LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 17. Wahlperiode Drucksache 17/11925 23.11.2020 Datum des Originals: 23.11.2020/Ausgegeben: 27.11.2020 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 4624 vom 23. Oktober 2020 der Abgeordneten Markus Wagner und Nic Vogel AfD Drucksache 17/11597 „Wir dulden keine rechten Umtriebe" – Was meint der Innenminister damit? Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Zusammenhang mit der Aufdeckung von mutmaßlichen und tatsächlichen rechtsextremen Telekommunikationsinhalten und einzelnen virtuellen Kontakten von Polizeivollzugsbeamten und Mitarbeitern des nordrhein-westfälischen Innenministeriums sagte Herbert Reul in einer öffentlichen Stellungnahme unter anderem: „Wir dulden keine rechten Umtriebe.“1 Der Minister des Innern hat die Kleine Anfrage 4624 mit Schreiben vom 23. November 2020 namens der Landesregierung beantwortet. 1. Wie unterscheidet der auch für den Verfassungsschutz zuständige Innenminister die Begriffe „rechts“ und „rechtsextrem“? 2. Wie definiert der Innenminister den polit-topographischen Begriff „rechts“ bzw. „rechte“ aus demokratietheoretischer, ideengeschichtlicher und (verfassungs-) rechtlicher Perspektive? 3. Darf es nach Ansicht des Innenministers neben einer Linken und einer sogenannten politischen Mitte keine demokratische Rechte geben? 4. Duldet die Landesregierung „linke Umtriebe“? Hinsichtlich der Fragen 1 bis 4 erscheint eine Erläuterung nur im Zusammenhang sinnvoll, so dass die Fragen gemeinsam beantwortet werden. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe der Landesregierung, im Rahmen parlamentarischer Anfragen allgemein Termini in demokratietheoretischer oder ideengeschichtlicher Hinsicht zu definieren. 1 Neue Westfälische (2020): Skandal um rechtsextreme Chats erreicht NRW-Verfassungsschutz; online im Internet: https://www.nw.de/nachrichten/nachrichten/22871899_Skandal-um-rechtsextreme-Chats-erreicht- NRW-Verfassungsschutz.html. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 17. Wahlperiode Drucksache 17/11925 2 Dem Minister des Innern obliegt im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgaben die Zuständigkeit für „extremistische“ Bestrebungen, unabhängig von ihrer politischen Richtung. Darunter sind politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen zu verstehen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten. Innerhalb des grundgesetzlichen Verfassungsbogens sind politisch linke wie rechte Verhaltensweisen als Ausdruck einer auf Meinungspluralismus und Meinungsoffenheit angelegten, streitbaren Demokratie grundsätzlich zulässig. Der Staat hat jedoch die Aufgabe, zur Erhaltung dieser Demokratie linke wie rechte politische Umtriebe in den Blick zu nehmen und zu intervenieren, wenn diese in Extremismus umschlagen. Nichts anderes habe ich gemeint, als ich im Kontext von rechtsextremistischen Inhalten in Chatgruppen die zitierte Äußerung getätigt habe. 5. Wie gewährleistet der Innenminister die Meinungsfreiheit von Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst, die konservative, demokratisch rechte oder national-liberale Meinungen vertreten? Die durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG garantierte Meinungsfreiheit steht auch Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes zu. Gewisse Einschränkungen ergeben sich allerdings – auch im Zuge von Meinungsäußerungen – aus ihrer Stellung im öffentlichen Dienst: So haben sich beide Berufsgruppen durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen. Darüber hinaus haben Beamtinnen und Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt. Dieses Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot beinhaltet, dass am politischen Geschehen nur zurückhaltend Kritik geübt wird und soll sicherstellen, dass die unparteiische und gemeinwohlorientierte Amtsführung nicht leidet und die Amtsführung politisch neutral bleibt. Für Angestellte des öffentlichen Dienstes gilt diese Mäßigungs- und Zurückhaltungspflicht nicht gleichermaßen; jedoch trifft auch sie eine Treuepflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber, die es ihnen im Einzelfall gebieten kann, Äußerungen zu unterlassen, insbesondere wenn diese das Ansehen ihres Arbeitgebers nicht unerheblich schädigen können. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit kann deshalb nur unter Berücksichtigung der besonderen Pflichten, die durch das Dienst- und Treueverhältnis zum Staat begründet sind, wahrgenommen werden.