesregierung finanziert, jedoch reichen diese Hilfen nicht aus. Das Ministerium hat in Absprache mit dem LANUV auf die hohe Schadenfrequenz reagiert, indem es ein „intensiviertes“ Wolfsmonitoring eingeführt hat. In Niedersachsen hat sich die derzeitige Landesregierung bereits in mehreren Fällen dafür entschieden, dass auffällige Wölfe entnommen werden können. Unter auffälligen Wölfen werden Tiere verstanden, „die dreistes Verhalten aufweisen, das zur Gefährdung eines Menschen führen kann. Auch notorisches Verhalten (z.B. wenn ein Wolf sich selbst durch Präventionsmaßnahmen nicht vergrämen lässt), das zu Akzeptanzverlust führen kann und damit der gesamten Wolfspopulation schadet, wird darunter verstanden. Ein auffälliges Verhalten bedeutet fast immer, dass unerwünschtes Verhalten wiederholt und teilweise auch mit steigender Intensität gezeigt wird.“1 Folgt man dem Urteil des OVG Lüneburg in einem dort ähnlich gelagerten Fall wie in Schermbeck, wäre eine letale Entnahme der Wölfin GW954f in Schermbeck bereits heute rechtlich möglich.2 1 Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (2016): Wolfsmanagementplan für NRW, Handlungsleitfaden für das Auftauchen einzelner Wölfe, Recklinghausen. 2 Niedersächsisches Landesjustizportal (2020): Naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Tötung von Wölfen, online: http://www.rechtsprechung.niedersachsen.juris.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=MWRE20 0002585&st=ent&doctyp=jurisr&showdoccase=1¶mfromHL=true#focuspoint LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11924 2 Die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 4637 mit Schreiben vom 23. November 2020 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Worin liegt der Unterschied zwischen einem normalen und einem intensivierten Wolfsmonitoring? Das vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) durchgeführte Monitoring zum Wolf richtet sich nach den Empfehlungen des bundesweiten Wolfsmonitorings. Die entsprechenden Empfehlungen „Monitoring von Großraubtieren in Deutschland“ und „Monitoring von Wolf, Luchs und Bär in Deutschland“ hat das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in seiner Schriftenreihe veröffentlicht (BfN-Skripte 251 und 413). Mit diesen Ergebnissen des wissenschaftlichen Monitorings werden sämtliche Hinweise auf die Anwesenheit von Wölfen in Nordrhein-Westfalen dokumentiert und überprüft. Zielsetzung ist ein robustes Monitoring mit Ergebnissen, die sowohl im bundesweiten, als auch im europäischen Kontext vergleichbare Daten liefern. Im Regelfall werden die Daten mit einer Kombination von Suche nach Anwesenheitshinweisen und Genetik zur jährlichen Ermittlung von Populationsgröße und Vorkommensgebiet erhoben. Eine Intensivierung dieses Monitorings ist in Nordrhein-Westfalen bislang nur im Wolfsgebiet Schermbeck erfolgt. Hier werden zusätzlich zu den genannten Methoden weitere Nachweismethoden angewandt (z.B. Suche nach Losung, Einsatz von Wildkameras). Bei überprüften Nutztierrissen werden im Wolfsgebiet Schermbeck zusätzliche veterinärpathologische Untersuchungen durch die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter (CVUÄ) durchgeführt. 2. Inwieweit müsste der aktuelle Wolfsmanagementplan mit der Fokussierung auf einzelne Wölfe überarbeitet werden, um den Rudelbildungen der Wölfe gerecht zu werden? Der vom LANUV erarbeitete Wolfsmanagementplan für Nordrhein-Westfalen mit dem Titel „Handlungsleitfaden für das Auftauchen einzelner Wölfe“ beschreibt die vorgesehenen Handlungsabläufe zum Vorgehen bei Hinweisen auf Wölfe. Der Wolfsmanagementplan aus dem Jahre 2016 muss vorwiegend in folgenden, überwiegend administrativen Punkten aktualisiert werden: a) Aktueller Stand Förderrichtlinien Wolf, b) Zuständigkeiten gemäß Förderrichtlinien Wolf, c) Einbindung der Herdenschutzberatung der LWK d) Redaktionelle Änderungen aufgrund neuerer Literatur und Rechtsprechung. Die Ausführungen zum Wolfsmonitoring sind unverändert aktuell und finden daher weiterhin Anwendung. Für das Wolfsmonitoring ist es unerheblich, ob ein einzelner, durchziehender Wolf oder ein Wolfsrudel nachgewiesen wird. In Bezug auf die mit der Rückkehr des Wolfes verbundenen wirtschaftlichen Belastungen gewährt die Landesregierung den Weidetierhaltungen auf der Grundlage der aktuellen Förderrichtlinien Wolf (Stand: 17.03.2020) eine finanzielle Unterstützung (unabhängig von den inhaltlich überholten Ausführungen im Wolfsmanagementplan). Die Landesregierung beabsichtigt, den Wolfsmanagementplan im Jahr 2021 zu aktualisieren. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11924 3 3. Sind weitere Herdenschutzberater bei der Landwirtschaftskammer geplant, um den zukünftig steigenden Beratungsbedarf der Tierhalter zu decken? Die Landesregierung hat im Haushalt 2021 im Hinblick auf den mit der Rückkehr der Wölfe verbundenen zunehmenden Beratungsbedarf der Weidetierhaltungen für die Aufstockung des Personals bei der Herdenschutzberatung der Landwirtschaftskammer zusätzliche Haushaltsmittel in Höhe von 300.000,- Euro eingeplant. Vorbehaltlich der Entscheidung des Landtages wird damit im kommenden Jahr die Herdenschutzberatung personell ausgebaut werden können. 4. Wie auffällig oder auch dreist muss die Wölfin GW954f noch werden, bis sich das Ministerium zur Entnahme entscheidet? Für den Abschuss eines Wolfes ist eine artenschutzrechtliche Ausnahme nach § 45 Absatz 7 in Verbindung mit § 45 a Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) erforderlich. Die seit dem 12.03.2020 bestehende gesetzliche Regelung erhöht die Rechtssicherheit für die zuständigen Behörden, wenn es im Einzelfall notwendig ist, einen Wolf zu töten. Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahme vom artenschutzrechtlichen Tötungsverbot ist unter anderem das Fehlen „zumutbarer Alternativen“. Dazu ist seitens der zuständigen unteren Naturschutzbehörde insbesondere zu prüfen, ob im konkreten Fall anstelle einer Tötung wirksame und zumutbare Herdenschutzmaßnahmen ergriffen werden können. Wegen möglicher Alternativen wurde bislang im Fall der Wölfin GW954f keine artenschutzrechtliche Ausnahme erteilt. 5. Welche Alternativen gibt es, um eine Entnahme zu verhindern und dabei gleichzeitig künftige gravierende Schäden an der örtlichen Tierpopulation weitest möglich zu stoppen? Allein der Eintritt eines „ernsten Schadens“ im Sinne des § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 1 BNatSchG rechtfertigt für sich genommen noch keine Ausnahme vom Tötungsverbot, wenn die betroffenen Nutztierbestände bislang noch nicht ausreichend geschützt waren. Diese Ausnahme ist nur dann gerechtfertigt, wenn es keine zumutbaren Alternativen gibt (§ 45 Absatz 7 Satz 2 BNatSchG). Die flächendeckende Anwendung zumutbarer Herdenschutzmaßnahmen im Territorium der Wölfin GW954f in Schermbeck stellt eine solche Alternative dar. Bei der Beurteilung, welche Maßnahmen zum Schutz von Weidetierbeständen vor Wolfsübergriffen typischerweise effektiv und zumutbar sind, kann auf die Veröffentlichung des BfN mit „Empfehlungen zum Schutz von Weidetieren und Gehegewild vor dem Wolf - Konkrete Anforderungen an die empfohlenen Präventionsmaßnahmen“ (BfN-Skript 530) zurückgegriffen werden. Als Hilfestellung für die Tierhalter kann auf den Sachverstand der Herdenschutzberatung bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen zurückgegriffen werden.